Akhisar war einst die Handelsmetropole Thyateira
Einige Tage Aufenthalt in Izmir ermöglichen uns auch einen Tagesausflug nach Akhisar, der Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises in der Provinz Manisa, etwa 90 Kilometer von Izmir entfernt.
Von Izmir kommend gilt es zunächst auf die Hochebene des Sipil Dagi Milli Parks in Richtung Manisa zu gelangen, bevor es stetig Bergab in Richtung Akhisar geht. Die größtenteils 4-spurige Schnellstraße 565 bringt uns aufgrund von wenig Verkehr schnell bis in die Stadt Akhisar, deren Name in der Bedeutung von „Weiße Burg“ oder „Helle Burg“ zu übersetzen wäre. Es muss also eine interessante Vergangenheit dieses Ortes geben.
Erste Nachfragen bei der lokalen Bevölkerung stoßen auf wenige Kenntnisse, aber so nach und nach ergibt sich ein erstes Bild, das wir durch weitere Recherche zu ergänzen versuchen. Im Jahr 1382 sei der Ort von den Osmanen erobert worden, ging dann aber aufgrund der Einfälle der kriegerischen Mongolen unter deren Anführer Tamerlan wieder verloren. Etwa 40 Jahre später, zwischen 1425 und 1426, konnte der osmanische Führer Chalil Yakschi Beg die Stadt zurück erobern und somit gehörte Akhisar bis zum Jahr der großen Reformen 1921 zum Vilayet von Aydin. Mit der Landreform wurde Akhisar der Provinz Manisa zugeordnet.
Thyatira - einst mächtige Handelsmetropole
Der Gang durch die Stadt zeigt eine typisch türkische Kleinstadt mit meist aus der Landwirtschaft stammender Bevölkerung, halt ein regionales Zentrum ohne bedeutende Industrie. Gelangt man weiter in Richtung Zentrum der Stadt, fallen die ersten Ruinen des antiken Thyatira ins Auge. Welch eine mächtige und imposante Handelsmetropole mag hier einst existiert haben?
Verkehrsgünstig im Lykostal gelegen, der Hauptverbindungsstraße zwischen den Metropolen Pergamon und Sardes, wurde die ehemals lydische Siedlung Thyateira im Jahr 281 vor Christus unter Seleukos I von Militär- und Armeekolonisten besiedelt. Etwa 100 Jahre hatte die seleukidische Kontrolle Bestand, bis um 188 vor Christus der Attalide Eumenes II von Pergamon die Macht übernahm. Mit der Ausweitung des Römischen Imperiums und dem Aristoniken-Aufstand des Jahres 129 vor Christus fiel auch Thyateira wie das gesamte Reich Pergamon an Rom. Nur wenig später gehörte Pergamon zur römischen Provinz Asia.
Als bedeutende Handels – und Industriemetropole der Antike war Thyateira vor allem im Bereich der Textilherstellung und Textilfärberei von großer Bedeutung. Eine Vielzahl von Inschriften belegt eindeutig, dass der Reichtum der Stadt hauptsächlich auf der Purpurfärberei basiert, was nicht überall handwerkstechnisch bekannt war. Aufgrund ihrer Bedeutung als Handelsmetropole erhob Kaiser Caracalla Thyateira zum Vorort eines „conventus iuridicus“, einer Anerkennung als eigenständiger Gerichtsbezirk, der vorher von Pergamon wahrgenommen wurde.
Thyateira auch ein bedeutender Ort der christlichen Entwicklung
Auch in der Entwicklung des Christentums spielte Thyateira eine wichtige Rolle, denn mehrfach wird der Name der Stadt genannt. Im Neuen Testament begegnet man Thyateira in der Apostelgeschichte 16, 14; Apokalypse 1, 11; 2, 18.24. Angeblich hat es eine Purpurhändlerin Lydia, aus Thyateira stammend gegeben, die sich als erste Frau in Europa samt ihrem gesamten Hauspersonal von Paulus hat taufen lassen. In der Folge soll hierauf die Gründung der ersten christlichen Gemeinde in Thyateira basieren. Wenig später, in der Johannesapokalypse, ist die christliche Gemeinde von Thyateira die Empfängerin des 4. Sendschreibens an die sieben Gemeinden. Neben den im Sendschreiben enthaltenen Belobigungen hinsichtlich der Tätigkeiten im geistlichen Leben ist hier vor allem der Tadel an einer speziellen Tätigkeit in der Stadt die Rede: Innerhalb der Gemeinde gibt es eine Gruppierung, von der sich die Gemeinde nicht genügend absondert und abgrenzt. Im Ort gäbe es eine selbsternannte Prophetin, die Teile der Gemeinde zu „Hurerei“ und zum Verzehr von Götzenopferfleisch verführen würde. Eine ähnliche Verlautbarung hatte auch Pergamon erhalten, was man dort auf die Nikolaiten bezog. Auch hier richtet sich die Kritik an eine leitende prophetische Frau, möglicherweise um eine erste Erscheinungsform der frühen Gnosis. Angeblich ist der Begriff Nikolaiten auf den in der Apostelgeschichte erwähnten Nikolaos von Antiochien zurück zu führen, der zu den Jerusalemer Sieben gehörte. Aber all dies ist bislang reine Spekulation.
Aus all diesen Aufzeichnungen ist in jedem Fall zu entnehmen, dass Thyateira eine wichtige Rolle in der Kirchengeschichte gespielt haben muss, sie wird auch als ein Zentrum des Montanismus gesehen.
Ausgrabungen in den Jahren 1974 bis 1975 unterstützen die recherchierten Aufzeichnungen in aller Deutlichkeit. So wurden neben den Resten einer opulenten Säulenstraße und Arkaden aus dem 4. Jahrhundert und der früherenAgora auch die Ruinen einer großen Basilika aus dem 5. Oder 6. Jahrhundert gefunden, die auf dem Platz der früheren Agora errichtet worden war. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Fundstücke befindet sich heute im Museum von Manisa.
Trotz der Namensänderung von Thyateira zu Akhisar wird der Name als orthodoxes Titularbistum bestehen bleiben. Der für die Britischen Inseln zuständige griechisch-orthodoxe Bischof, der seinen Sitz in London hat, wird auch als Metropolit von Thyateira bezeichnet. In der katholischen Kirche gibt es ebenfalls ein Titularbistum gleichen Namens.
Eine Verknüpfung der antiken Städte Pergamon, Thyateira und Sardes bietet sich hier geradezu an. Eine Reise in die Vergangenheit, die so viel Einfluss auf die Gegenwart zeigt.
Koordinaten: 38° 55′ 0″ N, 27° 50′ 0″ O (Karte)
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