Begegnung auf der Naab - lebendige Römergeschichte
- Geschrieben von Portal Editor
Im Rahmen unseres Projekts "Verständigungs- und Kulturreise entlang Römischer Straßen" waren wir erneut nach Regensburg (Castra Regina) gekommen, um die weitere Vorbereitung des "1. Deutsch-Türkischen Literatur und Begegnungsfestivals Regensburg" zu unterstützen.
Natürlich wollten wir unsere Anwesenheit auch nutzen, weitere Ziele entlang unserer Projekttour anzufahren und im Erstbesuch kennen zu lernen. Einmal mehr nutzten wir den Campingplatz Pielenhofen an der Naab, der ja schon einige Male Ausgangspunkt für unsere Erkundungen gewesen war.
Überquerung der Mariaorter Eisenbahnbrücke über die Donau
Ausführlich hatten wir ja bereits von unserer Fahrradtour entlang der Naab in Richtung Kallmünz berichtet, nun sollte es die Naab hinab in Richtung Regensburg gehen, wo bei Mariaort, etwa 7 km vor den Toren Regensburgs, die Naab in die Donau mündet. Wir hatten uns als ersten Zielort der heutigen Tour die Wallfahrtskirche Mariaort ausgewählt, die nach Überquerung der Naab mittels einer Holzbrücke, erreicht wird. Von hier aus geht es dann nach Überquerung der Mariaorter Eisenbahnbrücke über die Donau auf dem Donauradweg weiter Richtung Regensburg und Kehlheim.
Der Naabradweg führt direkt hinter dem Campingplatz entlang, dann zunächst entlang ausgedehnter Maisfelder, später durch ufernahe Baumbestände, die die kleine Gartenlauben der Anrainer fast komplett verstecken. Neben etlichen idyllisch gelegenen, schmucken Wochenendhäusern treffen wir auf einige Campingwagen, die auf privaten Grundstücken der Naherholung dienen, aber auch auf einen ehemaligen Bauwagen, der am Rande einer Wiese mit großem Panoramafenster versehen auch ein wunderschönes Wochenendidyll darstellt. Immer wieder treffen wir auch auf Kanufahrer, die den Flusslauf bei noch sommerlichen Temperaturen für einen Ausflug nutzen. Der Radweg wird, so zumindest unser Eindruck, doch sehr ausgiebig genutzt, neben Fahrradwanderern treffen wir auf Mountainbiker und auf wirklich schnelle Rennradfahrer, eine bunte Mischung outdoor-begeisterter Menschen.
Endemische Rarität des "Regensburger Jura"
Interessant war auch die Hinweistafel auf die Maulbeeren im Naabtal, die wie Äpfel und Birnen zum Kernobst gehören und als endemische Rarität des "Regensburger Jura" gelten.
Als Endemit werden Tiere oder Pflanzen bezeichnet, die weltweit nur in einem bestimmten, räumlich klar abgegrenzten Gebiet vorkommen. Im "Regensburger Jura" besiedeln drei endemische Mehlbeeren die Unterläufe von Vils und Naab.
Die Gefahr, das solche Arten aussterben, ist sehr hoch. Die Landschaftspflegeverbände arbeiten deshalb mit den Bayerischen Staatsforsten daran, diese Raritäten zu erhalten. Schulungen helfen den Förstern, diese Raritäten zu erkennen. Wo sie vorkommen, werden beschattende Hölzer zurück geschnitten.
Geplant ist auch, Samen zu sammeln und nachgezogene Exemplare an geeigneten Stellen zu pflanzen.
Mehr Licht scheinen die Mehlbeeren immer zu rufen, denn sie gedeihen entlang der sonnigen Talhänge, auf Kalkfelsen und Waldlichtungen am besten. In den Wäldern werden sie von den schneller wachsenden Bäumen und Büschen oftmals unterdrückt. Die früher weit verbreitete Mittelwaldnutzung förderte einst die Mehlbeeren. Alle 10 - 15 Jahre wurden früher die Waldbäume bis auf den Stock zurück geschnitten.
Viele Bäume, so auch die Mehlbeeren, treiben problemlos wieder aus. Im lichtem Abstand ließ man Großbäume als Bauholz 50 - 100 Jahre stehen. Das schaffte früher die lichten Wälder, die die Mehlbeere liebt und sie prächtig gedeihen ließ.
Holzbank mit Blick auf die Naabmündung in die Donau lädt zum Verweilen ein
Ein wenig enttäuschend ist dann der weitere Verlauf des Radwegs, der dann einige Kilometer entlang der stark befahrenen B8 in Richtung Regensburg führt. Da es einige Wegstücke direkt neben der Fahrbahn der B8 gibt, ist der Gegenwind sowie der Lärm der passierenden Fahrzeuge recht unangenehm.
Vielleicht gibt es in der Zukunft Möglichkeiten und Schritte, den Naabradweg hier dem Verlauf der Naab folgen zu lassen, fernab der Bundesstraße oder die Beschilderung so zu verbessern, das man einfach eine möglicherweise vorhandene Ersatzroute erkennt.
Wir treffen jedenfalls bei der ersten Gelegenheit die Entscheidung, die Bundesstraße zu verlassen, gelangen so nach Mariaort hinein.
Kräftig rudern, um das Schiff auf Kurs zu halten
Bis zur hölzernen Fußgänger / Radfahrerbrücke ist es nicht mehr weit und eine Holzbank mit Blick auf die Naabmündung in die Donau lädt zum Verweilen ein. Als wir wenig später den Weg fortsetzen wollen, sehen wir ein großes Ruderboot die Naab hinab kommen. Natürlich hatten wir schon von dem "Römerboot" gehört, dass von einer Gruppe Regensburger Studenten unter Anleitung von Professor Konen nachgebaut worden war, einer Galeere vom "Navis Lusoria".
Es war aber ein reiner Zufall, das wir diesem Ruderboot, noch dazu gut besetzt und in voller Aktion, jetzt auf der Naab sehen sollten. Die Pseudo-Römer an Bord hatten auch, so konnten wir durchaus von oben beobachten, kräftig zu rudern, um das Schiff auf Kurs zu halten. Imposant entstand so ein sehr intensiver Eindruck, welche Strapazen römische Soldaten einst zu erdulden hatten und welche Disziplin gefordert war.
Grundsätzlich waren die Römer zunächst kein Seefahrervolk, ihre Bootstechnik bestand zunächst in der Übernahme griechischer Schiffe. Erst im Laufe ihrer Expansionsgeschichte unterhielten sie dann eine riesige Flotte von Ruder- und Segelbooten, allein auf dem Rhein hatten sie etwa 1.000 Schiffe. Diese Schiffe überwachten die "nassen" Limesgrenzen und wurden für den Transport von Truppen und Waren für die Versorgung der Soldaten benötigt. Es gab Frachtschiffe, die Menschen, Tiere, Ausrüstungsgegenstände, Baumaterial und Lebensmittel beförderten.
Die Boote und Schiffe waren bis zu 25 m lang und bis zu 7 m breit. Sie hatten einen flachen Kiel, damit sie auch in Flüssen fahren konnten in denen es sehr wenig Wasser hatte. Daneben gab es kleinere, 15 m lange und 3 m breite Schiffe, die wendiger waren und von 10 Ruderern bewegt wurden. Sie dienten als Aufklärer, Patrouillenboote, als Wach- und Begleitschiffe für Lastkähne oder als Truppentransporter. Allerdings gab es auch wirkliche Kriegsschiffe. Sie hatten einen Rammsporn und waren mit Matrosen und Soldaten besetzt. Bis zu 44 Ruderer saßen zu beiden Seiten in zwei Reihen übereinander.
Unter Kaiser Claudius (41-54) wurde im Zuge der Sicherung der oberen Donau die Errichtung des Grenzkastells Oberstimm um 40/50 n. Chr. abgeschlossen. Es ist eines der ältesten Kastelle in der Provinz Rätien und zu seiner Zeit war es die östlichste Garnison an der oberen Donau.
Von hier Donau abwärts gab eine große Lücke in der Grenzüberwachung, denn das nächste Kastell befand sich erst in Linz. Das Kastell Oberstimm war nicht nur für den Grenzschutz verantwortlich, sondern mit seinen Werkstätten auch als Versorgungsbasis für die ostwärts zur Grenzbewachung eingesetzten, vorwiegend berittenen Einheiten und kleiner Lager ausgelegt.
Die Wahl des Platzes bestimmte - ähnlich wie bereits bei der Keltenstadt Manching- die Kreuzung zweier bedeutsamer Verkehrswege: die Nord-Süd-Verbindung über die Donau und ein Ost-West-Weg auf der Niederterrasse südlich des Flusses.
Unmittelbar westlich des Kastells entdeckten Archäologen 1986 im Bereich einer verlandeten römischen Anlegestelle zwei spektakuläre römische Militärschiffe mediterraner Bauart aus der Zeit um 100 n. Chr., die vom römischen Militär als Patrouillenboote und zum Geleitschutz eingesetzt wurden.
Sie wurden 1994 planmäßig ausgegraben und waren zur Konservierung und Restaurierung bis 2005 im Römisch-Germanischen-Zentralmuseum in Mainz, das für seine Museumswerkstätten weltweit bekannt ist.
Die beiden 2000 Jahre alte Schiffswracks aus Oberstimm gelten als die am besten erhaltenen Römerboote nördlich der Alpen. Heute können diese beiden Schiffe im Kelten- und Römermuseum von Manching betrachtet werden.
Wir jedenfalls betrachten die Rudermanöver des nach gebauten Römerschiffes mit großem Interesse. Auf Kommando tauchen die 16 Ruderer die Ruderblätter in das Wasser und "pullen" das Boot voran. Dann erfolgt das Wendemanöver, denn kurzer vor der Einmündung in die Donau liegt der Anlegeplatz des Römerbootes. Jetzt sind nur die Ruderer der Steuerbordseite gefragt. Auch hier werden auf Zeichen des Ruderkommandanten die Ruderblätter gleichzeitig eingetaucht und "gepullt", so gelingt das Wendemanöver ohne große Komplikationen, auch wenn die Gruppe der Ruderer grundsätzlich als Anfänger zu betrachten ist. Längst haben sich weitere Passanten auf der Radbrücke versammelt, die dem seltenen Schauspiel beiwohnen wollen. Und so erfahren wir von einem Radler auch von der Geschichte, die hier im Jahr 2006 seinen Anfang nahm.
Im Sommer 2006 hatte sich eine Gruppe von Wissenschaftlern und Abenteurern mit der originalgetreu rekonstruierten römischen Galeere auf den Weg von Regensburg nach Budapest gemacht. Zum ersten Mal seit 1600 Jahren bewältigte ein solches Schiff die Donau auf dieser Strecke. Damals hatte ein Team des Bayerischen Rundfunks das Boot auf der spannenden Expedition in die Vergangenheit begleitet, die wissenschaftliches Experiment und sportliche Höchstleistung gleichermaßen war. Sengende Hitze, aber auch Kälte, Regen und Sturm machen den Ruderern zu schaffen.
Der aus der Begleitung entstandene Film zeigt die Mannschaft in Momenten höchster Motivation, aber auch die Augenblicke der Enttäuschung und des Zweifels. Man lernt Herrn Dorfmann kennen, einen 76-jährigen Abenteurer vom Schwarzen Meer, und Julia, die damals 19 jährige, zierliche Studentin. Man erlebt den Kapitän, der eigentlich Lehrer ist und erst lernen muss, die Mannschaft lautstark zu befehligen. Und auch den Bootsbauer Frank Jäcklein, der als Geselle auf der Walz zu dem Bootsbau-Projekt stieß und seitdem nicht mehr davon losgekommen ist. Sie und die gesamte Mannschaft unter der Leitung von Dr. Heinz Konen verhalfen dem Projekt der Universität Regensburg zu einem grandiosen Erfolg. Nach 180.000 Ruderschlägen pro Person und fast 800 Stromkilometern ging in Budapest die Mannschaft an Land: um einige wissenschaftliche Erkenntnisse reicher, aber auch um ein einmaliges Erlebnis.
Heute wird das Boot recht häufig von Schulen oder Gruppen gebucht, die dieses Erlebnis zumindest für Stunden auch selbst erfahren wollen. Kein Wunder also, wenn hier von einem fast einmaligen Erlebnis die Rede ist.
Bei all der Betrachtung und den Gesprächen ist die Zeit doch so stark vorangeschritten, das wir uns zur Rückkehr zum Campingplatz Pielenhofen entschließen. Auf ein Neues an den kommenden Tagen, wo wir dann Regensburg hoffentlich per Fahrrad erreichen werden.
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