Schweinekotelett und Spanferkel in Alanya
Wie oft schon haben wir den Spruch vor allem von sogenannten Deutschländern, den türkischen Rückkehrern in die Türkei, gehört, wenn der kleine Hunger aufkommt: „Jetzt eine knackige Currywurst mit Pommes“. Und genau da wird es schwierig, nicht nur für die Rückkehrer.
Alanya als Vorreiter eines Umdenkungsprozesses?
Ist doch die Verwendung von Schweinefleisch für Muslime, nach Meinung vieler Gläubigen, untersagt. Allerdings, so kann man nachlesen, nicht nur für Muslime. Das Verbot von Schweinefleisch gilt auch für Juden und selbst für einige christliche Konfessionen wie den Siebenten-Tags-Adventisten, einer, wenn auch kleinen christlichen Glaubensgemeinschaft von etwa 35.000 Mitgliedern allein in Deutschland:
- 3. Buch Mose 11
„Alle Tiere, die gespaltene Klauen haben, Paarzeher sind und wiederkäuen, dürft ihr essen. […] Ihr sollt für unrein halten das Wildschwein, weil es zwar gespaltene Klauen hat und Paarzeher ist, aber nicht wiederkäut. Ihr dürft von ihrem Fleisch nicht essen und ihr Aas nicht berühren; ihr sollt sie für unrein halten.“
– Koran 2, 173
„Verboten hat Er euch nur (den Genuss von) natürlich Verendetem, Blut, Schweinefleisch und dem, worüber etwas anderes als Allah angerufen worden ist. Wenn aber jemand (dazu) gezwungen ist, ohne (es) zu begehren und ohne das Maß zu überschreiten, so trifft ihn keine Schuld; wahrlich, Allah ist allverzeihend, barmherzig.“
Betrachtet man die beiden Aussagen von Bibel und Koran etwas genauer, fällt sofort, wie in vielen weiteren Bereichen, die Ähnlichkeit in den Aussagen auf. Es gibt eine Vielzahl von Beispielen, woraus sich gleiche Wurzeln verschiedener Religionen herleiten lassen. Die Frage bleibt, warum jeder die seinige Religion für die Einzig wahreReligion hält! Aber zurück zum Schweinekotelett.
Das Schwein gehört neben dem Hund zu den ältesten domestizierten Tieren der Menschheit, wobei das Schwein immer als reine Nahrungsquelle gesehen wurde. Noch um etwa 2.000 vor Christus war es auch um das Mittelmeer herum weit verbreitet und wurde ausgiebig von den Menschen genutzt. Allerdings entstanden durch das zunehmende Siedlungswesen mit zunehmender Bodenerosion durch immensen Bedarf an Holz und Anbauflächen für Getreide auch immer größer werdende Kahlflächen, die für die Gesundheit des Schweins nicht zuträglich sind. Das Schwein hat keine Schweißdrüsen, also muss es zur Kühlung in den Schatten des Waldes und / oder sich im Schlamm wälzen. Gleichzeitig diente der Wald mit seinen Buchen und Eichen als natürliche Nahrungsquelle des Schweins.
Jetzt wurde das Schwein sogar zum Konkurrenten für den Menschen, denn die ökologische Nische Wald wurde immer geringer, zwangsläufig nutzten die Schweine auch die Kornfelder der Bauern bei der Nahrungssuche. Durch die schwindenden Waldflächen ging auch der Wasserhaushalt des Bodens mit der Folge kaputt, das es kaum noch Suhlmöglichkeiten für Schweine gab. Lebensbedingungen also, die Ursache für viele Krankheiten bei den Tieren waren und teilweise sich auch auf Menschen übertragen haben. Die veränderten Lebensbedingungen der siedelnden Menschen bedeuteten also eine Änderung in der Haltung von Tieren, denn Schafe, Ziegen und Rinder brauchten wesentlich weniger Wasser und waren auch keine direkten Nahrungskonkurrenten für den Menschen, da sie als Wiederkäuer Pflanzen fraßen, die der Mensch kaum verdauen kann. Immer mehr verlor also das Schwein an Bedeutung für die Regionen am Mittelmeer, die nicht ohne Grund mit Wiege der Menschheit bezeichnet wird.
Marvin Harris, seines Zeichens Forscher und Anthropologe an der Columbia Universität in New York und an der University of Florida in Gainesville beschreibt in seinem wohl als Standardwerk für Nahrungsmittel zählendem Buch „Wohlgeschmack und Widerwillen“ gerade auch diese geschichtlichen Wandlungen, denn es müssen ja Gründe vorliegen. So liegen seine Erklärungen auf Grund des ökologischen und ökonomischen Wandels auch in dem Verlust der Wälder des Nahen Ostens und Nordafrikas begründet. Es waren zunächst die Phönizier, die Babylonier und Ägypter, die das Schweinefleisch zunehmend verdammten und in Schritten auch religiöse Gründe ins Spiel brachten.
Im Verlauf des 12. Jahrhunderts wurden dann Verbote von Schweinehaltung immer lauter, die sich auf der „unsauberen“ Lebensweise der Schweine begründeten. Der jüdische Leibarzt Maimonides des Sultans Saladin soll einst folgenden Satz gesagt haben: „Wenn das Gesetz das Schweinefleisch verbietet, so vor allem deshalb, weil die Lebensgewohnheiten und die Nahrung des Tiers höchst unsauber und ekelerregend sind. (…) Das Maul eines Schweins ist so schmutzig wie der Kot selbst“. Ein sicherlich tragfähiges Argument, wenn man sich Schweinehaltung in nicht artgerechter Haltung der damaligen Zeit vorstellt.
Weitere Ansätze erschließen sich zumindest teilweise aus der geringeren Haltbarkeit frischen Schweinefleisches im Vergleich zu anderen Fleischarten. Auch Krankheitsübertragungen (Trichinose), vor allem während des 19. Jahrhunderts, durch nicht vollständig gegartes Schweinefleisch trugen zu vielen Vorurteilen bei, die sich teilweise bis heute erhalten haben, trotz mittlerweile durchgehender Kühlungskette und hygienisch einwandfreier Verarbeitung.
Welche Argumente auch immer für jeden Einzelnen als wesentlich gilt, man mag es oder auch nicht. Es spricht für das Leben und die Gemeinschaft der Menschen, das es unterschiedliche Standpunkte und Ansichten, nicht zuletzt auch unterschiedliche Geschmäcker gibt. Und natürlich gibt es auch in der Türkei Schweinezucht, aus der Botschaften, Konsulate und große Hotels mit Frischfleisch versorgt werden.