Marktkirche St. Cosmas und Damian in Goslar

Marktkirche St. Cosmas und Damian in Goslar

Unser erster Stadtrundgang in Goslar nahm an der Marktkirche St. Cosmas und Damian zunächst ein überraschendes Ende, denn kaum hatten wir die 226 Stufen bis zur Aussichtsplattform erstiegen, sorgten die Glocken für einen mehr als heftigen Schrecken: ohrenbetäubender Lärm, wenn man direkt darunter steht!

Aufstieg auf den Nordturm der Marktkirche

marktkirche goslar 1Wir hatten die Räder nach unserer Ankunft in der Altstadt gut verschlossen und passierten staunend die ersten Gebäude, als unser Weg fast automatisch zur Marktkirche führte, noch dazu war der Nordturm geöffnet und lud somit zum Aufstieg ein. Eine Chance, die wir uns nicht entgehen lassen wollten. Die Marktkirche St. Cosmas und Damian ist das imposanteste evangelisch-lutherische Kirchengebäude im Zentrum der Altstadt von Goslar und wird erstmals im Jahre 1151 urkundlich erwähnt. Die Marktkirche ist die Rats- und Hauptpfarrkirche der Stadt und ist benannt nach den Heiligen Cosmas und Damian („ecclesia forensis“). Die Ursprünge des heutigen Kirchenbaus reichen in das 11. Jahrhundert zurück, wo bereits ein Vorgängerbau bestanden haben muss. Dieser war dem Hl. Nikolaus von Myra geweiht; es handelte sich dabei wohl um eine romanische, dreischiffige Pfeilerbasilika mit Querschiff und Vierung.

marktkirche goslar 8Schnell waren Tickets gelöst und der Aufstieg über hölzerne Treppenanlagen konnte beginnen. Als Person vom Fach war es einmal mehr interessant die Treppenbaukunst der Vergangenheit zu bewundern, wenn auch die Abstützpunkte manchmal sehr gewagt erschienen und nicht mehr dem baulichen Standards von heute entsprachen. Material und Auflagepunkte schienen uns aber eines besseren zu belehren, denn wir kamen heil oben an, man beachte die beigefügten Bilder.

Türmerstube auf dem Weg nach oben

marktkirche goslar 4Von dieser eigentlich romanischen Kirche stammt wahrscheinlich der heutige Westriegel der Marktkirche, der mit seinen beiden Türmen gewissermaßen wie eine Burg aufragt. Die beiden Türme sind nahezu gleich hoch (Nordturm: 66 m, Südturm 65,4 m). Der Nordturm in seiner heutigen Gestalt wurde 1593 nach einem Brand (1589) als eine „offene Laterne“ mit einer welschen Haube errichtet, womit sich eine hervorragende Rundumsicht über Goslar ergibt. Im Nordturm befindet sich auch die Türmerstube, die Unterkunft für die im Mittelalter übliche Feuerwache. In der Nacht vom 14. zum 15. Juli 1844 fielen das Kirchendach und beide Türme einem Großbrand zum Opfer, ebenso die Glocken. Nach erfolgtem Wiederaufbau konnte die Kirche 1849 erneut eingeweiht werden.

Glockenstube und offene Laterne ganz oben

marktkirche goslar 5Im Mittelteil des Westriegels befindet sich die Glockenstube.

Dort hängen drei Glocken aus dem Jahre 1848. Die größte mit dem Namen Johanna wiegt 6,8 Tonnen, hat einen Durchmesser von 2,21 m und ist eine der größten Glocken Niedersachsens.

Die zweite Glocke hat den Namen Christina, die dritte den Namen Paulina. In der offenen Laterne des Nordturms hingen bis 2016 je eine eiserne Stunden- und eine Viertelstundenglocke.

Inzwischen wurden sie durch eine historische Bronzeglocke (Stunde) und einen Bronzeneuguß (Viertelstunde) ersetzt, womit auch unser Schrecken begann.

Zwar wird man schon beim Einstieg in das Treppenhaus deutlich gewarnt, aber wenn es dann losgeht, genügt schon der Viertelstundenschlag zum Erschrecken.

Marktkirchenbibliothek an der Nordseite

marktkirche goslar 6In einem 1535 fertiggestellten zweigeschossigen Anbau an der Nordseite des Chores befindet sich ebenerdig die Sakristei und in der ersten Etage ein Raum, in dem bis 1841 bzw. 1844 und dann wieder zwischen 1905 bis 1969 die Bücher der Marktkirchenbibliothek aufbewahrt wurden.

Die Anfänge der Marktkirchenbibliothek lassen sich nicht genau datieren, liegen aber vor 1530. Die Bibliothek besitzt heute etwa 4.000 Werke mit einem Schwerpunkt auf theologischer Literatur sowie ein 1.200 Exemplare umfassendes Gesangbucharchiv.[10] Bemerkenswert ist die Büchersammlung einerseits durch ihren reichhaltigen Bestand an Reformationsschriften, die als Schenkung des Halberstädter Klerikers Andreas Gronewalt um 1535 nach Goslar kamen, und andererseits durch ihren 115 Bände umfassenden Inkunabel bestand.

marktkirche goslar 3Eine 1559 vorgenommene Verzeichnung der Bestände der Marktkirchenbibliothek erfasste 282 Bände.

Ein Großteil, geschätzt 216, stammten aus dem Besitz Gronewalts.

31 Bände hatten eine Goslarer Provenienz und kamen aus aufgelösten Klöstern oder waren Geschenke Goslarer Bürger. Da viele schmale Einzelwerke in Sammelbänden zusammengebunden waren, war ein Mehrfaches an Titeln vorhanden.

Im Laufe der Jahrhunderte sind Bände abhandengekommen. Heute ist der Verbleib von 52 Bänden, die 1559 vorhanden waren, unbekannt.

Gleichzeitig wurden aber im Laufe der Jahrhunderte auch immer wieder Bücher erworben oder geschenkt, so 1936 die rund 1000 Bände umfassende Sammlung Both.

marktkirche goslar 7Das 1896 durch den Goslarer Gymnasialprofessor Uvo Hölscher veröffentlichte Verzeichnis der lateinischen Werke der Bibliothek liegt gedruckt vor, ebenfalls der erste vollständige Katalog der Bibliothek von 1911. Er enthält 1479 Titel sowie Teile der Gesangbuchsammlung. Im Zuge der Beschreibung der historischen Buchbestände in deutschen Bibliotheken wurde auch die Marktkirchenbibliothek beschrieben.

Aufbewahrt wurde die Bibliothek bis 1841 oder 1844 und dann wieder zwischen 1905 bis 1969 in einem 1535 fertiggestellten zweigeschossigen Anbau an der Nordseite des Chores der Marktkirche, in dem sich ebenerdig die Sakristei und in der ersten Etage ein geschützter, trockener Raum für die Bücher der Marktkirchenbibliothek befindet. Ab 1969 standen die Bände unter konservatorisch ungünstigen Bedingungen im Gemeindehof 8. Seit Dezember 2021 befindet sich der historisch wertvollste Teil in einem Schauraum im Goslarer Kulturmarktplatz.

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