Wasserschloss Gödens und Siedlerdorf Neustadtgödens
Einmal mehr waren wir im Norden Deutschlands unterwegs, da das seit Jahren bekannte Stadtfest in Oldenburg zum Besuch und Bericht eingeladen hatte, einem Wunsch, dem wir später gern noch nachkommen.
Wir wollten die Zeit im Norden aber auch dazu nutzen, einige weitere Ziele zu besuchen, die wir bislang nicht umsetzen konnten. Dazu sollte das Wasserschloss in Gödens genau so gehören wie auch der Ort Neustadtgödens, der einst zum schönsten Dorf Niedersachsens gekürt wurde.
Wir befuhren die BAB 29 bis zur Abfahrt Sande / Neustadtgödens, wo wir auf die Landstrasse 436 in Richtung Friedeburg abbogen. An der linken Seite liegt unmittelbar nach dem Verlassen der Autobahn der Ort Neustadtgödens, den wir allerdings zunächst nur passierten, da das Schloss Gödens unser erstes Tagesziel war. Wenig später galt es nach rechts auf die Kreisstraße 96 in Richtung Dykhausen abzubiegen, die am Schlossgarten entlang verläuft. Nach dem Abstellen des Fahrzeugs passierten wir zunächst die Baumallee, die am äußeren Wassergraben der Wasserschlossanlage entlang verläuft. Hier gab es bereits erste Fotomotive, da sich sowohl das Eingangstor als auch die hohen Bäume herrlich im Wasser des Grabens spiegelten.
Den großen Schlossgarten betreten wir durch das imposante Eingangstor, das neben den Wappen der hochherrschaftlichen Bewohner auch einige Inschriften aus dem Jahr 1653 aufweist. Aus der Recherche wissen wir, das es bereits zu dieser Zeit Vorgängerbauten des heutigen Schlosses gegeben haben muss, die allerdings während eines großen Feuers im Jahr 1669 abgebrannt sind. Der Adlige Harro Burchard von Frydag lies dann 1671 das Wasserschloss in seiner heutigen Form errichten. Durch Heirat gelangte dann das Schloss Gödens im Jahr 1746 in den Besitz der Familie von Wedel.
Das Geschlecht von Wedel erscheint urkundlich erstmals mit Heinricus, Hasso und Reimbernus de Wedele im Jahr 1212 und führt seine Abstammung auf den Klostervogt Heinrich, Vogt des Klosters „Novum Monasterium“ (Neumünster), zurück, der am 13. September 1149 zu Ottenbüttel (Kreis Steinburg, Schleswig-Holstein) erwähnt wird. Im Dezember 1302 beurkunden die Brüder Heinrich, Johannes und Reinbert, dass ihr Oheim Reinhard der Ältere in ihrer Gegenwart und mit ihrer Zustimmung das Dorf Spitzerdorf an das Hamburger Domkapitel verkauft. Auch tauchen 1212 drei Brüder des Geschlechts als Zeugen in einer Urkunde von Heinrich von Barmstede auf. Ein Mitglied der Familie wird als Rädelsführer nach der zweiten Schlacht bei Uetersen im Jahr 1306 gefangen genommen und öffentlich gerädert und gevierteilt. Die Familie ist seit 1240 in Pommern Schloss gesessen und besteht in drei Stämmen. Im Jahr 1328 soll Kaiser Ludwig den Herren von Wedel die Städte bzw. Schlösser Küstrin, Falkenburg, Schievelbein, Neu-Wedel, Kallies, Reetz, Nörenberg, Hochzeit, Klein-Mellen und Berneuchen zu Lehen gegeben haben. Im Zeitraum 1444–1445 war Hans von Wedel diplomatischer Unterhändler zwischen dem Deutschen Orden und dem Königreich Polen.
Ein Zweig der Familie war seit dem frühen 18. Jahrhundert in Ostfriesland ansässig. Der Familie von Wedel gehörte die Herrlichkeit Loga, heute ein Stadtteil von Leer. Dort ließen sie unter anderem die Evenburg um- und die Philippsburg erbauen. Diese gräfliche Linie (Gödens-Evenburg) hatte seit dem 5. Dezember 1867 bis zur Revolution 1918 einen erblichen Sitz im preußischen Herrenhaus. 78 Familienmitglieder traten im Dritten Reich der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bei, davon 35 bereits vor der Machtergreifung (entnommen Wikipedia).
Das Schloss selbst präsentiert sich als in dieser Landschaft typisch zu bezeichnender Klinkerbau im Stil der holländischen Renaissance, das komplett von einem zweiten, inneren Wassergraben umgeben ist. Es gibt lediglich einen kleinen Vorhof vor dem Haupteingang sowie eine kleine Gartenanlage auf der Gebäuderückseite. Über dem Eingangsbereich rechts neben dem Turm sind Wappen und andere Ornamente zu sehen. Da das Schloss nach wie vor von einem Mitglied der Familie von Wedel bewohnt wird, sind nur einige wenige Räume und die auch nur bei öffentlichen Veranstaltungen zu besichtigen. Der wohl bekannteste Raum ist der so genannte Prunksaal mit seinen Darstellungen aus der griechischen Mythologie. Das Schloss wird heute von der Stiftung Kulturerbe Schloss Gödens verwaltet, es steht unter Denkmalschutz.
Wie schon erwähnt ist es aber auch der Schlosspark, der frei zugänglich, mit imposantem Baumbestand, einer prächtigen Allee aus Lindenbäumen, die einen fast geschlossenen Tunnel bilden und so ein wechselhaftes Lichtspiel durch die Blätter des grünen Daches, bieten. Verschiedene Plastiken runden das Bild des Parks ab, durch den es einen großen Rundweg zu absolvieren gilt.
In direktem Bezug zum Schloss Gödens steht, nicht nur in der Namensgebung, auch der Ort Neustadtgödens. Als es im Jahr 1511 zu einer der größten Sturmfluten seit Aufzeichnung dieser Naturkatastrophen gekommen war, bei der nicht nur Tausende von Menschen ihr Leben verloren sondern auch große Landmassen im Jadebusen verloren gingen, begann man mit dem Bau von Eindeichungen. Die Antoniusflut des Jahres 1511 hatte für die größte Ausdehnung des Jadebusens gesorgt, deren Pegelstand wurden vielerorts vermerkt, u.a. in Dangast am Hafen.
Zu dieser Zeit bestimmten die hohen Grafen- und Fürstenhäuser über Gedeih und Verderb von Land und Leuten. So auch in der Herrlichkeit Gödens. Eindeichungsmaßnahmen waren also nicht allein zum Schutz der Menschen gedacht, sondern auch gleichzeitig zum Erhalt des eigenen Wohlstands und der Wirtschaft in der Umgebung. Die damaligen Besitzer der Herrlichkeit Gödens, die bereits erwähnte Familie von Frydag, ließen im Zuge der Eindeichungsmaßnahmen auch ein Siel errichten, das sich zur Keimzelle des späteren Ortes Neustadtgödens entwickeln sollte. Die Familie von Frydag war aufgrund ihrer religösen Toleranz weit über die Landesgrenzen bekannt und konnte auf diesem Weg dazu beitragen, das sich zunächst mennonitische Glaubensflüchtlinge, die teilweise auch gezielt als Fachkräfte angeworben wurden, in Neustadtgödens niederließen. Schnell wuchs die Gemeinde an und der Hafen trug wesentlich zum wirtschaftlichen Wachstum mit guten Handelsverbindungen bei.
Als im Jahr 1595 der Ellenser Damm durch Graf Johann VII. von Oldenburg gebaut wurde, war Neustadtgödens als Sielort vom Meer abgeschnitten. Zunächst kamen Handel und Schifffahrt fast zum erliegen. Erst vor dem Reichskammergericht konnte in Verhandlungen einige Vergünstigungen für die zukünftige Entwicklung des Ortes erreicht werden. Vom reinen Seehandel wandelte sich das Bild des Ortes mehr und mehr in Richtung Weberei und dem damit verbundenem Handel zu. Hierzu wurden auch riesige Bleichwiesen benötigt, die es vor den Toren des Ortes gab, um die gewebten Stoffe zu bleichen. Um 1670 gab es 66 Weber in Neustadtgödens, um 1749 den Nachweis eines hauptberuflichen Bleichers.
Hinter den Häusern der Kirch- und Staustrasse erstreckten sich die gewerblichen Bleichen für die Weber. Auf den herrschaftlichen Flächen war ausreichend sonniger Platz, um die Leinwandbahnen zu spannen und von der Sonne bleichen zu lassen. Wassergräben durchzogen die Flächen, um das Leinen nass zu halten.
Im 17ten Jahrhundert war Neustadtgödens zu einer erfolgreichen Handwerkerstadt erblüht. In fast jedem Haus befanden sich Werkstätten. Vielfach waren es Mennoniten, die sich besonders auf die Herstellung von gemusterten Servietten und Tischdecken sowie feiner Bettwäsche spezialisiert hatten. Das Bleichen übertrug man im 18ten Jahrhundert einem hauptamtlichen Bleicher, der außerdem das Leinen bewachte und vor Diebstahl schützte. Zur Pflege der Bleichflächen zahlte jeder Bürger eine Steuer, das so genannte Bleichgeld. Gegen Ende des 18ten Jahrhunderts zeichnete sich der Niedergang der Weberei auch am langsamen Verfall der Bleiche ab. Bis in das 20te Jahrhundert hinein wurde der Platz als Weide- und Heuland verpachtet, bevor er an die Anlieger (im Jahr 1950) verkauft und in Obstgärten umgewandelt wurde.
Von den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges blieb Neustadtgödens durch die Zahlung von Ausgleichszahlungen an den Grafen Peter Ernst II. von Mansfeld, der im restlichen Ostfriesland regelrecht wütete, weitestgehend verschont. Mit der Heirat Franz Ico von Frydag zu Gödens und der katholischen Margarethe Elisabeth von Westerholt begann eine Zeit ungewöhnlicher religiöser Toleranz. Franz Ico gestattete seiner Frau, ihren katholischen Glauben im Schloss Gödens auszuüben. In der Folgezeit zogen Bewohner anderer Konfessionen in den Ort, so dass innerhalb von nur fünfzig Jahren fünf Gotteshäuser in dem Ort entstanden, der um diese Zeit etwa 700 bis 800 Einwohner hatte. Neben den Mennoniten lebten hier Menschen lutherischen, reformierten, katholischen und jüdischen Glaubens.
Den Lutheranern erlaubte das Grafenhaus als erster Glaubensgemeinschaft in Neustadtgödens den Bau einer eigenen Kirche. Bis dahin war die reformierte Kirche in Dykhausen das einzige Gotteshaus in der Herrlichkeit Gödens. Heftige Proteste der reformierten Gemeinde begleiteten 1695 den Bau der Kirche. Graf Burchard Philipp von Frydag erließ 1708 als Patronatsherr eine eigene Kirchenordnung. Zur ersten Inneneinrichtung gehörten ein Taufbecken, Lesepult und Kanzel. Bis 1968 befand sich im vordersten Bereich des Kirchenschiffes den Grafenstuhl für den Gödenser Herrlichkeitsbesitzer. Das Wappen der Herren von Wedel in der ersten Reihe ein letztes Zeugnis. 1714 wurde ein Turm an das Kirchenschiff zugefügt. Er war zunächst nicht vorgesehen und ragt daher weit in die Straße hinein. Ursprünglich benutzte nur der Pastor das Eingangsportal mit dem gräflichen Wappen, während die Gemeinde durch die Südtür eintrat, die im Zuge des großen Umbaus von 1906 zugemauert wurde. Die musikalische Begleitung durch einen Vorsinger löste 1741 eine Orgel ab. Im selben Jahr entstand neben der Kirche die lutherische Schule, die 1876 zur Gemeindeschule wurde. Der angrenzende alte Friedhof wurde bis zur Einrichtung des Friedhofs am Ortsrand (1906) genutzt.
Um 1640 hatten sich bereits erste Juden in Neustadtgödens niedergelassen, um 1752 gibt es erstmals die Erwähnung eines Synagogenbaus im Ort. 1852 wurde das noch heute bestehende Synagogengebäude errichtet. Die Ostseite mit dem Thoraschrein wurde als repräsentative Schauseite gestaltet, mit einer hebräischen Inschrift im Giebelfenster und dem Davidstern auf dem Giebel. Die Männer betraten die Synagoge über die Rückseite, die Frauen gelangten über eine Tür an der Südseite zur Frauenempore. 1812 kaufte die jüdische Gemeinde ein Wohnhaus neben der Synagoge. Das alte Gebäude wurde abgerissen und in dem Neubau wurde eine eigene Schule eingerichtet. 1903 zog die Schule in ein gegenüberliegendes Gebäude um. Dort wurde bis 1922 unterrichtet. 1936 wurde in der Synagoge zum letzten Mal ein Gottesdienst abgehalten. Ein Privatmann erwarb das Gotteshaus und nutzte es zur Lagerung von Farben und Lacken. Diesem Umstand ist es vermutlich zu verdanken, das die Synagoge in der Reichspogromnacht kein Opfer der Flammen wurde. Viele hier ansässige Juden überlebten die NS-Gewaltherrschaft nicht. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Synagoge als Wohn- und später als Feuerwehrhaus umgebaut. Von 1986 - 88 wurde die Synagoge umgebaut und restauriert, diente zunächst als Sitz einer Galerie und heute als Ferienhaus.
Direkt am Siel befindet sich das historische Waagehaus. Es diente zum Wiegen sämtlicher am Sielhafen gehandelter Waren, um so die Abgaben an die regierende Familie von Gödens festzusetzen. Die Abgaben waren für die Herren von Gödens eine wichtige Einnahmequelle. Am Waagehaus befindet sich heute das Familienwappen von Franz Ico von Frydag.
In unmittelbarer Nähe der historischen Ortschaft steht das Landrichterhaus. Von Beginn des 17. Jahrhunderts bis 1743 unterhielt hier die Herrlichkeit Gödens ein eigenes Landgericht. Seit 1986 ist in dem historischen Gebäude ein Museum untergebracht, das eine Ausstellung zur Geschichte von Neustadtgödens zeigt.
Am Rande des Ortes befinden sich zwei holländische Windmühlen. Die Oberahmer Peldemühle wurde als zweistöckiger Galerieholländer 1764 auf dem Gebiet Jeverlands gebaut. Mit dem Bau reagierte der Graf von Gödens auf ein preußisches Mahledikt, das die Rechte der Herrlichkeiten an ihren Mühlen beschnitt. Die Wedelfelder Wasserschöpfmühle wurde 1844 als eine der letzten dieser Mühlen in Ostfriesland errichtet und diente der Entwässerung des teilweise unter dem Meeresspiegels liegenden Schwarzen Bracks.
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♁53° 29′ 7,1″ N, 7° 57′ 53,2″ O
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