Aschaffenburg - Rundgang und Schloss Johannisburg
- Geschrieben von Portal Editor
Die Einladung der Aschaffenburger Hofbibliothek und Amnesty International anlässlich einer Lesung von Gedichten des in Bamberg lebenden Lyrikers Nevfel Cumart brachte uns in das Schloss Johannisburg in Aschaffenburg.
Die Poesie Nevfel Cumarts steht gleichbedeutend für Völkerverständigung und Toleranz gegenüber anderen Menschen, gleichgültig ihrer Herkunft oderReligion. Cumart wirbt in seinen Versen für Verständnis gegenüber Menschen anderer Kulturen. Selbst früher häufig Leidtragender von Vorurteilen aufgrund seiner Herkunft, wird Nevfel Cumart am Abend biographische Texte, sensible Liebesgedichte neben gesellschaftlich-politischen Gedichten vortragen.
Seit Jahren unterstützt Nevfel Cumart auch Veranstaltungen mit dem Ziel, den inhaftierten Liu Xiaobo frei zu bekommen. Am heutigen Abend wird er die gemeinsame Veranstaltung der Hofbibliothek und Amnesty International durch den Vortrag von Gedichten Xiaobos unterstützen.
Im Jahr 2010 wurde der chinesische Literaturwissenschaftler Liu Xiaobo wurde für sein langjähriges gewaltloses Engagement für die Menschenrechte mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Allerdings verbüßte er bereits seit Dezember 2009 eine elfjährige Haftstrafe. Liu Xiaobo wurde am 23. Juni 2009 wegen „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" verhaftet und als einer der Erstunterzeichner der so genannten „Charta 08“ zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der nur deshalb in Haft gehalten wird, weil er sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hat.
Mainufer und Pompejanum in Aschaffenburg
Da wir vorher nie in Aschaffenburg gewesen waren, wollten wir den mit einigen wenigen Sonnenstrahlen angekündigten Nachmittag auch für eine erste Stadterkundung nutzen. Über die A3 waren wir auch zügig in Aschaffenburg angekommen. Als Zielort hatten wir das Parkhaus an der Stadthalle eingegeben, so das es zu Fuß nur wenige Minuten bis zur Johannisburg bzw. in die Altstadt und Fußgängerzone von Aschaffenburg waren. Tatsächlich klarte der Himmel zusehends weiter auf, so das wir den eigentlich geplanten Besuch in die im Schloss befindlichen Staatsgalerie auf einen späteren Zeitpunkt verschoben haben. Die Staatsgalerie ist bekannt für die große Sammlung an Werken des Malers Lucas Cranach dem Älteren, die als die umfassendste in Europa gilt.
Wir wandten uns zunächst also dem Baum bestandenen Mainufer zu, das in seinen herbstlichen Laubfarben und der tief stehenden Sonne von besonderer Anziehungskraft war. Auf der Promenade vor dem Schloss machten wir uns zunächst auf den Weg zum Pompejanum, dem Nachbau der römischen Villa von Castor und Pollux (Casa dei Dioscuri) aus Pompeji. Einst hatte König Ludwig I die Planung des Pompejanum in Auftrag gegeben, das dann zwischen 1840 und 1848 nach Plänen des Architekten Friedrich von Gärtner erbaut wurde. Im 19. Jahrhundert war ein regelrechter Boom hinsichtlich der Begeisterung für die Antike ausgebrochen, so das mit dem Bau des Pompejanums den Liebhabern der Antike hier ein Ort des Studiums der römischen Kultur ermöglicht werden sollte.
Auf der Uferpromenade zum Pompejanum passierten wir auch den so genannten Frühstücks Pavillon im Schlossgarten, der vom Erzbischof und Kurfürsten Friedrich Karl Joseph von Erthal erbaut wurde, immer von Büschen und Bäumen, kleinen Terrassen und Blumenbeeten begleitet. Es muss prachtvoll sein, diesen Weg, der selbst jetzt im Spätherbst mit herrlichem Ausblick auf den Main zu gehen war, im Frühsommer bei voller Blütenpracht zu sehen. Der Schlossgarten zieht sich vom Schloss Johannisburg bis zum Pompejanum und zur St.-Germain-Terrasse. Wegen der Platzverhältnisse um das Schloss Johannisburg – mit einem Kapuzinerkloster in unmittelbarer Nähe – konnte nie ein repräsentativer Schlossgarten in barockem Stil angelegt werden.
So entstanden die etwas verwinkelten Anlagen am Mainufer mit ihren schmalen, geschwungenen Wegen, Laubengängen und Pergolen, Wänden und Sitznischen, Fußgängerbrücken und weiteren Architekturelementen wozu auch der Kräutergarten an der Steintreppe zu zählen ist. Schwerpunkt der Bepflanzung sind interessanterweise südländische Pflanzen wie Feige und Agave, die das besondere mediterrane Flair Aschaffenburgs ausmachen und zum Spitznamen Bayerisches Nizza beigetragen haben.
Bodenmosaike im Pompejanum
Wenig später waren wir am nahezu fensterlosen Gebäude des Pompejanums angekommen. Wie zu römischer Zeit üblich wurde die Belichtung der Räume durch die Innenhöfe, dem so genannten Atrium, geregelt. Wir mussten leider feststellen, das das Objekt unserer Begierde zwischen Oktober und März geschlossen ist. So konnten wir das mächtige Gebäude nur von außen betrachten.
Neben der Bildergalerie im Schloss ein weiterer Grund noch einmal nach Aschaffenburg zu reisen. Die farbliche Außengestaltung des Gebäudes einschließlich der ionischen Säulen folgt der toskanischen Traditionen mit einem „Pompeji-roten“ Sockel und einer maisgelben Fassade. Durch die weißen Brüstungen wird die Struktur des Gebäudes betont. Die gemalte Struktur der Fassade, die den Eindruck großer Steinblöcke vermittelt, erzeugt ein lebhaftes Gesamtbild der ansonsten fensterlosen Außenwand.
Auf der Terrasse trafen auf ein älteres Ehepaar, das uns von der Zerstörung des Pompejanum während des 2. Weltkriegs berichtete und das erst in den 60er Jahren nach verschiedenen Phasen der Restauration eine Wiedereröffnung möglich war. Neben den kunstvollen Bodenmosaiken soll es eine Vielzahl von Fundstücken wie Marmorskulpturen, Kleinbronzen und Gläsern im Inneren geben. Auch Gebrauchsgegenstände aus römischer Zeit, die das Leben in der Familie veranschaulichen, soll es in der Ausstellung geben. Erst im letzten Jahr hatten wir uns ausgiebig die Römervilla in Ahrweiler angesehen, wo uns vor allem die wirklich imposanten Hypokaustensysteme der Heizungsanlagen fasziniert hatten, die man hier besonders gut studieren kann.
Mittlerweile hatte sich der Hunger eingestellt und so war der Entschluss, jetzt zunächst die Altstadt aufzusuchen, schnell in die Tat umgesetzt. Auf dem Weg dorthin kamen wir an einem türkischen Restaurant vorbei, das mit seinem Mittagstisch zur Einkehr verlockte. Und ... enttäuscht wurden wir nicht, ganz im Gegenteil.
Altstadt lockt mit Stiftsbasilika und Webergasse
Aschaffenburgs Anfänge liegen wahrscheinlich im 5. Jahrhundert, als die Alemannen sich an einer Furt über den Main und auf dem angrenzenden Hügel niederließen. Hier querte eine alte Handelsstraße den Main. Funde von Grabungen in der Oberstadt belegen, dass sich hier schon früh eine größere Siedlung befand. Den Alemannen folgten die Franken.
869 findet die Hochzeit des ostfränkischen Königs Ludwig III., des Jüngeren mit Luitgard, der Tochter des Herzogs Luidolf von Sachsen in Aschaffenburg statt. Im Jahre 957 gründete Herzog Liudolf von Schwaben ein Stift für die nachgeborenen Söhne des Adels, das Stift St. Peter, später St. Peter und Alexander. 982 kam die Stadt als Schenkung an das Erzbistum und Kurfürstentum Mainz und war von da an immer Zweitresidenz der Mainzer. Erzbischof Willigis errichtete 987 die erste Brücke aus Holz über den Main. Im 12. Jahrhundert erhielt die Siedlung durch Erzbischof Adalbert I. von Saarbrücken eine neue Befestigung, die in den folgenden Jahrhunderten erweitert wurde. Die Zugehörigkeit zu Mainz hat Aschaffenburg nachhaltig geprägt, was nicht nur an der Sprachfärbung zu erkennen ist.
Durch die Webergasse und die Stiftsstrasse, die einige wunderschöne Fachwerkfassaden aufweisen konnten, gelangten wir bis zur Stiftsbasilika St. Peter und St. Alexander, der ältesten Kirche von Aschaffenburg. Sie wurde ebenfalls durch Herzog Liudolf von Schwaben (Sohn des Kaisers Otto I.) und seine Frau Ida von Schwaben (Tochter des Herzogs Hermann I. von Schwaben) vermutlich zwischen 947 und 957 initiiert, da Liudolf infolge einer Auseinandersetzung mit seinem Vater das Herzogtum in diesem Jahr abgesprochen bekam. Später wurde durch den Sohn des Paares, Otto, Herzog von Schwaben, das Kollegiatstift St. Peter und St. Alexander mit der Stiftsschule begründet. Ab 975 wurde mit dem Bau der Stiftskirche begonnen.
Fussgängerzone am Stiftsbrunnen und Herstallturm
Hinter dem erst 1998 wieder errichteten Stiftsbrunnen steigt man die Treppenanlage zur Kirche hinauf um auf ein einzigartiges Ensemble zu treffen: Die spätromanische Stiftskirche mit dem berühmten Kreuzgang bildet eine Einheit mit den mittelalterlichen Gebäuden des Stiftskapitels. Die Kirche ist geöffnet und so können wir einige der zahlreichen Kunstschätze und Kleinodien wie das Grabdenkmal für Erzbischof und Kurfürst Albrecht von Brandenburg, ein Kruzifix aus dem 10. Jahrhundert und Grünewalds "Beweinung Christi" ausgiebig betrachten.
Durch die Herstallstrasse, die wohl als der Hauptteil der Fußgängerzone zu gelten hat, gelangen wir zum Herstallturm, der einer von ursprünglich zwei Türmen als Teil der Stadtbefestigung erhalten werden konnte. Der Turm trägt die Jahreszahl 1545 und das Wappen des Kardinals Albrecht von Brandenburg.
Heute "bewacht" der Herstallturm den Beginn der Fußgängerzone, die sich von der Steingasse, der Badergasse und dem Roßmarkt bis in die Sandgasse erstreckt. Wir durchqueren diese Einkaufzonen, die uns im Verhältnis zur Größe der Stadt schon überrascht. Soviel Laden- und Verkaufsfläche hatten wir in dem Stadtteil nicht erwartet.
Mittlerweile ist die Zeit, die uns vor der abendlichen Lesung in der Johannisburg zur Verfügung stand, auch abgelaufen, so das es Zeit wird, zur Burg zurück zu kehren, die heute als das Wahrzeichen der Spessartmetropole Aschaffenburg gilt. Der Prachtbau der deutschen Spätrenaissance war in den Jahren zwischen 1605 und 1614 entstanden, Bauherr war der Erzbischof und Kurfürst Johann Schweikard von Kronberg, Baumeister der Straßburger Architekt Georg Ridinger. Bei der Außenbetrachtung des riesigen Baukomplexes und dem Wissen um die Hintergründe der Erbauer relativiert sich die Baumaßnahme des Tebartz-van Elst, dem Bischof von Limburg, zumindest ein wenig.
Neben der bereits erwähnten Sammlung von Gemälden beherbergt die Burg auch die weltweit umfangreichste Sammlung an Architekturmodellen aus Kork, aber das alles bei einen späteren Besuch in einem weiteren Bericht. Über den Schlossinnenhof gelangen wir schließlich in die staatliche Hofbibliothek Aschaffenburg, durch die auch die Stiftsbibliothek Aschaffenburg mit ca. 22.000 Bänden, 86 Handschriften und 586 Inkunabeln verwaltet wird. Ein würdiger Rahmen für die in Kürze beginnende Lesung Nevfel Cumarts, so der Eindruck beim Betreten der Bibliothek.
Wenig später betritt auch Nevfel Cumart den Raum. Ein starres Konzept, wie er ausdrücklich betont, hat er nicht in der Tasche. Vielleicht sind seine Vorträge gerade deshalb so einmalig:
dazwischen
- meine frau griechin
- mein trauzeuge amerikaner
- meine Mutter türkin
- mein freund yemenit
- meine patentochter deutsche
- mein nachbar algerier
- mein professor österreicher
- mein arzt iraker
- und irgendwo
- dazwischen
- ich
- auf diesem staubkorn
- genannt erde
Nevfel Cumart aus: Schlaftrunken die Sterne
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https://www.alaturka.info/de/deutschland/bayern/115-aschaffenburg-stadtrundgang-und-autorenlesung-im-schloss-johannisburg#sigProId596e980d63
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Viele praktische Tipps zu Kirchen und Palästen, zu Weinstuben und Winzern, zu Familienhotels und Landgasthöfen hat Hans-Peter Siebenhaar in seinen Reiseführer gepackt. Leben wie Gott in Mainfranken!
Hans-Peter Siebenhaar - Michael Müller Verlag, 336 Seiten, farbig, 137 Fotos, 44 Detailkarten, ISBN 978-3-95654-369-2, 6. Auflage 2020