Rotpunkt-Klettern in der Fränkischen Schweiz
- Geschrieben von Portal Editor
Während unserer Tour durch die Fränkische Schweiz befuhren wir im Wiesenttal die landschaftlich wunderschöne gelegene Landstraße in Richtung Ebermannstadt, die auch an einer steilen Fels Wand entlang führte.
Hier fielen uns einige Kletterer auf, die sich aufgrund ihrer bunten Kleidung deutlich von den grauen, verwitterten Felswänden abhoben. Kurz entschlossen war das Auto auf einem Parkplatz abgestellt und ein kleiner Spaziergang zur Kletterwand absolviert.
Seit uralten Zeiten gehört das Klettern zu den natürlich angewandten Fortbewegungsarten von Menschen. Mal wurden Felsen aus kulturellen Anlässen aufgrund religiöser Örtlichkeiten erklettert dann wieder aus rein praktischen Gründen um Ausschau nach Beute oder auch nach Feinden zu halten. Auf dem Rabenfels in der Fränkischen Schweiz wurden beispielsweise Tonscherben gefunden, die aus dem 8. bis 4. Jahrhundert vor Christus stammen und eindeutig belegen, dass der Rabenfels schon zu dieser Zeit erklettert wurde. Aus welchen Gründen dies geschah, ist allerdings bis heute unklar. Im Mittelalter nutzten die damaligen Bewohner der Fränkischen Schweiz die in exponierter Lage befindlichen Felsen als Spähwarte zum Schutz vor Feinden oder als Signaltürme zur Weiterleitung von Warnsignalen. Die Kletterei erhielt erstmals eine strategische Bedeutung, wobei, nach heutigen Standards gemessen, die Kletterer schon den dritten Schwierigkeitsgrad zu bewältigen hatten.
Beginn des Freikletterns am Falkenstein in der Sächsischen Schweiz
Erst im Jahr 1864 ist die Geburtsstunde des sportlich motivierten Kletterns zusehen, als Schandauer Turner die Besteigung des Falkensteins in der Sächsischen Schweiz absolvierten. Wenige Jahre später, um das Jahr 1890 herum, hatte sich das Freiklettern in der Fränkischen Schweiz als Freizeitsport etabliert. Die Kletterer versuchen dabei ohne die Verwendung technischer Hilfsmittel bei der Erkletterung der Felsen auszukommen. Von hier aus nahm das Freiklettern seinen Lauf, zunächst allerdings nur vereinzelt in der Region der Fränkischen Schweiz. In den 1950er Jahren prägte John Gill das Bouldern, machte es als eigenständige Disziplin populär, entwickelte zahlreiche neue Klettertechniken und führte Magnesia als Hilfsmittel ein.
Durch die steigende Leistungsorientierung entstand dann Ende der 1960er und Anfang 1970er auf Basis des sächsischen Freiklettergedankens insbesondere in den USA das Sportklettern. Seiner Zeit westdeutsche Kletterer lernten diese Art zu Klettern bei Besuchen im Yosemite Valley in den USA sowie im Elbsandsteingebirge kennen, importierten diese nach Westeuropa und entwickelten sie weiter. Seitdem wurden fast alle Varianten des Kletterns weltweit immer populärer, durch systematisches Training und zunehmende Professionalisierung kam es zu enormen Leistungssteigerungen. Auch im alpinen Bereich wurde der „Stil“ einer Begehung bzw. Besteigung immer wichtiger. Dies äußerte sich in dem Prinzip „By Fair Means“, bei dem im Rahmen von Berg- und Kletterexpeditionen auf nicht unbedingt benötigte Hilfsmittel sowie Träger verzichtet wird.
Heute ist die Fränkische Schweiz mit über 6.500 verschiedenen Routen eines der am besten erschlossenen Klettergebiete der Welt. Hier ist die Geburtsstunde des sogenannten Rotpunkt-Klettern von Kurt Albert im Jahr 1974/75 zu sehen, genauso wie auch der erste Haken zur Sicherung in der Fränkischen Schweiz einzementiert wurde. Die Struktur und Härte mit vielen Lochfelsen und Überhängen hat maßgeblich dazu beigetragen, das die Fränkische Schweiz heute als eines der wichtigsten außeralpinen Klettergebiete der Welt gilt.
Rotpunkt-Klettern
Der Begriff Rotpunkt bezeichnete ursprünglich das freie Durchsteigen einer dem Kletterer bekannten Kletterroute im Vorstieg in einem Zug, wobei die Sicherungskette nicht belastet wird und alle Zwischensicherungen selbst angebracht werden. Heute werden Durchstiege von Kletterern als Rotpunkt bezeichnet, wenn die Zwischensicherungen bereits eingehängt sind, teilweise sogar das Seil in eine oder mehrere Express-Schlingen geklippt ist. Dies entspricht nicht der ursprünglichen Definition, scheint aber in der Szene und Fachpresse anerkannt zu werden.
Wichtig ist hierbei vor allem das Nicht-Belasten der Sicherungskette, das heißt, die Route muss ohne Sturz, Ausruhen im Seil oder Hochziehen an Haken in einem Zug durchstiegen werden. Das Anbringen von Zwischensicherungen kann je nach Route unterschiedlich schwierig ausfallen: bei Routen, die komplett mit Bohrhaken bestückt sind, sind lediglich Expressschlingen anzubringen, während bei Routen, die teilweise oder ganz selbst abgesichert werden müssen, auch das Legen von Klemmkeilen und anderen mobilen Sicherungsmitteln nötig ist. Der Kletterer darf vor der Rotpunkt-Begehung beliebig oft in der Route klettern. Eine Route mit mehreren Seillängen gilt nur dann für einen Kletterer als Rotpunkt geklettert, wenn er alle Seillängen vorgestiegen ist. Wollen in einer Mehrseillängenroute beide Kletterer einer Seilschaft die Route Rotpunkt begehen, so müssen sie die Route zweimal durchsteigen, wobei jeder Kletterer jede Seillänge einmal vorsteigen muss.
Als Erstbegeher einer Freikletter-Route gilt, wer diese als erster Rotpunkt durchsteigt. Ebenso bezieht sich die Schwierigkeitsbewertung einer Route auf den Rotpunkt-Stil.
Wie schon erwähnt wurde der Begriff Rotpunkt durch Kurt Albert geprägt, der alte Routen, die bis dahin nur technisch geklettert worden waren, mit einem roten Punkt am Einstieg kennzeichnete, wenn ihm eine freie Begehung gelungen war. Die Idee des Freikletterns schaute sich Kurt Albert 1974 bei einem Besuch im Elbsandsteingebirge der dortigen Kletterszene ab. Auch in den USA wurde in diesem Stil geklettert, den der Deutschamerikaner Fritz Wiessner vor dem 2. Weltkrieg aus Sachsen in die USA mitgebracht hatte. Kurt Alberts Meinung nach ist das Legen der Sicherung (Expresse bzw. Klemmkeile etc.) nicht notwendig für eine Rotpunktbegehung, da dies nur den Kletterfluss hemmt. Insbesondere Routen der oberen Grade werden immer mit eingehängten Expressen „gerotpunktet“.
Zurück zur Fränkischen Schweiz
Aufgrund des festen, griffigen Gesteins kann man schon in Routen des III. Grades in senkrechten und überhängenden Wänden klettern. Routen, die Kletterer aus aller Welt in „Die Fränkische“ pilgern lassen, heißen zum Beispiel Sautanz, Magnet, Stonelove, Wallstreet, Action Directe …, alle stehen stellvertretend für eine Epoche der „Rotpunkt-Bewegung“, die hier entstand und ein wahres Kletterfieber auslöste. Die bedeutensten Klettergebiete in der Fränkischen Schweiz sind das Trubachtal, das Walberla, das Wiesenttal, das Leinleitertal, das Püttlachtal, das Aufseßtal und einige weitere Täler. Die „Action Directe“, von Wolfgang Güllich erstbegangen, galt lange Zeit als die schwerste Freikletterroute der Welt. Allerdings befindet sich diese Route eigentlich in der direkt angrenzenden Hersbrucker Alb. Heute gibt es im deutschsprachigen Raum mehr als 400.000 aktive Kletterer. Einige davon haben wir aktiv tätig in der Fränkischen Schweiz angetroffen.
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Reiseführer Fränkische Schweiz – Bamberg, Bayreuth
Als die erste Auflage des heutigen Standardwerks zur Fränkischen Schweiz herauskam, löste das Buch einen kleinen Skandal aus. 1984 wollte man noch nichts von allzu kritischen Reiseführern wissen …
Mehr als drei Jahrzehnte später ist der damals erste Individualreiseführer über eine deutsche Region genau das geblieben, was er schon immer war: ein guter Freund in der Tasche. Mit dem Unterschied, dass Michael Müller und Hans-Peter Siebenhaar heute »wesentlich mehr zu loben« haben (O-Ton der Autoren). Denn: Die Fränkische Schweiz hat sich geöffnet und ist regional-liberaler geworden.
Hans-Peter Siebenhaar, Michael Müller Verlag, 312 Seiten, farbig, 133 Fotos, herausnehmbare Karte (1:130.000), 22 Detailkarten, ISBN 978-3-96685-, 13. Auflage 2021079-7, Buch: 17,90 EUR