Ein Weingut und Landgasthof bei Abtswind
- Geschrieben von Portal Editor
Mit Brita waren wir von Kitzingen aus kommend in Richtung Geiselwind gefahren, als wir aufgrund unseres einsetzenden Hungergefühls beschlossen, zu einem Mittagessen in einer der Gaststätten nahe des Weges zu stoppen.
Etwas abseits der Ortschaft Geiselwind befuhren wir die KT 15 in Richtung Abtswind, als uns ein Wildgehege am Straßenrand und ein etwas versetzt dahinter befindlicher Landgasthof ins Auge fiel. Kurzentschlossen hielten wir an, um auf ein Mittagessen einzukehren.
Eine uralte Weinpresse als Augenfang
Schon am Eingang war uns aufgefallen, das es sich nicht nur um einen normalen Landgasthof, sondern auch um ein Weingut mit eigenem Weinanbau rings um den Gasthof herum handelte. Schon die Eingangssituation war interessant in der Gestaltung, denn neben allerlei landwirtschaftlichem Gerät fiel uns sofort ein uraltes Keltergerät ins Auge, das gleich neben den Gasthofterrassen in einem offenen Gebäudeteil untergebracht war. Sofort war unser Interesse geweckt, denn allein die Jahreszahl 1695, die wir am Querbalken des Kelters entdeckten, deutete auf das stattliche Alter des Pressgeräts hin. Komplett aus massivem Eichenholz gefertigt, war der Kelter in einem erstaunlich guten Zustand.
Schon bei Griechen und Römern war das Pressen von Früchten zur Gewinnung von Säften weit verbreitet, ja auch die Weinherstellung war stark verbreitet. Wurden zu Zeiten der Römer Weine durch körpereigenes, menschliches Gewicht ausgepresst, kamen später im Mittelalter auch Maschinen oder besser physikalisch wirkende Hilfsgeräte zum Einsatz. Den Vorgang des Pressens von Wein oder anderen Früchten bezeichnet man als Keltern, ursprünglich von dem lateinischen Wort calcatorium, was so viel wie „mit den Füssen treten“ bedeutet, abgeleitet. Schon früh fand man diverse Hilfsmittel zur Erhöhung des Pressdrucks durch mechanische Hebelkräfte, durch Zahnräder oder andere Antriebsverfahren, die Mensch- oder Tierkraft unterstützen sollten.
Calcatorium - Spindelpressen
Je nach Region werden unterschiedliche Begriffe für die Kelter verwendet, so hört man den mancherorts den Begriff Torkel oder Torggel, die von dem mittellateinischen Worten torcula oder torculum abgeleitet wurden. Über Jahrhunderte wurde die Maische, so nennt man die mit Fuß Kraft vorgepressten Früchte, in großen Bottichen mit Ablauf gestampft. Die Römer verwendeten bereits hölzerne Hebelpressen die als Kelterbäume oder Baumkelter bezeichnet wurden.
Diese Baumkelter wurden später auch von den Bauern nördlich der Alpen übernommen, was allein aufgrund der Bezeichnung der Einzelteile mit lateinischen Namen schon auf den römischen Ursprung verweist. Aus Zeichnungen und Abbildungen in mittelalterlichen Handschriften kann man erkennen, das sich die Kelterbäume bis in das 20. Jahrhundert kaum verändert haben. Bei entsprechender Größe der Kelterbäume konnten durchaus Pressdrücke erreicht werden, die man heute mit modernen Maschinen erreicht.
Die Länge des Hebels bestimmt den Pressdruck
Für den Einsatz des Kelterbaums waren immer mehrere Kelterknechte nötig, die zunächst den Kelterbaum öffneten, um den schweren Stein des Druckgewichts zu Boden zu senken. Daraufhin wurden die Trauben auf den Presstisch gefüllt und mit hölzernen Konstrukten abgedeckt, um den Pressdruck gleichmäßig zu verteilen. Schon mit dem Einfüllen der Trauben lief in der Regel bereits erster Saft vom Presstische ab, den man mit Vorlass bezeichnete und der dann später die beste Weinqualität lieferte. War der Vorlass abgelaufen, drehten die Kelterknechte den Stein am Ende des Kelterbaums noch oben, in dem sie das Gewinde der Spindel nach oben bewegten. Jetzt hing der Stein frei in der Luft und drückte damit den als Hebel wirkenden Kelterbaums nach unten. War der Saft erneut abgelaufen, wurde der Vorgang mit frischen Trauben wiederholt.
Der auf dem Presstisch verbliebene Traubenrest wird als Trester bezeichnet. Um ihn vom Presstisch zu entfernen, nutzte man in der Regel Äxte um damit den Trester zu zerteilen. Häufig wurde auch der Trester erneut aufgeschichtet und erneut gepresst um die Saftmenge zu erhöhen. Manchmal wurde dann auch noch Wasser über den Trester geschüttet und erneut gepresst. Dieser dann doch sehr wässrige Traubensaft wurde ebenfalls zu Wein vergoren, allerdings meist als Haustrunk verwendet.
Im Weinbau Museum Metzingen
In vielen mittelalterlichen Städten findet man sogenannte Kelterhäuser, die meist die größten historischen Gebäude eines Ortes waren, in dem man zum Schutz vor Witterungseinflüssen dann den oder die Kelterbäume aufstellte und einsetzte. Oft größer als Rathäuser oder Bürgerhäuser gab es ein gewisses Ordnungssystem von der Obrigkeit verordnet, an das sich die mit dem Keltern beschäftigten Leute strikt zu halten hatten. Die hohen Herren der Obrigkeit erhielten dann meist als Gegenleistung für den Erhalt der Kelter einen Teil des gepressten Safts.
Im Weinbaumuseum Metzingen steht nach wie vor eine große Gruppe dieser Kelterhäuser, die heute allerdings andersartig genutzt werden. Auch einen fast komplett erhaltenen Kelterbaum aus dem Jahr 1655 findet man hier. Heute wird allerdings nur noch in einer Kelter in Neuhausen nach dieser alten Methode gepresst.
Wesentlich weniger Platz benötigten die sogenannten Spindelpressen, die als erste mechanische Pressen gelten. Meist aus Holz bestehend findet man an gediegenen Orten nach wie vor auch einmal eine uralte Spindelpresse. Später wurden aus Gründen der Haltbarkeit auch oftmals metallische Werkstoffe mit eingesetzt.
Wir waren jedenfalls begeistert, dieses technische Meisterstück der Holzbaukunst hier vorzufinden. Und da auch das Essen noch herrlich schmeckte, war der Zwischenstopp in Abtswind als voller Erfolg zu beschreiben. Es gab hausgemachte Sülze und „Schäuferle“, dazu Knödel mit brauner Sauce. Einfach lecker.
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