Nevin Aladag Zugabe
Mit Zugabe präsentiert der Kunstverein Göttingen eine Einzelausstellung von Nevin Aladag (geb. 1972, Van/Türkei) in den großzügigen historischen Räumen des Alten Rathauses.
Von intimen Bühneninszenierungen, Interventionen, skulpturalen Installationen bis hin zu Soundarbeiten und Tanz: die Arbeiten der Ausstellung sind Auseinandersetzungen mit dem öffentlichen Raum als eine Sphäre, in der Zugehörigkeit und kulturelle Identität stets neu verhandelt und formuliert werden. Aladags Œuvre vermittelt diesen Prozess durch die spielerische Kombination von Versatzstücken der Alltagskultur, die persönliche Aneignung von Popkultur, Subkultur und Tradition sowie die Verwendung des Stadtraums als Hintergrund für den Ausdruck von Individualität und kollektiver Zugehörigkeit. Aladag macht uns diese Mechanismen bewusst als eine Form der alltäglichen Performance, die unser heutiges soziales Geflecht bestimmt.
Einzelausstellung vom 19. Januar – 9. März 2014
In mehreren Arbeiten wird dieses Geflecht als eine Zusammenstellung von disparaten Fragmenten betont. So zum Beispiel in der Performance „Hochparterre (Berlin)“, die zur Eröffnung der Ausstellung aufgeführt wird. In der Performance nutzt Aladag Passagen aus Interviews mit Anwohnern der Naunynstraße im Herzen von Berlin-Kreuzberg als collageartige Textsammlung – die von einer Schauspielerin lippensynchron wiedergegeben wird. In den O-Ton-Aufnahmen, die Aladag in einer Art Feldforschung gesammelt hat, hören wir Meinungen zu Themen wie Zusammenleben, Nachbarschaft und Stadtverwandlung. Die zehnminütige Performance bildet ein lebendiges Mosaik an dissonanten Perspektiven und Erfahrungen, die in der Person der Schauspielerin vereint sind, ohne dass sich Widersprüche in einem harmonischen Bild auflösen. In der sechsminütigen Drei-Kanal-Videoarbeit „Session“ (2013, Sharjah-Biennale) werden perkussive Musikinstrumente durch verschiedene städtische und natürliche Landschaften gezogen, gerollt oder gefahren. Die unterschiedlichen Instrumente stammen aus Pakistan, Indien und Irak – Herkunftsländern von in Sharjah lebenden Menschen. Sie erzeugen zusammen mit den Videoaufnahmen ein urbanes Klangporträt.
Auch die Arbeit „Pattern Matching“, in der Teppiche – zusammengesetzt aus unterschiedlichsten Ländern (handgewebte Teppiche aus Irak und der Türkei sowie Industrieteppiche aus Deutschland und China) – mit den Bodenmustern von Basketballplätzen versehen wurden, unterstreicht im ersten Blick eine spielerische kulturelle Kombinationen aus Ost und West. Berührt werden dabei nicht nur gegensätzliche Bereiche wie Tradition und Urbanität, öffentlich und privat, der Sport und das Haus als jeweils weibliche und männliche Felder, sondern auch die Komplexität des „Musterabgleichs“ als impliziertes Spiel.
Auf den Bildern der Fotoserie „Best Friends“ (2012), die Nevin Aladag von besten Freunden gemacht hat, wird die Freundschaft durch einen sehr ähnlichen Kleidungsstil repräsentiert. Es entsteht ein spezifischer gemeinsamer Dresscode, der die Identität der Freundschaft bestätigt und gleichzeitig auch schafft. Dabei handelt es sich um komplexe Kopierverfahren, die bewusst oder unbewusst die Identifikation mit dem Gegenüber symbolisieren. Zwischen dem Wunsch nach Individualität und der Sehnsucht nach Gemeinschaft und Zugehörigkeit handeln die Freundespaare und -gruppen eine eigene gemeinsame Identität aus.
In der Serie „Freeze“ (2003) nimmt ein Performer unterschiedliche Posen vor dem Hintergrund einer bewegten Stadtkulisse ein. Sein Körper wird Verzerrungen ausgesetzt und unterworfen, die die traditionellen europäischen Hierarchien bezüglich der menschlichen Figur demontieren. Die Serie „Stiletto“ (2006–2013) besteht aus verschiedenen Abdrücken auf Aluminium, die durch das Tanzen der Künstlerin mit Stiletto-Absätzen entstanden sind. Als Spur eines Moments haben sich die Schuhabsätze auf dem Material eingedrückt.
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