Vor 10 Jahren - Atheisten-Verband stellt Forderungen
- Geschrieben von Portal Editor
In einem Artikel hatten wir vor wenigen Wochen von der Gründung des ersten Atheisten-Verbandes in Istanbul berichtet.
Mittlerweile ist eine breitere Öffentlichkeit auf den Verband aufmerksam geworden, zumal Tolga Inci, Mitbegründer und Vorsitzender des ersten "Ateizm Dernegi" in der Türkei sich selbst auch einige Male direkt an die Presse gewandt hatte. Er wolle keinesfalls gläubige Mitbürger vom Islam abbringen, betont Inci in den Mitteilungen ausdrücklich. Seine Zielsetzung sei es einzig, auch die Rechte der nichtmuslimischen Bevölkerung zu schützen.
Türkei eine säkulare Republik
Zu gern wird in Statistiken der überwiegend muslimischen Türkei von 99 Prozent muslimischer Bevölkerung ausgegangen, woraus man schließen könnte, das nur 1% der Bevölkerung ungläubig ist. Zahlen, die längst nicht wirklich etwas aussagen, zumal hier Sunniten und Aleviten (etwa 20% der Bevölkerung) in einen Topf geworfen werden. Wie wichtig die Arbeit des Vereins ist, zeigen weitere Umfragen deutlich: jeder zweite türkische Staatsbürger möchte keinen "Gottlosen" zum Nachbarn. So verwundert es denn auch nicht, das der Ateizm Dernegi eine Vielzahl von Drohungen und Beleidigungen erfahren musste.
Ein erst kürzlich verabschiedetes Gesetz untersagt ausdrücklich Benachteiligung am Arbeitsplatz oder bei der Wohnungswahl aufgrund religiöser oder weltanschaulicher Bekenntnisse. Schließlich sagt die Verfassung, das die Türkei eine säkulare Republik sei. Doch wer sich zum Atheismus, wohlmöglich auch noch öffentlich, bekennt, hat oftmals große Probleme im täglichen Alltag zu bewältigen. Der Druck kommt dabei auch und besonders aus der Politik, so beschimpfte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, selbst frommer Muslim, die Teilnehmer von regierungskritischen Demonstrationen erst kürzlich als „Atheisten und Terroristen“.
Nach dem Tod fällt der Vorhang
So verwundert es auch nicht, wenn man die kontroversen, teilweise aber auch unsachlichen Diskussionen auf der Webseite des Vereins verfolgt, wenn über Gott und die Welt diskutiert wird. Gott sein Dank, endlich diskutiert wird. „Nach dem Tod fällt der Vorhang“, schrieb ein Atheist. Ein muslimischer Teilnehmer des Forums hielt dagegen: „Nehmen wir mal an, ihr hättet recht. Dann wären wir nach dem Tod alle in derselben Lage. Unsere Gebete an Allah und unsere Gaben für die Armen würden uns nicht schaden. Aber habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, was mit euch passiert, wenn es einen Gott gibt und wir recht haben?“
Neben den täglichen Problemen, will der Verein aber auch für weiter reichende Gesetze für Atheisten kämpfen. So gibt es in der Türkei kaum Friedhöfe, die auch Atheisten aufnehmen. Das gilt übrigens auch für Christen, die aus Sicht der Muslime häufig noch immer zu den Ungläubigen gezählt werden, trotz all der Parallelen in der Bibel und im Koran. „Wir müssen das Recht haben, selbst zu entscheiden, was mit unseren Körpern geschieht, wenn wir gestorben sind“, argumentiert Inci. Und da im Islam die Feuerbestattung verboten ist, betrifft eine der Forderungen den Bau eines ersten Krematoriums auf türkischem Boden.
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