Simson Schwalbe – Kult-Gefährt für alle Generationen
- Geschrieben von Portal Editor
Manchmal sind es die Geräusche, zwar störend aber dann doch so interessant und imposant, dass man unweigerlich in Richtung des „Lärms“ aufschaut. So erging es uns zum Ende unserer Radtour von Memleben entlang der Unstrut zurück nach Wiehe, wohin uns ein kleines aber feines Eis Café lockte.
Das Wetter verlockend sonnig, hatten wir erstmals auch die Innenbereiche des Klosters Memleben besuchen können und waren dann fasziniert weitergefahren.
Kleinroller von Simson – ein Relikt aus der DDR
Klar, Eisdielen sind immer an Anziehungs- und Genusspunkt, der von vielen geschätzt wird. So trafen wir an besagter Eisdiele dieses Mal auf eine Gruppe von Simson Schwalbe Fahrern, die ebenfalls hier einen Zwischenstopp eingelegt hatten. Wer es im Westen der Republik noch nicht erlebt live erlebt hat, die so genannte Schwalbe war im Jahr 1964 das erste Modell der damals neuen Vogelserie des Zweiradherstellers Simson. Insgesamt gab es drei Baureihen mit zusammen neun Modellen der Schwalbe. 1986 wurde sie durch den neu konstruierten Kleinroller SR 50 abgelöst. Mit mehr als 1 Million gebauten Exemplaren war sie in der DDR außerordentlich stark verbreitet und ist noch heute Bestandteil des Straßenbildes, ja, es gibt geradezu eine kontinuierlich wachsende Fangemeinschaft. In Westdeutschland wurde die Schwalbe nicht angeboten, ganz im Gegenteil zum Motorrad MZ, das sogar über einige Kaufhäuser zu beziehen war.
Die Schwalbe kann in Deutschland entsprechend einer Ausnahmeregelung trotz der Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h als Kleinkraftrad mit einem Versicherungskennzeichen zulassungsfrei gefahren werden (Führerscheinklasse AM) und benötigt demzufolge auch keinen TÜV.
Erhard Werner, Karl-Heinz Walther und Georg Schübel
Im Jahr 1958, beim Erscheinen der Simson KR 50, begannen entsprechend dem internationalen Trend die Arbeiten an einem zweisitzigen Nachfolgermodell. Leitender Konstrukteur war Erhard Werner, der bereits seit 1949 bei Simson angestellt war. Die Schwalbe wurde jedoch im Kollektiv mit Karl-Heinz Walther und Georg Schübel entwickelt. Bald zeigte sich, dass für den Zweipersonenbetrieb ein deutlich stärkerer Motor vonnöten war.
1960 wurde mit der Erprobung von vier Prototypen begonnen, die teilweise zweifarbig lackiert waren. Nach dem Lastenheft von 1962 war der Typ KR 51 als Kleinkraftrad ohne Geschwindigkeitsbegrenzung konzipiert und auf eine Höchstgeschwindigkeit von 68 km/h ausgelegt. Damit sollte – dem damaligen Weltstandsvergleich folgend – ein auch im Westen konkurrenzfähiges Kleinkraftrad geschaffen werden. Nach Verhandlungen mit den zuständigen Ministerien wurde die Geschwindigkeit jedoch 1963 auf 60 km/h begrenzt. Dazu wurde die Übersetzung im dritten Gang geändert.
Der Typ KR 51 wurde zwar als Kleinroller mit gutem Wetterschutz entworfen, aber die Anordnung des Motors, Aufbau und Fahreigenschaften zeigen, dass es sich weniger um einen Roller, als um ein blechverkleidetes Mokick handelt. Vergleicht man mit dem Vorläufer KR 50, fällt eine inkonsequente Weiterentwicklung der Form auf, was in der notwendigen Beibehaltung kostspieliger Tiefziehwerkzeuge begründet lag.
Karl-Heinz Walther, einer der Konstrukteure der Schwalbe meint: Wer ein Gefühl für Ästhetik hat, kann die Schwalbe kaum als schön bezeichnen. Die KFT urteilte 1964, dass es mit der Schwalbe dennoch gelungen sei, den vor allem im Heckbereich als missglückt bezeichneten KR 50 zu einem insgesamt ansprechenden Fahrzeug weiterzuentwickeln. Gelobt wurde vor allem die Gestaltung des vorderen Kotflügels, der eine nahezu ideale Lösung für ein Fahrzeug mit Langarmschwinge darstelle.
Ein Traum - Neupreis von anfangs 1265 Mark
Die Schwalbe war das erste zweisitzige Kleinkraftrad von Simson. Sie wies deutlich bessere Gebrauchseigenschaften auf als der ebenfalls in der DDR erhältliche zweisitzige Kleinroller Jawa 05. Ganz wesentliche Sympathien gewann die 50er-Klasse aus der DDR dank der Festlegung der StVZO-DDR, nach der motorisierte Zweiräder mit einem Hubraum bis 50 cm³ und mit einer erreichbaren Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h bereits von Personen gefahren werden durften, die ihr 15. Lebensjahr vollendet hatten.
Allerdings bevorzugten Jugendliche zu DDR-Zeiten in der Regel die sportlicheren Mokick-Modelle Star und Habicht und später die S50/S51-Reihe. Die Schwalbe war jedoch in breiten Altersgruppen überaus beliebt. Zeitweise war die Nachfrage so hoch, dass keine neuen Bestellungen mehr angenommen wurden. Beteiligt daran war der auch für damalige Verhältnisse geringe Neupreis von anfangs 1265 Mark.
Einen gewissen Kultstatus erlangte sie bereits damals durch den Film Schwester Agnes von 1975. Nach 1990 entwickelte sich die Schwalbe zunächst im Westen zu einem Kultfahrzeug, noch heute befinden sich die meisten Schwalbe-Fanclubs in Westdeutschland. Inzwischen gilt sie jedoch auch in ihrer Heimat als ein beliebter Klassiker. Im Jahre 2015 waren in Deutschland etwa 150.000 Schwalben für den Straßenverkehr zugelassen.
Über die produzierte Gesamtstückzahl existieren voneinander abweichende Angaben. Neben der Angabe von 1 058 300 produzierten Fahrzeugen findet sich am ehemaligen Werksgebäude eine Plakette, die eine Gesamtstückzahl von 1 176 640 ausweist.
Trotz des Lärms, des Gestanks der 2-Takter – ein Hingucker, oder?
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