Wie werde ich stinkreich? - Vom Underdog zum Millionär

Wie werde ich stinkreich?

Der pakistanische Autor Mohsin Hamid erzählt eine amüsante aber hinterhältig ironische Geschichte eines armen Dorfjungen, der zum Unternehmer und Millionär wird.

 

Ein Wort genügt, um bestimmte Bilder aufleben zu lassen: Pakistan! Wer denkt da nicht fast automatisch an politische und militärische Krisen, die das Land seit Jahren in Atem halten. Eine Atommacht mit über 170 Millionen Einwohnern und einer instabilen Regierung, ständig im kalten und warmen Clinch mit dem Nachbarn Indien, ständig bedroht von der Machtübernahme der radikalen Islamisten, ständig am Rande des Chaos, ständig mit negativen Schlagzeilen in den westlichen Medien präsent.
Nur wenige Menschen nehmen hierzulande wahr, dass inmitten dieses Chaos großartige Literatur pakistanischer Autoren entsteht. Und das schon seit Jahren. Bücher von Jamal Ahmad („Der Weg des Falken“) und Mohammed Hanif („Eine Kiste explodierender Mangos“) haben einen treue Leserschaft gefunden, die diese neue Literatur zu schätzen weiß. Nun noch ein Autor, dessen neuer, bislang dritter Roman erneut für Furore sorgt und in über 30 Sprachen übersetzt wird: Mohsin Hamid.

Der 1971 in Lahore geborene Hamid ist alles andere als ein „Neuling“ in literarischen Kreisen. Im Gegenteil: Er trug maßgeblich dazu bei, dass die aktuelle pakistanische Literatur im englischsprachigen Raum sich etablieren und ein wenig aus dem Schatten der literarischen Übermacht Indiens mit solchen Altvorderen wie Salman Rushdie, Vikram Seth oder Arundhati Roy treten konnte.
Wer sich die Vita des Autors anschaut, wird sogleich feststellen: Hamids Lebensweg ist wahrhaftig nicht typisch für pakistanische Verhältnisse. Er kehrte für viele Jahre seinem gebeutelten Heimatland den Rücken und begab sich an Elite-Universitäten. Er studierte Jura in Harvard und Literatur in Princeton, unter anderem bei Joyce Carol Oates und Toni Morrison. Er lebte und arbeitete einige Jahre für McKinsey in New York, später in London und entschied sich 2009, mit seiner Familie wieder nach Lahore zurückzukehren.
Bereits sein zweiter Roman „Der Fundamentalist, der keiner sein wollte“ katapultierte ihn 2007 in die Bestseller-Listen in der englischsprachigen Welt und bescherte ihm einige Auszeichnungen. Die als unendlich langer Monolog verfasste Geschichte des pakistanischen Princeton-Absolventen Changez, dessen Karriere-Pläne durch die Anschläge auf das World Trade Center auch in Schutt und Asche gehen, enthielt autobiographische Einschläge und wurde von Mira Nair erfolgreich verfilmt.

In „So wirst du stinkreich im boomenden Asien“ beschreibt Hamid den Aufstieg eines namenlosen, von Gelbsucht gezeichneten Dorfjungen aus ärmsten Verhältnissen zum Millionär und Unternehmer, der mit dem knappen und kostbaren Gut Trinkwasser immer größere Geschäfte macht. Doch Hamid liefert keine klassische Aufsteigergeschichte im klassischen formal-ästhetischen Gewand eines Romans. Er benutzt das Genre der Ratgeberliteratur – und konterkariert es wunderbar.
Sein Protagonist, der auch der Leser sein könnte, wird stets mit einem „Du“ angesprochen und auf die Reise zum Erfolg geschickt. Die Stationen sind wie Appelle in den Kapitelüberschriften vorgezeichnet und klingen wie „Zieh in die Stadt“, „Meide Idealisten“, „Scheue nicht vor Gewalt zurück“, „Jongliere mit Schulden“ oder „Denk an ein Ausstiegsszenario“. Das lässt sich in der Rezension auch kürzer fassen: Der Protagonist erlebt Landflucht, Mafiagebahren, Korruption, Krankheit, Kaltblütigkeit, Verrat – und Liebe. Die findet er schließlich als alter Mann.
Hamids Roman ist amüsant und hintergründig, denn hinter der Fassade des Erfolgs verbirgt sich eine Armada ungelöster gesellschaftlicher Probleme. Der Roman ist zudem hinterhältig und ehrlich zugleich, denn gerade weil sich so viele Selfmade-Unternehmer mit ihrer Alles-ist-möglich-Mentalität und einer großen Portion Korruption im Gepäck auf den Weg machen, verfestigen sich die angeprangerten Missstände chronisch, nicht nur in Pakistan!
Bleibt noch festzuhalten, dass uns Hamid in seinem satirischen Spiel einen Strauß voller überraschender Pointen sowie jenseits des persiflierenden Ratgeberjargons eine zutiefst bewegende Liebesgeschichte liefert. Ein literarisches Kunststück. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch dieser Roman verfilmt wird. Freuen wir uns darauf!

Nevfel Cumart

Mohsin Hamid: So wirst du stinkreich im boomenden Asien. Roman. Dumont Verlag, Köln 2013. 224 S. 18,99 Euro.


Im Alter von 18 Jahren kehrte Mohsin Hamid in die Vereinigten Staaten zurück, um seine Ausbildung fortzusetzen. Er studierte an der Princeton University bis zum Abschluss "summa cum laude" im Jahr 1993 unter Anleitung der Autoren Joyce Carol Oates und Toni Morrison. Hamid schrieb den Entwurf seines ersten Romans im Rahmen eines Fiktion Workshops, der von Morrison gehalten wurde. Er kehrte nach dem College nach Pakistan zurück, um weiterhin am Roman zu arbeiten.
Später besuchte Hamid dann die Harvard Law School, die er mit dem Abschluss im Jahr 1997 vollendete. Die seiner Zeit aktuellen Themen des Unternehmensrechts hielt er für langweilig, allerdings konnte er durch die Arbeit als Unternehmensberater bei McKinsey & Company in New York City schnell seine Darlehen aus dem Studium zurück zahlen. Er durfte drei Monate jeden Jahres nutzen, um zu schreiben und er nutzte diese Zeit auch, um seinen ersten Roman Moth Smoke abzuschließen.
Im Sommer 2001 zog er nach London in der Absicht zunächst zu bleiben, wenn auch nur für ein Jahr. Obwohl er zwischendurch häufig wieder nach Pakistan geflogen war, um zu schreiben, lebte er in den kommenden acht Jahren überwiegend in London. Er wurde im Jahr 2006 zu einem Dual-Bürger des Vereinigten Königreichs. Im Jahr 2009 zog Hamid gemeinsam mit seiner Frau Zahra und ihre Tochter Dina nach Lahore zurück. Jetzt teilte er seine Zeit zwischen Pakistan und dem Ausland auf, lebte zwischen Lahore, New York, London und den Mittelmeerländer wie Italien und Griechenland. Hamid hat sich selbst als "Promenadenmischung" beschrieben und hat auch sein eigenes Schreiben folgender Maßen skizziert: "ein Roman kann oft ein Gespräch eines Mannes mit sich selbst sein."

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