Igelnachwuchs liegt in Nestern – bitte Vorsicht bei Gartenarbeit
- Geschrieben von Portal Editor
Der erste Igelnachwuchs ist da! Rund sieben Zentimeter lang, mit etwa 100 weichen, unter der Haut versteckten Stacheln, blind, aber schon mit fünf winzigen Krallen an jeder Pfote – so liegen meist vier bis fünf Igel im geschützten Nest.
Von Juni bis September werden unsere Gärten und Parks zur Kinderstube für das Tier des Jahres 2024. Damit die jungen Igel sicher aufwachsen können, sollten wir Menschen jetzt bei der Gartenarbeit besonders auf sie achten: Die neue Igelfamilie braucht ein ungestörtes Versteck. Übrigens: Igelweibchen sind alleinerziehend – das Igelmännchen verschwindet gleich nach der Paarung.
Wissenswertes zur Historie der Igel
Bereits in der Antike wurden Igel als Haustiere gehalten. In der mittelalterlichen Literatur und Kunst gelten sie als schlau, teilweise auch als durchtrieben oder sogar dämonisch. Ein verbreiteter Mythos besagte, dass sie sich im Herbst unter Obstbäumen und Weinstöcken über den Boden wälzen, um die Früchte auf ihre Stacheln aufzuspießen und für den Winter in ihren Bau mitzunehmen. Diese Behauptung ist zuerst bei Plinius dem Älteren belegt, wurde aber auch von Plutarch und von Timotheos von Gaza sowie im Mittelalter von Bartholomaeus Anglicus aufgegriffen.
In der frühchristlichen Naturlehre des Physiologus wurde diese angebliche Eigenschaft der Tiere für eine religiöse Metapher genutzt, die in verschiedene mittelalterliche Bestiarien Eingang fand: Der Igel repräsentiert demnach den Teufel, der sich im Weinberg des Herrn herumtreibt und möglichst viele „Früchte“ Gottes, also gläubige Christen, daraus rauben möchte.
Aus volksmedizinischen oder abergläubischen Gründen wurden sogar einige Igelarten bejagt; sie waren aber nie vom Aussterben bedroht. Weißbauchzwergigel werden heute mancherorts als Haustiere gehalten.
Heiße trockene Sommer in Europa (2018, 2019 und 2020, aufgrund der Globalen Erwärmung) begünstigen das Insektensterben; vielerorts sind dadurch bedingt die Böden trocken und hart.
Die Zahl der Igel in Deutschland, Großbritannien (dem „Mutterland der Igelforschung“) und anderen Ländern ist seit Mitte der 1990er Jahre entsprechend deutlich zurückgegangen. Auch der starke Pestizideinsatz schadet den Igeln wie übrigens allem lebendigen Wesen.
Lebensweise und Nahrung von Igeln
Igel fressen in erster Linie Wirbellose, beispielsweise Insekten und deren Larven sowie Ringelwürmer oder Schnecken. Würmer und Schnecken sind allerdings nur Notbehelfe bei Nahrungsmangel, da sie Krankheitserreger übertragen und für Igel damit gefährlich werden können. Darüber hinaus jagen Igel auch kleine Wirbeltiere und fressen Aas. Gelegentlich fressen sie auch versehentlich pflanzliches Material, beispielsweise Früchte, können dieses aber nicht verdauen. Entgegen verbreiteter Behauptungen fressen Igel also keine Äpfel und Pilze, sondern durchsuchen diese höchstens nach für sie essbaren Tieren wie Maden.
Falsch ist auch die Behauptung, dass Igel ihre Nahrungsvorräte auf den Stacheln lagern. Zwar finden sich manchmal Blätter oder Früchte auf ihren Rücken aufgespießt, die Igel ernähren sich aber nicht davon. Sie nehmen diesen Ballast unabsichtlich auf, beispielsweise in ihrem Nest, und zeigen wenig Eifer, diesen zu entfernen.
Darum ist der Schutz von Igeln wichtig
Alle Gartenarbeiten unter Hecken, Sträuchern, in wilden Ecken oder dort, wo Laubhaufen und Totholz liegen, sollten jetzt besonders umsichtig erledigt oder sogar ganz gelassen werden. Denn hier liegen die Igel-Wurfnester gut versteckt. Sobald sich die Igelmutter allerdings durch Unruhe von außen gestört fühlt, kann es sein, dass sie das Nest verlässt. Dann verhungert der Nachwuchs, der in den ersten sechs Wochen gesäugt wird. „Wird ein Nest durch den Einsatz von Gartengeräten beschädigt oder zerstört, kann es zu tödlichen Verletzungen der Igel kommen“, erklärt Lea-Carina Mendel, Natur- und Artenschützerin bei der Deutschen Wildtier Stiftung.
Handwerkzeuge wie Heckenschere, Rechen und Besen sind in der Wurf- und Aufzuchtzeit darum besser geeignet als Maschinen. „Entdeckt man ein Nest, kann man mit ihnen viel schneller reagieren und die Tiere vor Schaden bewahren“, so Mendel. Dass Mähroboter zum Igelschutz nicht in den Dämmerungs- und Nachtstunden eingesetzt werden, sollte mittlerweile selbstverständlich sein.
Mit etwa drei bis vier Wochen sind die Igel selbstständig. Sie verlassen ihr Nest und unternehmen kleinere Touren durch die Gärten. Ihre Milchzähne wachsen. Igel haben einen ausgeprägten Geruchssinn und riechen ihre Beute viele Meter weit. Die Igel lernen jetzt, was fressbar ist.
So durchwühlen sie Kompost- und Laubhaufen nach Käfern, Raupen, Insektenlarven und Würmern und verspeisen auch weggeworfene Nahrungsreste neben Mülleimern. „Manchmal verliert ein Igeljunges bei all den kulinarischen Verlockungen den Überblick und findet den Weg zum Nest nicht mehr zurück. Mit leisen Pieplauten ruft es dann nach seiner Mutter“, sagt Mendel. Die Igelmutter hört die Hilferufe, eilt schnaufend herbei und sammelt ihren verlorenen Gartenbummler wieder ein.
Es kann auch mal vorkommen, dass ein verirrter Jungigel tagsüber auf dem Rasen sitzt. „Das kann einen zwar stutzig machen, da Igel fast immer dämmerungs- und nachtaktiv sind – aber in der Regel ist auch dieser Tagesgast nicht gleich ein Waisenkind, sondern geht wieder seiner Wege oder wird vom Igelweibchen abgeholt“, so die Artenschützerin. Mit etwa fünf bis sechs Wochen wiegen Igeljunge dann etwa 250 Gramm und sind unabhängig von der Mutter als Einzelgänger unterwegs.
Mehr Infos für igelfreundliche Gärten finden Sie hier: Igel – Bahn frei für Stachelträger.
In Kooperation mit:
Jenifer Calvi / Pressereferentin
Deutsche Wildtier Stiftung
Christoph-Probst-Weg 4
20251 Hamburg
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