Ausgrabungen in der Balatlar Kirche von Sinop
Archäologen wollen Teile des Kreuzes Jesu gefunden haben? Seit dem Jahr 2009 ist ein Team von Archäologen der Mimar Sinan Üniversitesi unter Leitung von Gülgün Köroglu mit Ausgrabungsarbeiten in der aus byzantinischer Zeit stammenden Kirche Balatlar in Sinop beschäftigt.
In der um das Jahr 660 errichteten Kirche sind im Zuge der Ausgrabungen bisher mehr als eintausend menschliche Skelette gefunden worden. Auch gibt es Artefakte eines Römischen Bades, die in den Ruinen im Untergrund ausgegraben wurden.
Aus den Medien im Rahmen einer Stellungnahme der Ausgrabungsleiterin Köroglu war nun zu erfahren, das auch eine kleine Steinkiste gefunden wurde, die mit einem Kreuzsymbol verziert war. Nach dem Öffnen der Kiste fand man im Inneren ein Stück Holz, das nun Anlass zur Diskussion gibt. Sollte es sich tatsächlich um Reste des Kreuzes Jesu Christi handeln? Als Kunsthistorikerin vermutet Köroglu in der Steinkiste einen symbolischen Sarg, der zur Aufbewahrung der Reliquien einer Heiligen Person, hier also eines Teils des Original Kreuzes, gedient haben könnte.
Einer Legende entsprechend, soll die Heilige Helena, die Mutter des Römischen Kaisers Konstantin, im Jahre 326 bei von ihr angewiesenen Ausgrabungsarbeiten auf dem Hügel Golgotha nicht nur das echte Grab sondern auch das wahre Kreuz Jesu Christi gefunden und es dann als Reliquie in Teilen an die Kirchenführer in Jerusalem, Rom und Konstantinopel geschickt haben.
Um der Frage nach gehen zu können, ob es sich bei derartigen Reliquien tatsächlich um Teile des Kreuz Jesu' oder überhaupt um Holz von Kreuzen aus der Zeit der Kreuzigung handelt, ranken sich schon von jeher nicht enden wollende Kontroversen. Schon im sechzehnten Jahrhundert witzelte der protestantische Theologe Johannes Calvin darüber dass - so seine Behauptung - alle Teile des so genanten "wahren Kreuzes", die weltweit als Reliquien aufbewahrt werden würden, zusammengesetzt wohl eine ganze Schiffsladung Holz ergeben würden.
Im 19. Jahrhundert ergab eine Untersuchung des französischen Archäologen Charles Rohault, auf den sich auch die katholische Enzyklika beruft, hingegen, dass alle katalogisierten Kreuz-Reliquien zusammen nur ein Drittel eines drei bis vier Meter großen Kreuzes ausmachen würden. Derartigen Kontroversen zum Trotz werden heutzutage in zahlreichen Kirchen Kreuzreliquien als Teile des "wahren Kreuzes" aufbewahrt und von Gläubigen verehrt. Die meisten davon, oft vergleichsweise kleine Teile bis hin zu Splittern, sollen über zahlreiche Umwege, vornehmlich durch Kreuzfahrer im 13. Jahrhundert nach Europa gelangt sein. Berühmte Kreuzreliquien Mitteleuropas finden sich u.a. im Münster zu Schwäbisch Gmünd, als Teil der Reichskleinodien in der Wiener Schatzkammer und im Klosterschatz der ehemaligen Prämonstratenserabtei Rüti.
Wie im Rahmen der jetzt veröffentlichten Pressemitteilungen geschildert, sollen angeblich weitere Teile eben dieses bis heute umstrittenen Kreuzfundes aufgefunden worden sein. Weitere Untersuchungen sollen bestätigten, dass es sich bei den gefundenen Überresten tatsächlich um Teile des Kreuzes Jesu handelt. „Wir haben etwas Heiliges in dieser Steintruhe gefunden. Es könnte sich um Teile des Kreuzes handeln, an dem Jesus gekreuzigt wurde“, sagte die Leiterin der Ausgrabungen, Gülgün Köroglu. „Es ist das wichtigste Artefakt, das wir bisher ausgegraben haben.“ Das Kreuz der Christen wurde 431 nach Christus durch das Konzil von Ephesos anerkannt.
Ob es sich tatsächlich um Überreste des Kreuzes Jesu handelt, müssten zunächst weitere Untersuchungen zeigen, so die Archäologieprofessorin an der Universität Istanbul. Zu klären sei unter anderem die Frage, wie die Fragmente des Kreuzes an die türkische Schwarzmeerküste gelangt sein könnten. Mit der so genannten Radiokarbonmethode können Ursprung und Alter von Hölzern exakt bestimmt werden. Immer wieder wurde in der Vergangenheit davon berichtet, dass besonders die Kreuzfahrer angebliche Teile des Kreuzes als Reliquien nach Europa gebracht hätten.
Die Ruinen der Balatlar Kirche zeigten bisher allerdings eher das traurige Bild türkischer Behandlung kulturell wertvoller Artefakte, denn die von den Byzantinern gebaute Kirche zeigte noch eine Vielzahl prächtiger Fresken, die aufgrund fehlender Schutzmaßnahmen leider mit der Zeit stark ausgeblichen oder gar mit "moderner" Graffiti übermalt wurden. Es wäre also durchaus wünschenswert, wenn weitere wertvolle Fundstücke helfen könnten, dieses Übel in den Griff zu bekommen.