Das weiße Segel, von dem ich träume!

Das weiße Segel, von dem ich träume!

Bei den Menschen, die eine gewisse Affinität zum blauen Nass haben, sieht man ein anscheinend grundloses Lächeln im Gesicht, wenn diese zur Küste fahren.

Und zwar unberücksichtigt dessen, was für Probleme diese Menschen haben. Mit welcher Bezeichnung Sie dieses Lächeln auch immer definieren mögen, es handelt sich um eine Begrüßung, um eine Veranschaulichung der Entspannung, um eine Art Verrücktheit…

Sind Sie nicht der Meinung, dass ein wenig Verrücktheit gut tut? Stellen Sie sich ein Segelboot vor, dass auf diesem blauen Meer seine weißen Leinen aufgezogen hat. Wenn die Segelboote auf dem Meer anfangen zu halsen, greifen die am Ufer Stehenden viel zügiger nach dem Fotoapparat. Schnell auf den Auslöser drücken und das Boot nicht verpassen! Dieses weiße Boot, das auf dem Meer lautlos voran strebt, zieht das Interesse auf sich. Gehören auch Sie zu den Menschen, die auf diese Art und Weise lächeln und diese Schnappschüsse nicht verpassen?

Schön!

Nun, meine Freunde... Auf diesen Segelbooten gibt es Menschen, deren Augen durch das Ausschauen in die Ferne zusammengekniffenen sind, deren Hände durch das Halten der Taue verhornt sind, die friedvoll sind und die die Piraten ihrer eigenen Träume darstellen. Richtig: Piraten!

Sie üben den unschuldigsten Diebstahl der Welt aus. Sie plündern ihre Träume, die unter den Trümmern der realen Welt verschüttet sind. Wenn Sie entlang der Küste einer Stadt, parallel zum Ufer kreuzen, hören Sie das furchteinflößende Brausen der Stadt. In diesem Moment fühlen Sie eine Scheu vor der Stadt und das Deck des Bootes, auf welchem Sie sich befinden, erscheint Ihnen als ein unwirkliches Märchen. Alles was unwirklich ist, ist ein Wunder. Und Sie spielen auf dem besagten Deck die Hauptrolle Ihres eigenen Märchens.

Auch ich habe ein Segelboot. Gerade in diesem Augenblick befindet es sich entweder in anderen Wassern und ein anderer Seemann steht am Steuer, oder aber es ist noch nicht gebaut bzw. befindet sich noch im Bau. Ich weiß nicht, wo es ist. Auf jeden Fall ist es gegenwärtig in meinem Kopf befindlich. Auf der Kreuzfahrt in meinen Träumen. Ich bin jemand, der an Bord geht, nachdem er das Boot mit Achtung gegrüßt hat. Die Segel und das Meer haben mich seit meiner Kindheit inspiriert und sie finden sich in fast jedem meiner Lieder wieder.

Ich möchte Ihnen von einem Vorfall erzählen, den ich erlebt habe. Es war während der ersten Klasse der Grundschule. Am Ufer von Karaburun waren an einer roh gezimmerten Landungsbrücke einige Boote festgemacht. Wir waren drei kleine Freunde. Diese drei unbesonnenen Kinder näherten sich leise der Landungsbrücke und lösten das Tau eines der Boote, um sich dann auf und davon zu machen. Das Boot trieb langsam in Richtung offenes Meer. Die Eigentümer des Bootes sprangen sofort ins Wasser und holten das Boot zurück. Die Männer mit den kleinen Händen dagegen, die eben noch das Tau gelöst hatten und sich jetzt hinter einem Baum versteckten, um das Geschehen mitzuverfolgen, hatten eigentlich nur ein einziges Anliegen. Und ihre Verteidigung war sehr unschuldig: Diese Boote sollten mit dem Meer vereint werden und somit seiner Freiheit entgegengehen. Diese Flucht des kleinen Bootes, bei dem ich die Kindeshände in Handschellen gesehen habe, lässt mich sogar Jahre danach noch lächeln.

Nun, ich bin eben auch einer jener Menschen, die sowohl am Ufer lächeln, als auch das Tau mit zusammengekniffenen Augen halten. Noch bin ich ein Anfänger und bin in dieses Abenteuer mit dem Boot von Uğur Üye eingestiegen, das ich bei der Levent – Marina in Izmir kennengelernt habe und der sich inzwischen zur Teos – Marina in Seferihisar begeben hat, wo er im Schoße der ägäischen Küste aufhält. Sein Boot heißt Dilkan und mit diesem Boot nahm ich an Wettbewerben teil. Deswegen wird Uğur Üye für mich bis zu meinem Lebensende der liebenswürdigste aller Segler sein, denn ich stand damals tagelang am Ufer, um auf ein Boot kommen zu können und er nahm mich schließlich an Bord und sorgte dafür, dass ich dieses Abenteuer beginnen konnte. Ebenso wird das Boot Dilkan stets das beste Boot der Welt für mich sein.
In den darauffolgenden Jahren hatte ich Glück und erhielt Segelunterricht von M. Altan İbrikoğlu, der im Segelsport ganze 50 Jahre verbracht hat und als Sportler, Trainer, Führungskraft, nationaler Segelschiedsrichter und Berater diente, der das Trikot der türkischen Segelnationalmannschaft 56 Mal mit Erfolg trug, der der erste Europa- und Osteuropameister unserer Segelsportgeschichte ist, der außerdem in der türkischen Segelsportgeschichte der erste türkische Segelsportler ist, der an der Weltmeisterschaft teilnahm, welche auf den Bahamas auf dem amerikanischen Kontinent ausgetragen wurden. Altan İbrikoğlu erteilt heutzutage Segelunterricht im Solo – Segelsportclub bei der Levent – Marina in Izmir.

Der Segelsport ist die Kunst, das Boot und den Wind zusammen zu nutzen. Der Wind ist ein Grunderfordernis. Wenn beim Segeln der Wind von vorne genommen wird und sich das Boot mit einem jeweiligen Winkel von 45° zum Wind vorwärts bewegt, nennt man das „am Wind" liegen. Wenn der Wind mit einem Winkel von 90° genau von der Längsseite kommt, ist das ein „halber Wind". Wenn Sie den Wind genau von achtern haben, heißt das „vor dem Wind" sein. Der Segelsport wird in zwei Unterteilungen geteilt. Eine ist das Fahrtensegeln und die andere das Regattasegeln.

Als ein noch unerfahrener Segler, überlasse ich die umfangreichere Definition des Segelsports den Meistern. Egal ob Sie als Fahrtensegler oder als Regattasegler anfangen, ob Sie im halben Wind segeln oder vor dem Wind und was immer auch die Richtung des Windes ist – wenn die Segel ganz leicht in diesem Wind zittern, wenn Ihre Hände an den Tauen und am Steuer sind und wenn Sie in der Begleitung des Windes Fahrt machen, dann werden Sie dafür, dass Sie am Leben sind und diesen Moment erleben können, noch einmal dankbar sein. Es ist gar nicht so schwer in der Türkei die Segel zu hissen. Dort, wo es die schönsten Buchten der Welt gibt. Sie müssen nur wollen. Vergessen Sie nicht, dass auch ich seit meiner Kindheit einen Traum hatte und dass die Wände meines Zimmers mit den Bildern von Segelbooten geschmückt waren, dass ich den nie selbst erlebten Traum des Segelns geträumt hatte und dass ich der Pirat meiner eigenen Träume war. Wenn ich heute, wenn die Auslöser gedrückt werden, nicht am Ufer sondern im Boot stehe und am Steuer des Segelbootes meiner Träume lediglich meine Träume zur Grundlage meiner Peilung mache, bin ich das nur einem einzigen Umstand schuldig: dem Wollen.

Bevor ich es vergesse: Die Peilung ist grob ausgedrückt der Vorgang, bei dem der Steuermann einen Punkt festlegt und dann bewirkt, dass das Boot diesen Punkt ansteuert.

Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Peilung vollständig aus Ihren Träumen besteht.

Mast- und Schotbruch...

- Herzlichst, Serkan Yıldız

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