Bremer Stadtviertel Schnoor und die Böttcherstraße
Nach einer kurzen Pause an einem Imbissstand in der Nähe des Bremer Rathauses machten wir uns auf den Weg in das, zumindest historisch betrachtet, wohl älteste und bekannteste Bremer Stadtviertel, das Schnoor Viertel.
Schon im 13. Jahrhundert wurden erstmals Aufzeichnungen getätigt, in denen auf die Schnoorsiedlung am Rande des Franziskaner Klosters, von dem leider nur die Klosterkirche erhalten blieben ist, hingewiesen wird. Der Begriff Schnoor entstammt dem Plattdeutschen in der Bedeutung Snoor gleich Schnur. Gemeint ist damit eine schmale, enge Gasse, an denen sich beidseitig links und rechts die kleinen Siedlungshäuser aufreihen. So verwundert es wenig, das eine der Strassen, besser Gassen, auch den Namen "Schnoor" trägt.
Enge Gassen prägen das Bild des Schnoor Viertels
Sicherlich ist die Wahl des Namens auch im Zusammenhang mit den überwiegenden Tätigkeitsbereichen der Bewohner des Schnoor Viertels zu sehen, die mehrheitlich dem Schiffshandwerk zu zuordnen waren. In dem Bereich, wo Seile und Taue hergestellt wurden kam man auf diese Weise schnell auf den Namen Schnoor, wie es hierzu vergleichbar in dem benachbarten Bereich den Zusammenhang zwischen der Fertigung von Draht und Ankerketten, im Plattdeutschen "Wiere" genannt, den Gassennamen "Lange Wieren" gibt.
Ein weiteres Beispiel ist der Gassenname "Stavendamm", an dem die erste öffentliche Badestube zu finden war. Im Plattdeutschen versteht man unter "Stave" eine Stube / ein Wohnzimmer. Wobei man hier allerdings neben dem Baden auch andere Arten von Vergnügungen erhalten konnte. Hinter vorgehaltener Hand munkelte man gar von einem geheimen Gang bis in den Dom, so das auch der Bischof unerkannt und heimlich die Badestube aufsuchen konnte. Glaubt man den Worten der doch häufig schelmischen Stadtführer, so hat der unterirdische Gang bis zum Schifferhaus geführt.
Fachwerkhäuser und Teestuben
Das älteste, noch existierende Haus im Viertel ist das so genannte Packhaus (Schnoor 2) aus dem Jahr 1401, gefolgt von Haus Schnoor 15 aus dem Jahr 1402. Von anderen Häusern sind lediglich noch die Fassaden vorhanden, die mit neuer Bausubstanz dahinter versehen sind oder gar von anderen Plätzen kommend hier wieder aufgebaut wurden. Dies trifft zum Beispiel auf das Amtsfischerhaus zu. Wieder andere Gebäude sind Nachbauten der ursprünglichen Bebauung, wie beispielsweise das Fachwerkhaus mit der Teestube in Wüstestätte 1. Die Mehrzahl der Gebäude entstammen dem 17. und 18. Jahrhundert und sind mehr oder weniger vollständig in ihrer ursprünglichen Bausubstanz erhalten geblieben.
Schon mit dem Betreten der ersten Gasse des Schnoor Viertels kann man sich leicht, so denn der Touristenstrom nicht zu stark ist, Jahrhunderte zurück versetzt fühlen. Trotz einiger typischer Souvenirgeschäfte ist der urtümliche, romantische Gesamteindruck, von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen, erhalten geblieben. Viel erinnert an das Leben in früheren Zeiten. So schlendert man dann durch enge Kopfsteinpflasterstrassen, verwinkelte Gassen und ist immer wieder erstaunt, was nach der nächsten Ecke erscheint.
Die Balge - ein Seitenarm der Weser
Zur Zeit der Gründung des Schnoor Viertels war allerdings nicht die Weser das Hauptgewässer für die dörfliche Siedlergemeinschaft, sondern ein Gewässer mit Namen Balge, von dem heute kaum noch jemand weiß, nicht zuletzt deshalb, weil dieses Gewässer komplett verschwunden ist. Seiner Zeit war die Balge ein Seitenarm der Weser, der mitten durch den Ort floss. Bis in das Mittelalter hinein war dieser Nebenarm Balge der Hauptstrom der Stadt mit ihren Flussfischern und Schiffern, die den Strom zum Verdienen des Lebensunterhalts nutzten. In den folgenden Jahrhunderten versandete die Balge zusehends mehr und so wurde das letzte Rinnsal im 19. Jahrhundert zugeschüttet. Heute erinnern lediglich Straßennamen und einige im Boden eingelassene Tafeln an diese einstmals wichtige Verkehrsader. Die Weser hatte in ihrer Bedeutung als Schifffahrtweg die größere Bedeutung gewonnen.
Mit zunehmendem bürgerlichem Reichtum und damit verbundenem Wunsch nach größeren Häusern und Grundstücken entwickelte sich das Schnoor Viertel zu einem Arme-Leute-Viertel. Während hier oft einem Haus nur rund 60 m² Grund und Boden zur Verfügung standen, erreichen die einzelnen Wohngrundstücke in den Randbezirken Bremens noch heute eine Größe von mehr als 1000 m². Für wirkliche Straßen zur Nutzung von Fuhrwerken oder später gar ersten Fahrzeugen waren die Gassen des Schnoor Viertels unpassierbar, da viel zu eng.
Karl Dillschneider - Leiter der Denkmalpflege
Trotz des umfassenden Flächenbombardements der Stadt Bremen waren die Schäden im Stadtviertel Schnoor recht gering. Dies war wohl einer der Gründe, warum bereits in den ersten Nachkriegsjahren Bestrebungen in Gang gesetzt wurden, das Viertel gründlich zu sanieren um es dauerhaft zu erhalten. So wurde am 3. Februar 1959 ein "Ortstatut" beschlossen, das rund 100 Häuser umfassende Viertel komplett zu sanieren und unter Denkmalschutz zu stellen. Leiter der Denkmalpflege wurde Karl Dillschneider. Er konnte Materialhilfen über die Denkmalpflege mittels geborgener historischer Bauteile sowie finanzielle Zuschüsse organisieren, womit der Sanierungsprozess unterstützt wurde. Auch die wenigen, vorhandenen Baulücken wurden auf diese Weise geschlossen.
Mit zunehmendem Tourismus wurde deutlich, das mehr und mehr touristisches Gewerbe in das Viertel Schnoor hinein drängte, dies natürlich zu Lasten der Bewohner. Um auf Dauer ein verträgliches Miteinander von Wohnen und Gewerbe zu gewährleisten, wurde im Jahr 1981 ein Bebauungsplan konzipiert, der neben bereits bestehenden Gaststätten keine weiteren zuließ. Aus heutiger Sicht ein durchaus sinnvoller Plan, denn alle damals genehmigten 14 Gastronomiebetriebe existieren noch heute und sind in den rund 30 Jahren kontinuierlich betrieben worden. Dies ist der wohl wesentliche Grund dafür, das sich die urtümlich mittelalterliche Struktur im Wesentlichen erhalten hat.
Kunsthandwerksbetriebe im Stadtviertel Schnoor
Neben den bereits erwähnten 14 gastronomischen Betrieben gibt es heute eine bunte Vielfalt an Kunsthandwerkerbetrieben, so auch eine Glasbläserei, Galerien, Antiquitätengeschäfte und kleine Museen im Schnoor Viertel. Auch das Institut für Niederdeutsche Sprache hat seinen Sitz seit 1973 im Schnoor. 2005 wurde ein Antikenmuseum eröffnet, seit März 2009 gibt es das Teatro Magico als Eventtheater. Im Mai 2006 eröffnete in dem teilweise noch erhaltenen Alten Packhaus das Bremer Geschichtenhaus. Viele der Einrichtungen werden von gemeinnützigen Vereinen getragen, die auf diese Art und Weise zum Erhalt und zur kulturellen Belebung Schnoors beitragen.
Einer der bekanntesten Bewohner des Schnoors war Jürgen Heinrich Keberle (1835−1909), der aber aufgrund seines Hinkens nur "Heini Holtenbeen" genannt wurde, obwohl er kein Holzbein hatte. Er war durch seine typische Erscheinung und schlagfertige humorvolle Art zu einem Bremer Original geworden. Ihm wurde ein Denkmal gesetzt, und ein Verein, der sich um die Erhaltung des Schnoors kümmert, wurde nach ihm benannt.
Links im Bild nahe der Weser
Die Böttcherstraße - ein weiterer Besuchermagnet Bremens
Wir sind zunächst wieder einmal erschlagen von all den Impressionen und Gefühlen, so das wir den Tunnel zum Weserufer nutzen um auf einer Parkbank ein wenig zu ruhen. Das mitgebrachte Picknick schmeckt nach all den Eindrücken umso besser. Als letztes Ziel unseres heutigen Tages hatten wir uns ein weiteres Highlight der Hansestadt Bremen auserkoren, die Böttcherstrasse. Nach unserer Erholungsphase machten wir uns auf den Weg entlang am Weserufer. Auch wenn es nur wenige hundert Meter Fußweg bis zur Böttcherstrasse waren, so fielen uns doch die vielen Radfahrer auf, die entlang der Uferpromenade unterwegs waren. Es war einfach ein sehr angenehmes Gefühl, hier am Ufer zu spazieren, mitten im Zentrum einer großen Stadt und fast ohne Straßenlärm, kurz wir waren sehr angenehm überrascht.
Der Backstein als Hauptbaumaterial in der Böttcherstraße
Obwohl die Böttcherstraße nur etwa 100 Meter lang ist, gehört sie doch zu den Hauptattraktionen der Bremer Altstadt. Im Mittelalter war die Böttcherstraße eine wichtige Verbindung zwischen Marktplatz und Weser. Hier wohnten und arbeiteten die Böttcher, daher der Name, Kimker, Fass- und Zubermacher. Als Mitte des 19. Jahrhunderts der Hafen verlegt wurde, verlor auch die Böttcherstraße zunehmend an Bedeutung. Dies änderte sich erst, als im Jahr 1902 (andere Quellen sagen 1906) der Bremer Kaffeekaufmann Ludwig Roselius auf Drängen der Besitzer das Haus Nr. 6 kaufte und dort den Verwaltungssitz seiner später weltberühmten Firma errichtete. Der Herr Roselius erwarb in den folgenden Jahren weitere Gebäude an der Böttcherstraße, andere Gebäude wurden nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund von Baufälligkeit abgerissen. Zwischen 1922 bis 1931 erhielt Bernhard Hoetger den Auftrag von Roselius, die künstlerische Neugestaltung der Böttcherstraße zu übernehmen. So entstand das noch heute bestehende Häuserensemble für die Architektur des Expressionismus. Natürlich unter Verwendung von Backstein als Hauptbaumaterial unter Einbindung von Sandstein.
Das Porzellanglockenspiel in der Böttcherstraße
Von 1923 bis 1926 entstanden auf diese Art und Weise einige Bürogebäude, das Haus St. Petrus, das Kaffee-HAG-Haus und auch das Haus des Glockenspiels, das nicht aus metallischen Glocken sondern aus Meißener Porzellanglocken besteht. Das Glockenspiel zwischen den Giebeln des Hauses wurde im Mai 1934 eingeweiht. Es bestand aus 30 Meißener Porzellanglocken, die außen blau und innen vergoldet waren. Sie hatten eine Größe von bis zu 210 Millimetern Höhe und einen Durchmesser von bis zu 160 Millimetern. Sie trugen außen, auf dem weißen Rand, auf der einen Seite die Meißener Unterglasur-Porzellanmarke (die gekreuzten Schwerter ohne Knauf mit oder ohne einem Punkt zwischen den Klingen) und auf der anderen Seite auf der Glasur in Gold die Bezeichnung des Tons, den die Glocke erzeugte (z. B. Fis). Oben auf der Glocke, zwischen den Füßen des Aufhängungsbügels war ein Malerzeichen angebracht: nochmals die gekreuzten Schwerter.
Drehbares Turmsegment und Papierwalzensteuerung
Einzigartig war seinerzeit die Kombination des Glockenspiels mit einem drehbaren Turmsegment, das sich zwischen dem Haus des Glockenspiels und dem rechtwinklig nebenstehenden Roselius-Haus befindet. Zum Klang des Glockenspiels rotieren zehn geschnitzte und farbig gefasste Holztafeln mit Szenen bekannter Ozeanbezwinger. Entworfen wurden die Tafeln von Bernhard Hoetger, geschnitzt von Victor Kopytko. Ludwig Roselius wollte mit diesem Auftrag ein weiteres Mal „dem Pioniergeist und Tatendrang der Menschheit ein Denkmal setzen“.
Die Anlage hatte eine Papierwalzensteuerung, war 1934 das dritte wirklich bespielbare Glockenspiel überhaupt und das einzige, das ohne einen umgebenden Resonanzkörper unter freiem Himmel angebracht wurde. Alle anderen Spiele sind in Türmen, Erkern oder ähnlichen Bauten installiert.
Nach der teilweisen Zerstörung – nur sieben Glocken überstanden den Zweiten Weltkrieg – wurde 1954 das zweite Glockenspiel installiert. Im Gegensatz zu den ersten Glocken wurden jetzt rein weiße Glocken eingebaut. Das neue Glockenspiel wurde in das alte kupferne Rankenwerk gehängt, das in der ursprünglichen Form wieder hergerichtet werden konnte.
In den 1960er Jahren löste sich während des Spiels eine Glocke und zerschellte am Boden. Verletzt wurde niemand, aber kein einziges Porzellanteilchen konnte geborgen werden, die Souvenirjäger hatten ganze Arbeit geleistet. Es war damals fast unmöglich eine Meißener Glocke nachzubestellen. Die nach einigen Jahren beschaffte Ersatzglocke passte klanglich nicht ins Spiel und die Lösung manch technischer Probleme war auch noch nicht gefunden, um einen einwandfreien Klang der Glocken zu erreichen.
Glockenspiel dreimal täglich in der Böttcherstraße
Täglich dreimal erklangen wieder vier verschiedene Melodien (in der Adventszeit Weihnachtslieder): Auf Matrosen, die Anker gelichtet, Über Bremen fiel ein Regen (Komponist Ludwig Roselius), Wiegenlied an der Küste (Komponist Ludwig Roselius) und An der Weser, das Weserlied. Der Komponist Ludwig Roselius war ein Verwandter des Kaffeekaufmanns gleichen Namens.
Nach einer Stilllegung 1990 und umfangreicher Restaurierung auch der Holztafeln wurde die Anlage 1991 wieder in Betrieb genommen. Dieses dritte Glockenspiel – ebenfalls mit 30 Meißener Porzellanglocken – wurde von derFirma Turmuhrenbau Ferner in Meißen entwickelt, besaß eine Computersteuerung und konnte auch auf einem Keyboard bespielt werden.
Das Glockenspiel wurde 2002 überholt und erhielt Anfang 2009 eine neue Steuerelektronik. Die Anlage ist jetzt komplett fernbedienbar, kann über Funk an Musikinstrumente angeschlossen werden und ermöglicht das Einspielen neuer Stücke.
Spielzeiten (bei Frost wird die Anlage automatisch abgeschaltet):
- 1. Januar – 31. März um 12.00, 15.00 und 18.00 Uhr
- 1. April – 31. Dezember zwischen 12.00 und 18.00 Uhr zu jeder vollen Stunde
Wir hatten uns rechtzeitig und früh genug gegenüber des Glockenspiels "niedergelassen", so das wir dem eindrucksvollen Tönen der Glocken lauschen konnte und dabei auch noch die sich drehenden Rollenfiguren des Turmsegments beobachten konnten. Den Abschluss unseres Tags in Bremen bildete dann nochmals der Marktplatz mit dem Roland. Vergleichbar dem Mythos des Umfassens der Beine des Esels gibt es einen Mythos auch zum Bremer Roland, der besagt, wer ihm einmal das spitze Knie gerieben hat, der wird nach Bremen zurückkehren. Rein vorsorglich haben wir unseren heutigen Kurzbesuch in Bremen mit dem Reiben des Knies des Bremer Roland abgeschlossen. Man kann ja nicht wissen!
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