Deutsche Sprache - Ursprung der Indoeuropäischen Sprachen in Anatolien?

Deutsche Sprache - Ursprung der Indoeuropäischen Sprachen in Anatolien?

Gerade machen die neuseeländische Sprachwissenschaftler Quentin Atkinson und Remco Bouckaert in den Medien mit ihren Forschungsergebnissen auf sich aufmerksam, behaupten sie doch, dass auch die deutsche Sprache ihren Ursprung wohl in Anatolien hatte.

Dabei ist es in der Tat eine interessante Fragestellung, denn zu viele Begriffe des täglichen Sprachgebrauchs in den unterschiedlichen Sprachen lassen durchaus auf gleichen Ursprung schließen. Gibt es folglich eine gemeinsame Wiege der Sprachen?

„Mutter“ in den Sprachen Russisch, Dänisch, Hindi, Albanisch und Italienisch verblüffend ähnlich

So ist, nur um ein Beispiel zu nennen, das Wort für „Mutter“ in den Sprachen Russisch, Dänisch, Hindi, Albanisch und Italienisch verblüffend ähnlich. Ob sich aufgrund dieser Ähnlichkeiten allerdings beweisen lässt, dass die Region der heutigen Türkei der Geburtsort vieler doch so unterschiedlicher Sprachen sein kann? Eine Anzahl von Wissenschaftlern ist jedenfalls überzeugt davon. Mit Hilfe moderner und sehr komplexer Computerprogramme, die eigentlich geschaffen worden waren um die Ausbreitung von Epidemien auf Landkarten zu veranschaulichen, haben sie ihre Theorien durchrechnen lassen. Die Ergebnisse waren anscheinend so verblüffend, dass man sich sehr intensiv mit dieser Möglichkeit auch den Sprachen auf deren Herkunft nachzugehen, beschäftigt hat und dass damit Ursprungsregionen deutlich wurden.

sprache kultur germanFür Biologen ist es sehr wichtig, zu den Ursprüngen einer Pandemie zu gelangen, denn nur so lässt sich der Ursprungsherd bekämpfen. Sie entnehmen Proben an unterschiedlichen Orten und sequenzieren in aufwendigen Schritten die DNA. Jetzt lässt sich die Entwicklung in Karten einlesen und somit die Ausbreitung nachvollziehen. Mit dieser Art Stammbaum kann man dann zurück zum Ursprung finden. Auf diese Art und Weise sind auch schon Bevölkerungsverwandtschaften zwischen Gruppen aus Italien und Anatolien (Etrusker) nachgewiesen worden. 
Die modernen Sprachwissenschaftler haben im Prinzip die gleichen Techniken genutzt. Zunächst wurden riesige Datensammlungen sich einander ähnelnder Worte gesammelt. So wurde das Dänische Wort für Mutter mit „Moeder“, im Spanischen mit „madre“, im Englischen mit „mother“, im Russischen mit „mat“, im Persischen mit „madar“,  im Griechischen mit „mitera“ und im Hindischen mit „mam“ fixiert. Weitere Ähnlichkeiten sind für jeden leicht selber nachzuvollziehen. Jetzt erstellte man einen Stammbaum der Sprachen und die Zuordnung der Worte nach Zeit und Ort. Auch Berichte über das Auftauchen und Verschwinden artverwandter Worte erfasste man in entsprechenden Dateien. Fachleute nennen solche Worte, die sich aus einem Ursprungswort entwickelt haben, Kognate.

sprache kultur 02Insbesondere die Wissenschaftler um Quentin Atkinson und Remco Bouckaert sind der Überzeugung, dass es ihnen gelungen ist, die Evolution der indogermanischen Sprachfamilie so eindeutig zu bestimmen, dass über die sprachliche Entwicklung die Herkunftsregion sichtbar wurde. Erstmals vor einigen Tagen im Wissenschaftsjournal Science veröffentlicht, hat diese Publikation für einigen Wirbel gesorgt. Als Basis ihrer Forschung dienten den Wissenschaftlern um Quentin Atkinson dabei Ähnlichkeiten in mehr als hundert verschiedenen Sprachen, die zwischen Island und Indien noch heute im Gebrauch sind. Nun ist erneut eine teilweise heftig geführte Diskussion ausgelöst worden, ob der Ursprung der Sprachen aus der Evolution der Menschen und deren Verbreitung herzuleiten ist.

Bislang war die überwiegende Mehrheit der Forscher davon überzeugt, das durch die Gruppen noch nomadisch lebender Menschen vor etwa 5.000 – 6.000 Jahren während der Bronzezeit sich auch die Sprachen mit verbreiteten. Die Menschen dieser Zeit nutzten bereits Pferd und Rad, so dass sie sich innerhalb relativ kurzer Zeit vom kaspischen Meer aus im heutigen Gebiet der Ukraine verteilten. Andere Gruppen von Wissenschaftlern sind der Überzeugung, dass bereits mit den ersten Ansiedlungen sprich dem Beginn des Ackerbaus sich Sprachen festigten und verteilen konnten. Dementsprechend liegt für diese Gruppe der Wissenschaftler der Ursprung der Sprachen auf dem heutigen Gebiet der Türkei von vor etwa 8.000 bis 9.500 Jahren.

goebeklitepe schriftzeichen 2Die Wissenschaftler belegen heute relativ eindeutig, dass die zweite Theorie die wohl richtige ist, denn aufgrund der riesigen Datenmengen mit der die Computer hinsichtlich der weit verbreiteten neuen und alten Worte gefüttert wurden, lässt sich relativ klar belegen, dass die Wortstämme überwiegend aus Anatolien stammen. Quentin Atkinson ist damit überzeugt, dass die Landwirtschaft und der Ackerbau eine der treibenden Kräfte waren, die zur Entwicklung der Sprachenvielfalt beigetragen hat. Als kompetenter Evolutionspsychologe an der Universität von Auckland  in Neuseeland sieht er seine Ergebnisse basierend auf archäologischen wie auch auf genetischen Befunden.

„Es war nicht so, als ob alle Jäger Europas über den Zaun geguckt hätten und sahen, dass ihre Nachbarn etwas anbauten und sich daraufhin entschlossen es ihnen gleichzutun“, beschreibt Atkinson seine Theorien. Aber es habe echte Fortschritte gegeben und so zeige auch die Sprachentwicklung, dass eine kulturelle Bewegung stattgefunden habe. Jäger haben nicht nur den Pflug als Arbeitsgerät akzeptiert sondern gleichzeitig auch Kultur und Sprache.

goebeklitepe schriftzeichen 8„Dies stellt einen großen Durchbruch dar“, schreibt auch der Archäologe Colin Renfrew von der University of Cambridge in einem Begleitartikel in der gleichen Ausgabe der Science. Doch noch längst nicht jeder Wissenschaftler ist davon überzeugt.  „So vieles an der Studie wurde willkürlich ausgelegt“, findet etwa Victor Mair, ein Experte für die chinesische Sprache an der University of Pennsylvania. Das Modell Atkinsons basiere auf logischen Sprüngen, wenn es um die Entwicklungsrate von Sprachen und wie sie ausstreuen würden, gehe.

Die Wissenschaftler um Quentin Atkinson und Remco Bouckaert  stellten ihren Stammbaum auf und brachten die Angaben mit dem heutigen Verbreitungsgebiet der jeweiligen Sprache zusammen. So stießen sie auf Anatolien als den wahrscheinlichen Ursprungsort der indogermanischen Sprachen. Vor 4000 bis 6000 Jahren spalteten sich die einzelnen Unterfamilien des Indogermanischen ab, also etwa die Stammsprachen des Keltischen, Germanischen oder Indoiranischen. Einzelne Sprachen innerhalb der Unterfamilien entwickelten sich dann vor etwa 4500 bis vor 2000 Jahren, also etwas das Deutsche innerhalb der Germanischen Sprachen.

Man darf schon jetzt gespannt sein, auf welche weiteren Erkenntnisse die Forscher und Wissenschaftler stoßen werden.

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