Das Kalifenhaus Osman
Etwa ab dem Jahr 1000 zogen in einer ersten großen Völkerwanderungswelle zahlreiche Oghusen / Türkmenen (Vorfahren der heutigen Türken, Aserbaidschaner und Turkmenen) in Richtung Anatolien.
Aufgrund der Expansion der Mongolen in Richtung Westen folgte nach 1220 eine zweite große Einwanderungswelle von Oghusen aus Zentralasien nach Aserbaidschan und Anatolien nach.
Nachdem 1235 das rum-seldschukische Herrscherhaus die Oberhand der Mongolen (Ilchane) anerkannt hatte, wanderten türkmenische Stämme verstärkt nach Westanatolien. Es entstanden zahlreiche türkische Fürstentümer in Zentral- und Westanatolien, die an das byzantinische Reich grenzten. Eines der Fürstentümer war das Haus Osman, das durch den Seldschuken-Fürsten Osman I. im Jahre 1299 begründet und Namensgeber des späteren Osmanischen Reiches wurde. Das Haus Osman gehört zu den ältesten Adelshäusern der Welt. Der Name leitet sich von Osman I. ab, dem Gründer des Osmanischen Reichs.
Osmans Vater Ertoghrul siedelte mit seinem Stamm zur selben Zeit nachEskişehir-Sakarya über. Osman I. trat 1288 die Nachfolge seines Vaters Ertuğrul an und wurde Oberhaupt seines Stammes. Der Stamm gehörte der Kayi an, einer Untergruppe der Oghusen. Nach der Eroberung von Karacahisar wurde Osman 1288 vom Seldschuken-Sultan zum Bey/Fürsten ernannt, womit das Fürstentum Osman gegründet war. Als Vasallen im Sultanat der Rum-Seldschuken dienten die Fürstentümer in einer Föderation von mehreren Fürstentümern, bis Osman I. 1299 sein Fürstentum für unabhängig erklärte. Sein Sohn Orhan I. eroberte Bursa und festigte die Macht der Familie in Anatolien.
Das Haus Osman beherrschte von 1299 bis 1922 das Osmanische Reich und stellte ab 1517 den Kalifen des Islams. Die Thronfolgeregelung verläuft seit Ahmed I. nach dem Prinzip des Seniorats (Ältestenrecht). Nach der Unabhängigkeit aus dem Seldschuken Reich trugen die Monarchen erst den Titel Emir (Gazi), ab Murad I. den Titel Sultan und Padischah. Die Residenzstädte des Hauses waren Söğüt (1299–1326), Bursa (1335–1365),Edirne (1365–1453) und Kostantiniyye / Istanbul (1453–1922).
Am 1. November 1922 wurde die Osmanische Monarchie von der Türkischen Nationalversammlung unter Mustafa Kemal formal abgeschafft, am 4. November 1922 trat das letzte Osmanische Kabinett unter Ahmed Tevfik Pascha zurück. Der letzte Sultan des Osmanischen Reiches, Mehmed VI., verließ das Reich am 17. November 1922 und begab sich ins Exil nach Sanremo. Sein Nachfolger Abdülmecit II. war nur noch Kalif. Das Osmanische Kalifat wurde am 1. März 1924 abgeschafft, die Kaiserfamilie wurde ins Exil verbannt.
In der Familie gibt es zwei Linien: Die Linie von Abdülmecid und die Linie von Abdülaziz, die jeweils von Mahmud II. abstammen. Ein Prinz musste von einer väterlichen Linie abstammen und muslimischen Glaubens sein. Nachdem die Türkische Nationalversammlung mit einem Parlamentsbeschluss die Familie verbannt hatte, mussten die Prinzen innerhalb eines Tages, die Frauen und Kinder innerhalb einer Woche, das Reich verlassen. Sie wurden mit der Bagdad-Bahn über die Grenze nach Bulgarien geschafft. Sultan Mehmed VI. bezog mit seiner Gemahlin in San Remo eine Villa, die durch den italienischen König zur Verfügung gestellt wurde. 1949 wurde die Regierung ermächtigt die Einreise ehemaliger Prinzessinen zu gestatten. Die Witwe Mehmets VI. erhielt die türkische Staatsbürgerschaft zurück. Der Enkel Mehmeds VI., Prinz Nazım, durfte sich 1974 in Istanbul niederlassen. 1991 wurde die Verbannung aufgehoben und das damalige Oberhaupt der Familie, Prinz Mehmed Orhan, reiste in die Republik Türkei. 2004 erhielt das 43. Oberhaupt des Hauses, Ertugrul Osman, die türkische Staatsangehörigkeit durch die Initiative von Tayyip Erdogan. Seit dessen Tod am 23. September 2009 ist Prinz Osman Bayezid III. das Oberhaupt des Hauses Osman.
Nachfahren der Sultane klagen auf 18 Milliarden Dollar Entschädigung für Enteignungen / von Boris Kálnoky
Istanbul - Die Herrscherdynastie des Osmanischen Reiches versank nach der Gründung der modernen Türkei im Abgrund der Geschichte. Die Nachfahren der Sultane verstreuten sich in alle Welt: Die Türkei entzog ihnen die Staatsbürgerschaft und ihren Besitz. Das Volk sollte vergessen, dass es einmal osmanisch war, und dazu gehörte, die Angehörigen des Hauses Osman selbst zu vergessen.
Seit die islamisch geprägte AKP regiert, besinnt man sich jedoch mit wachsender Begeisterung auf alles Osmanische: Damals war man ein Weltreich, Europa zitterte vor den Türken. Nun sind die Osmanen wieder populär, und die Nachfahren der Sultane wollen abkassieren: 18 Milliarden Dollar fordern sie vom türkischen Staat. Es geht um 4200 Immobilien, die einst Mitgliedern des Hauses Osman gehörten - wie der Dolmabahce-Palast inIstanbul, der immer noch für Staatsempfänge genutzt wird, und der Topkapi-Palast am Goldenen Horn.
Laut einem Bericht der Zeitung "Hürriyet" haben 48 Erben der Dynastie ein gerichtliches Schadenersatzverfahren begonnen, die erste Anhörung fand vergangene Woche statt. Der nächste Gerichtstermin ist für den 30. September angesetzt. Alle 48 Kläger wollen persönlich anwesend sein und bei der Gelegenheit ein riesiges Familienfest feiern: Über 70 Nachfahren des letzten Sultans, Abdülhamid II., werden sich in Istanbul ein Stelldichein geben. Präzedenzfälle für eine Entschädigung oder teilweise Rückgabe gibt es genug: Auch Simeon von Bulgarien und Michael von Rumänien erhielten nach dem Zusammenbruch des Kommunismus Teile des enteigneten Besitzes ihrer Vorfahren zurück.
Wenn die Osmanen ihren Prozess gewinnen, wollen die Erben auf fast alle Ansprüche verzichten. Staat und Militär sollen behalten, was sie nutzen. Für den Rest fordert die Familie Schadenersatz, für die Erben und zur Verwendung für eine Stiftung zur Wahrung des kulturellen Erbes der Dynastie.