Die Sophienkirche (Crkva Sveta Sofija) im Zentrum von Ohrid
- Geschrieben von Portal Editor
Für jeden kulturell interessierten Besucher der alten Römerstadt Ohrid an der Via Egnatia sollte die Sophienkirche Teil des Besuchsprogramms sein, nicht allein aufgrund der baulichen Struktur sondern besonders auch wegen der zahlreichen Bildwerke im Innern.
Ohrid war lange auch eines der kulturellen und religiösen Zentren des bulgarischen Reiches und eines der Zentren des orthodoxen Christentums der Slawen und ganz Südosteuropas. Seit 880 gab es hier einen slawisch-orthodoxen Bischofssitz und kurz darauf wurde hier die erste slawische Universität gegründet. Ohrid ist also Ursprung und Zentrum der altslawischen Kirchenkultur. Unter der Herrschaft des Zaren Samuel (958–1014) wurde Ohrid sogar bulgarische Hauptstadt, bevor das Land und die Stadt 1018 durch byzantinische Truppen eingenommen wurden.
Baumaterialien aus Vorchristlicher Zeit wieder verwendet
Die Sophienkirche oder Crkva Sveta Sofija im Zentrum wurde in der Amtszeit des Erzbischofs Leo von Ohrid, eines Klerikers griechischer Abstammung, zwischen 1037 und 1056 auf den Fundamenten einer frühchristlichen Kirche erbaut. Überall am Gebäude lassen sich Reste vorher vorhandener Gebäudeteile erkennen, die weit vorher schon im "Einsatz" waren. Allein die Betrachtung der wieder verwendeten Säulenteil lassen Rückschlüsse bis in die hellenistische Zeit zu (siehe auch Theaterbau). Leo war Erzbischof des autokephalen Erzbistums Ohrid und wurde von Byzanz (Konstantinopel) ernannt. Er ließ eine dreischiffige Kirche mit drei Apsiden, einer mächtigen Kuppel über dem Mittelteil und einem Glockenturm vor der Westfassade errichten.
Um 1317 ließ Erzbischof Grigorije das Gebäude um einen großen, zweigeschossigen Exonarthex mit Vorhalle, zwei weiteren Kuppeln und Galerien im Obergeschoss erweitern. Die Türken gestalteten später die Kirche in eine Moschee um, wobei Glockenturm, Zentralkuppel und Innengalerien zerstört wurden. Sie fügten den noch heute bestehenden Minbar ein und übertünchten die Fresken, was diese – ungewollt – über die Jahrhunderte rettete. Diese wurden erst in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts freigelegt und zählen zu den großartigsten Leistungen der europäischen Kunstgeschichte.
Fresken und Wandmalereien aus dem 11. Jahrhundert
Die ältesten Malereien aus dem 11. Jahrhundert sind nur noch im Altarraum und Narthex vollständig erhalten. Im Gewölbe des Altarraums findet sich die monumentale Himmelfahrt Christi: Christus wird von vier Engeln gen Himmel getragen, während die Apostel und Maria auf der Erde zurückbleiben; darunter ein mit betenden Engeln geschmückter Fries. In der Apsiskonche ist frontal die thronende Muttergottes mit Kind dargestellt. Auch die Darstellungen des Opfer Abrahams, der Vierzig Märtyrer von Sebaste auf dem zugefrorenen See und die Porträts der Slawenapostel Kyrill und Method im Narthex sind unter den bedeutenden Werken. Die Fresken des Narthex-Obergeschosses und des Exonarthex' stammen aus dem 14. Jahrhundert. Sie erzählen mit vielen malerischen Einzelheiten eine Fülle verschiedener Themen, auch aus dem Alten Testament. Mehrere Signaturen (z. B. im Schwert des Erzengels im Bild Reue Davids) weisen auf den Meister Johannes Theorianos hin.
Die Fresken des Meisters der Sophien-Kathedrale sind ein Beispiel der Auseinandersetzung lokaler Kunst mit den aus Konstantinopel kommenden Einflüssen. Der Meister, der eventuell aus Byzanz ausgeschickt worden war, zeigt hier eine der vielen schöpferischen Leistungen der Region, die über Byzanz kommend und auch von Ohrid aus auf die mittelalterliche Welt der Balkanländer einwirkten. Nicht nur deswegen sind die Fresken in der Sophienkirche als Teil der Stadt Ohrid heute Weltkulturerbe.
Bilderstreit der Antike erreicht auch Ohrid
Der Meister der Sophien-Kathedrale von Ohrid malte in einem Spannungsfeld zwischen der bereits ausgereiften, aus der Antike kommenden westbyzantinischen Kunst und dem Streben nach lokaler Unabhängigkeit vom zentralen Kaisertum und dessen Stil Vorgaben. Auffällig ist, dass die Fresken mit blauem und nicht, wie in Konstantinopel meist üblich, mit goldenem Hintergrund gemalt wurden. Auch zeugt die Werke trotz der Entfernung von Kenntnis der im „lateinischen“ Italien neu entstehenden Freskenkunst der Romanik und von einer gewissen Ausrichtung der Region auf Venedig und ganz Italien – auch wenn seine Bilder noch streng den schematischen Darstellungsvorschriften der Zeit vor dem Bilderstreit folgen.
Der slawische Charakter der Bilder blieb erhalten
Der Meister hat so in der Hauptsache seine Inspiration aus der reichen Tradition von Byzanz gezogen und sich den Vorschriften und Vorstellungen seiner Auftraggeber unterworfen. Sein Malstil basiert auf schon seit langem reifen Lösungen und anerkannten Schemata. Trotzdem zeigt er in Farbwahl und Darstellung der Architektur eine Selbständigkeit, die sein Werk in der Kirche zu einem Meisterwerk einer neuen Malerei in der Balkanregion seiner Zeit macht. Es zeigt, dass die Elite im Adel und auch der Kirche der Region weitgehend hellenisiert war. Der slawische Charakter des Erzbistums in Ohrid wurde daher nur vom niederen Klerus weiter gepflegt, jedoch zeigt ein Vergleich mit den ebenfalls aus der byzantinischen Kunst abstammenden russischen Meisterwerken der gleichen Zeit, etwa den Fresken und Mosaiken in Novgorod, dass sich die Kunst in Ohrid trotzdem nicht so stark an die byzantinischen Vorbilder gebunden sah. Die Fresken in Ohrid können als Interpretationen der Texte von Johannes Damaskenos gesehen werden, einem syrischen Kirchenvater des 7./8. Jahrhunderts, der im Bilderstreit gegen die Kaiser Leo und Konstantin für die Bilderverehrung eingetreten war.
Umwandlung der Kirche zur Moschee
Nach der Eroberung der Region um Ohrid durch das Osmanische Reich zwischen 1385 und 1408 wurde die Kirche in eine Moschee umgewandelt, der Glockenturm, die Zentralkuppel und die Innengalerien wurden abgetragen. Nach dem Russisch-Osmanischen Krieg von 1877/78 endete die Herrschaft des Osmanischen Reiches in der Region, und der Sophienkirche konnte ihre ursprüngliche Funktion als christliche Kirche zurückgegeben werden.
Alle Fresken in der Sophienkirche waren in der Zeit der Herrschaft des Osmanischen Reiches und der Nutzung der Kirche in dieser Zeit als Moschee übermalt worden und gerieten in Vergessenheit. Zwischen 1950 und 1957 wurden die Fresken des Meisters der Sophien-Kathedarale und anderer nachfolgender Maler dann wiederentdeckt und werden heute als ein für die Region und deren Kunstgeschichte, aber auch für das Verstehen der gesamten europäischen Kunstentwicklung bedeutendes Werk betrachtet. Nicht nur deswegen sind die Fresken in der Sophienkirche als Teil der Stadt Ohrid heute Weltkulturerbe.
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