Maggi-Kochstudio entdeckt Muslime in Deutschland
Die 3,5 Millionen Muslime in Deutschlandsind eine große Käufergruppe. Der Nestlé-Konzern mit seinem Maggi-Kochstudio in Frankfurt und andere Hersteller sehen einen vielversprechenden Markt.
Sie bieten Nahrungsmittel an, die nach islamischen Regeln unbedenklich sind.
Vorkocherin Gunda Hedi Pfeifer weiß, wie sie ihre Gäste umschmeichelt. „Köfte sind viel leckerer als deutsche Frikadellen“, sagt sie gleich zur Begrüßung in ihrer Frankfurter Lehrküche, wo sie mit etwa 20 Türken und Deutschen zusammen kochen will. Es gibt Lammragout, Hähnchen in Granatapfelsauce und besagte Köfte mit Feta-Käse und Minz-Joghurt, ein türkisches Festmahl zum Fastenbrechen streng nach den Regeln des Islam. Zubereitet werden die Speisen mit Maggi-Produkten aus dem Nestlé-Konzern. Denn der Schweizer Nahrungsmittelriese hat den deutschen Markt für seine islamkonformen Waren entdeckt.
Die Mehrzahl der Muslime achtet darauf, dass ihre Nahrungsmittel den Anforderungen des Islam entsprechen. Sie werden unterschieden in „halal“ oder „helal“ auf Türkisch, was so viel wie geeignet oder zulässig heißt und „haram“, „das Unzulässige oder Verbotene“. Die bekanntesten Ernährungsverbote für Muslime beziehen sich auf Alkohol und Schweinefleisch, es gibt aber noch etliche andere Vorschriften.
Kaum Halal-Lebensmittel im Handel
In Großbritannien oder Frankreich mit ihren großen muslimischen Minderheiten ist der Halal-Markt längst riesig und lukrativ, doch in Deutschland haben sich bislang sogar die islam-erfahrenen Weltkonzerne Unilever und Nestlé zurückgehalten. Im Handel außerhalb der Ethno-Shops sind kaum Halal-Lebensmittel zu finden, wenige Ausnahmen wie zum Beispiel Produkte der Wurstfabrik Meemken aus dem niedersächsischen Gehlenberg, des Nudelherstellers Mosna oder des Hähnchenschlachters Wiesenhof bestätigen eher die Regel.
Das bekannteste islamkonforme Produkt dürften die seit 2001 in der Türkei produzierten Halal-Gummibärchen von Haribo sein. Nestlé will diesen Erfolg wiederholen und in die tausende ethnischen Geschäfte und Supermärkte vordringen, in denen sich die türkische Bevölkerung immer noch zum Großteil versorgt.
Die Schweizer können dabei auf ihre internationale Erfahrung zurückgreifen, denn von weltweit 456 Nestlé-Werken sind 85 halal-zertifiziert, vor allem im Mittleren Osten, Indonesien, Malaysia und der Türkei. 2009 machte der Konzern nach eigenen Angaben mit halal- Produkten der Marken Smarties, Kitkat, Maggi und Nescafé rund 5,3 Milliarden Schweizer Franken oder 4,1 Milliarden Euro Umsatz, rund fünf Prozent des Gesamtkuchens. Weltweit rund 1,6 Milliarden Muslime sind eine gewichtige Konsumentengruppe.
Haribo-Halal-Bärchen
Für den Vertrieb in Deutschland hat sich der Riese die Dienste einer im türkischen Ethno-Handel etablierten Agentur gesichert, der Ethno IQ Group aus Düsseldorf, die bereits die Haribo-Halal-Bärchen europaweit in die Läden gebracht hat. „Das ist eine ganz andere Welt“, sagt ein Nestlé-Mann. Statt mit einigen großen Handelsketten hat man es mit einer fast unüberschaubaren Menge von selbstständigen Kaufleuten zu tun, die ihre Waren überwiegend über den Großhandel oder auch schon mal direkt vom Lastwagen aus der Türkei einkaufen.
Der Schweizer Konzern hat für seine Produkte ein eigenes Helal- Label entworfen, auf dem auch noch der Spruch „Türk Mali“ (hergestellt in der Türkei) prangt. „Das reicht den allermeisten Konsumenten“ ist sich Ethno-IQ-Manager Selcuk Eyüpoglu sicher. Falls Nestlé neben der Hauptzielgruppe der 2,9 Millionen türkischstämmigen auch weitere Muslime in Deutschland als Kunden gewinnen will, könnten unabhängige Zertifizierer ins Spiel kommen.
„Das ist ein Zeichen der Anerkennung unserer Lebensart“
In Deutschland konkurrieren um das Geschäft mit den islamischen Unbedenklichkeitsbescheinigungen mehrere private Firmen, die stets auch islamische Geistliche zu Rate ziehen. „Den Löwenanteil macht noch das Döner aus“, berichtet Mahmoud Tatari von der Rüsselsheimer „Halalcontrol“, der aber keineswegs nur Lebensmittel kontrolliert. Zunehmende Bedeutung gerade in der arabischen Welt haben einwandfreie Kosmetikprodukte, sagt der Experte. Längst lassen sich auch große Konzerne wie Evonik, Merck oder Bayer bestimmte Vorprodukte halal- zertifizieren. „Die Muslime diskutieren stark untereinander, was halal ist und was nicht“, sagt Tataris Konkurrent Yavuz Özoguz von m- haditec in Bremen.
Die Türken ihrerseits sind stolz, dass ein Konzern wie Nestlé auf ihre Bedürfnisse reagiert. „Das ist ein Zeichen der Anerkennung unserer Lebensart“, sagt stellvertretend der türkische TV-Journalist Hasan Aka. Fast 60 Jahre nach der Ankunft der ersten türkischen Arbeiter sei dies aber auch an der Zeit. In anderen westeuropäischen sind die Halal-Märkte bereits wesentlich stärker entwickelt.
Text: FAZ.NET mit dpa/lhe