Regensburg - Römerkastell und Wurstkuchl an der Donau
- Geschrieben von Portal Editor
Wir hatten Chris während des Deutsch-Türkischen Freundschaftsfests in Izmir näher kennen gelernt, nachdem er in Vertretung des Bassisten Frank Eberspächter der Gruppe Backdoor Connection seinen Auftritt hatte.
Schnell waren wir in interessante Gespräche vertieft, die auch seine Heimatstadt Regensburg und deren römische Vergangenheit thematisierte. In Hinsicht auf unser geplantes Projekt "Verständigungs- und Kulturreise entlang Römischer Straßen" ein weiterer markanter Standort, den es einzubinden gilt. So waren wir denn auch hocherfreut, als zum Abschluss der Konzerttour in Izmir im Juni von Chris eine Einladung nach Regensburg erfolgte.
Großparkplatz am Krankenhaus Barmherzige Brüder an der Prüfeninger Straße
Nun war es endlich soweit, auf nach Regensburg. Über die stark befahrene A3 ging es an Nürnberg vorbei bis hinein in das Stadtzentrum von Regensburg. Wir hatten uns für das erste Treffen in seinem Buchgeschäft am Franz von Taxis Ring verabredet und unser Navi um die Angabe einer nahen Parkmöglichkeit "ersucht". So gelangten wir sehr schnell zum Großparkplatz am Krankenhaus Barmherzige Brüder an der Prüfeninger Straße. Erstmalig in Regensburg fragten wir dann eine ältere Dame nach dem weiteren Weg zum Buchgeschäft. Sehr freundlich aber bestimmt forderte die Dame uns auf, ihr in den gerade ankommenden Bus mit einzusteigen. Das Parkticket beinhaltet auch die Möglichkeit zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel und so gelangten wir schnell zum Ziel. Bis zur Ladentür wurden wir begleitet und höflich verabschiedet. Eine wirklich nette und hilfsbereite Person.
Straße "Stadtamhof" direkt zur Steinernen Brücke
Die Freude des Wiedersehens war entsprechend groß und Chris hatte sich den Rest des Tages freimachen können, so das wir uns kurzfristig zu einer ersten Stadterkundung aufmachten. Zwar zeigte sich der Himmel nur grau in grau, aber es regnete zumindest nicht. Chris führte uns auf der Straße "Stadtamhof" direkt zur Steinernen Brücke, einem der Wahrzeichen von Regensburg, die allerdings momentan restauriert wird und somit nur in Teilbereichen dem Fußgängerverkehr zugänglich ist. Aufgrund der starken Nutzung durch Pendler ist allerdings auch eine Behelfsbrücke errichtet. Es war wohl der graue Hintergrund des Bildes vor der Steinernen Brücke, der mit dem grauen Himmel über Regensburg fast eine Einheit bildete und uns zunächst etwas irritierte, denn es sah so aus, als wenn eine Straßenbahn entgegen käme. Nur die Kleidung der Leute passte nicht wirklich. Erst beim Näher kommen erkannte man das riesige Plakat zur Abdeckung der Großbaustelle Brückenrenovierung.
Die Steinerne Brücke mit ihrem imposanten Brückturm wurde in den Jahren zwischen 1135 und 1146 erbaut. Sie gilt als Vorbild für die Karlsbrücke in Prag und gehört zu den bedeuteten Brückenbauwerken des Mittelalters. Kaiser Friedrich I. Barbarossa brach hier im Mai 1189 mit seiner großen Streitmacht zum 3. Kreuzzug auf. Der am südlichen Ende der Brücke befindliche Brückturm war in der Vergangenheit ein wichtiger Bestandteil der Regensburger Stadtbefestigung. Der Brückturm, der auch Schuldturm genannt wird, ist der letzte von ehemals drei Wehrtürmen an der Steinernen Brücke. In der Vergangenheit waren hier oftmals Schuldner eingesperrt, die im wahrsten Sinne des Wortes ihre Schulden "einholen" mussten – mittels eines angelähnlichen Stabs oder einer Schnur, die sie vom Turmfenster herabließen, um die eine oder andere Münze zu erbetteln. Der Wächter lebte in einer kleinen Türmerwohnung, die aus zwei kleinen Zimmern und einer Küche im oberen Stockwerk bestand. Der mittelalterliche Torturm entstammt dem 14. Jahrhundert, hier wurde der Zugang zur Altstadt und dem Dom kontrolliert.
Torbogen rechts neben dem Brückturm
Direkt neben dem Torturm, also direkt an der Donau, befindet sich der Salzstadel. Der Salzstadel an der Steinernen Brücke wurde 1616 bis 1620 gebaut. Er wurde zur Lagerung von Salz errichtet, das hier mit Kränen von den Schiffen geladen wurde, nachdem der Salzhandel 1614 nach 21 Jahren unter der Kontrolle des Herzogtum Bayern wieder zurück an die Stadt Regensburg ging. Diese Speichergebäude sind typisch für mittelalterliche Handelsstädte, so auch für Regensburg. Die Errichtung der Salzstadel steht im Zusammenhang mit dem Salzhandel, der im Spätmittelalter einen großen Aufschwung erlebte; daher stammen auch die meisten erhaltenen Lagerbauten für das Hall, so die alte deutsche Bezeichnung, aus dieser Periode. Aufgrund des großen Wertes, den Salz zu jener Zeit besaß, war der Handel mit dem „weißen Gold“ strengen Reglementierungen unterworfen. Voraussetzung für den Verkauf war die Verleihung des so genannten Salzregals durch den Kaiser, das gemeinhin an einzelne Städte oder adelige Herrschaften vergeben wurde. Die für die zentrale Lagerung und den Verkauf bestimmten Gebäude befanden sich in verkehrsgünstiger Lage, zum Beispiel in der Nähe von schiffbaren Flussläufen oder Hauptverkehrsstraßen, über die das in der Alpenregion bergmännisch gewonnene Salz angeliefert wurde. Besonders häufig sind die Salzstadel entlang der ehemaligen Salzstraßen. Heute, da Regensburg auch zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt, befindet sich das Besucherzentrum im Gebäude des Salzstadels. Der große Torbogen rechts neben dem Brückturm wurde erst im 20. Jahrhundert gebaut, da hier die Durchfahrt der Straßenbahn erfolgen sollte.
Je länger wir gemeinsam unterwegs sind, desto mehr lernen wir das fundierte Detailwissen unseres "Stadtführers" Chris zu schätzen. Hier eine Anmerkung, dort eine kleine Anekdote. Wir lernen auch viel zur historischen Vergangenheit, die weit vor dem Mittelalter begann. Regensburg ist eine der ältesten Städte Deutschlands, allein die wechselnden Namen der Stadt deuten bereits darauf hin. Um 770 nach Christus wird Radaspona in der Literatur bei Arbeo von Freising genannt, ein Name, der wahrscheinlich schon auf keltische Bezeichnung zurückzuführen ist: rate oder ratis in der Bedeutung von "Wall" oder "Stadtmauer", bona in der Bedeutung von "Gründung". Aus dem Jahr um etwa 400 vor Christus stammen hochwertige Grabbeigaben aus keltischen Gräbern, die Anfang 2006 etwa 100 Meter östlich der Reste des römischen Legionslagers gefunden wurden.
Porta praetoria und Kastell Kumpfmühl
Die römische Geschichte Regensburgs beginnt mit der Einrichtung eines Kohortenkastells um etwa 79 nach Christus im heutigen Stadtteil Kumpfmühl im Zuge der römischen Okkupationen bis an die Donau. Das Lager, diente als Beobachtungsposten für die Naab- und Regenmündung und war zunächst durch Gräben und Pfahlpalisaden gesichert, später in trajanisch-frühhadrianischer Zeit wurde das Kastell durch Steinmauern zusätzlich gesichert. Im Lager waren Hilfstruppen stationiert, und zwar entweder eine rund 500 Mann starke berittene Kohorte oder eine rund 1000 Mann starke Doppelkohorte Fußsoldaten. Im Rahmen einer zweiten Steinbauperiode in den späten 120er oder 130er Jahren wurde das Lager von 2,1 auf 2,8 ha erweitert. Bald bildete sich um das Kastell eine Zivilsiedlung, "vicus" genannt. Eine Donausiedlung im Bereich der heutigen westlichen Altstadt wird ebenfalls für diese Zeit vermutet. Reste eines römischen Beobachtungsturmes wurden nahe der Naabmündung gefunden, für diese Zeit wird auch die älteste römische Brauerei nördlich der Alpen vermutet (heute Römer-Pavillon am Kornweg), gefunden wurde bislang aber nichts. Das Kastell und die Zivilsiedlung wurden im Rahmen des Markomannensturms in der zweiten Hälfte der 160er-Jahre zerstört.
Als nächsten Höhepunkt unseres Stadtrundgangs kehren wir jetzt beim Dampfnudel Uli am Watmarkt ein. Schon auf dem Weg dahin kommt Chris ins Schwärmen und berichtet von dem Regensburger Original, der das Dampfnudel backen beherrscht wie kein anderer. Dabei ist Uli längst über das Pensionsalter hinaus. Auch mit den Öffnungszeiten, so Chris, nimmt er es oftmals nicht so genau, trotz oder gerade wegen der Ankündigung seiner Aktivitäten im Internett:
geöffnet von Mittwoch bis Freitag 10.01 - 18.01 Uhr und am Samstag von 10.01 - 15.01 Uhr.
Und sind die Dampfnudeln alle, wird halt geschlossen.
Also muss der Uli schon etwas Besonderes sein. Und tatsächlich, allein das Ambiente ist schon den Besuch wert. Ein kleines Restaurant im Kellergewölbe, wo man fast kein Mauerwerk mehr erkennen kann, so zugehängt sind alle Wände mit Accessoires und Bildern ehemaliger Gäste, deren Namen von hochrangigen Politikern bis zu weltberühmten Filmstars reichen. Natürlich wählen auch wir die Dampfnudeln als Gericht und wahrlich .... ein Gedicht. Wie hatte doch einst schon Alfred Schubeck gesagt: "Die besten Dampfnudeln gibt´s beim Uli".
Nach den Dampfnudeln soll es zügig weiter gehen mit unserer Stadtführung, denn Chris hat als nächstes Ziel das römische Stadttor Porta pretoria ausgewählt. Als Porta praetoria bezeichneten die Römer in ihren Militärlagern das Haupttor des Kastells. Es diente als Ausfalltor und befand sich im Normalfall auf der dem Feind zugewandten Seite des Lagers. In Regensburg können Teile der Porta praetoria heute noch besichtigt werden, denn die umgebenden Gebäude haben das Restmauerwerk des Stadttors mit verwendet. Klar ist zu erkennen, das eine große bauliche Ähnlichkeit zum Ausfalltor "Porta Nigra" in Trier bestanden haben muss.
Unter Kaiser Marc Aurel wurde an der Regenmündung als Reaktion auf die Markomannenkriege um 160 nach Christus das Legionslager Castra Regina (im Deutschen Lager beim Fluss Regen) gegründet und die Legio III Italica hier stationiert. Sie wurde durch Kaiser Mark Aurel um das Jahr 165 nach Christus zusammen mit der Legio II Italica zur Verstärkung der Donaulegionen geschickt, als das Römische Reich sowohl in Germanien (Markomannenkriege) als auch gegen die Parther Krieg führte. Die Legion war bis 170 in Dalmatia und anschließend bis Mitte des 5. Jahrhunderts n. Chr. in Rätien stationiert. Sie hatte ihr Legionslager in Castra Regina (Regensburg), nicht in Augsburg, wie man vermuten könnte und war ab diesem Zeitpunkt ein wesentlicher Bestandteil des ansonsten aus Auxiliartruppen bestehenden raetischen Heeres.
Nach dem Zurückdrängen der Markomannen bis etwa 170 n. Chr. wurde auf Anordnung von Kaiser Mark Aurel ab ca. 175 das Legionslager Castra Regina (Lager am Regen) weiter ausgebaut. Diese Steinbauten mit ihrer etwa 10 Meter hohen Schutzmauer, den vier Toranlagen und zahlreichen Türmen ist heute noch gut im Grundriss der Regensburger Altstadt erkennbar. Von seiner Einweihung im Jahre 179 n. Chr. ist heute noch die steinerne Inschrift erhalten, die sich einst über dem Osttor befand und als die Gründungsurkunde Regensburgs gilt. Im Lager war die Legio III Italica mit rund 6000 Soldaten stationiert. Es war militärischer Hauptstützpunkt der Provinz Raetia und bildete somit eine Ausnahme im römischen Verwaltungssystem, da die Legion nicht in der ProvinzhauptstadtAugsburg, stationiert war. Während der Wirren der Völkerwanderung kam es im Verlauf des 5. Jahrhunderts zur militärischen Aufgabe des Kastells, das fortan eine mauerbewehrte Zivilsiedlung war.
Aus dem Legionslager entwickelte sich die Stadt Regensburg. Im Jahre 932 war dieses Tor unter dem Namen Porta Aquarum bekannt. Als im Hochmittelalter die via praetoria überbaut wurde, verschwand das Tor aus dem Bewusstsein. Beim Bau des Bischofshofs wurde das Tor einbezogen, wobei allerdings auch Teile der Toranlage zerstört wurden. 1885 wurde die Anlage entdeckt und 1887 der jetzt sichtbare Zustand hergestellt. Der auf dem Bild sichtbare weiß angestrichene oberste Teil des Eckturms wird derzeit als Hotelzimmer genutzt. Erhebliche weitere Teile des römischen Portals liegen wegen des Anstiegs des Straßenniveaus derzeit unsichtbar im Boden vergraben.
Unser Nachmittag in Regensburg neigt sich bereits dem Ende entgegen und so hat Chris, der sich zwischenzeitig auch mit seiner Frau verabredet hat, noch ein weiteres Schmankerl zu bieten: das wohl älteste Fast Food Restaurant der Welt, die Wurstkuchl. Direkt neben der Steinernen Brücke gelegen, fungierte das Gebäude während der Bauphase zwischen 1135 und 1146 als Baubüro. Mit Fertigstellung der Brücke wurde das kleine Gebäude schnell zur Garküche umfunktioniert und hieß fortan "Garküche auf dem Kranchen". Seit über 850 Jahren versorgt die sich heute in Familienbesitz befindliche historische Wurstkuchl Einheimische und Touristen täglich mit ihren frischen Produkten, die weit über das Angebot der schon legendären Bratwürste, die es erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts hier gibt, hinausgehen.
So werden z. B. im Betrieb der Historischen Wurstkuchl in der Thundorfer Straße zu den Bratwürsten der hauseigenen Metzgerei auch der Senf und das Sauerkraut selbst hergestellt. Trotz des allgegenwärtigen Rauchs vom Holzkohlegrill wollen auch wir das typische Ambiente erleben und setzen uns in die wirklich winzige Gaststube hinein. Uns faszinieren hier besonders die aus den letzten Jahrhunderten festgehaltenen Marken der Wasserstände der Donau. Immer wieder war das Wurstkuchl starken Überschwemmungen ausgesetzt.
Wir genießen unsere Bratwürstchen, die traditionell mit Sauerkraut, hausgemachtem Senf und speziellen Semmeln an den Tisch gebracht werden. Ein kurzer, wenn auch gleich äußerst interessanter Rundgang wird an der Steinernen Brücke für dieses Mal beendet.
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