Greetsiel – Zwillingsmühlen und traditionelle Fischkutter
- Geschrieben von Portal Editor
Nach unserem Zwischenstopp in Suurhusen sind es bis in das Stadtzentrum von Emden lediglich noch 6 Kilometer. Schnell sind wir an der Wohnung von Laura angelangt, die uns bereits mit einem Kaffee erwartet.
Sie schlägt aufgrund des herrlichen Wetters einen Tagesausflug nach Greetsiel vor und hat für ein Picknick am Deich einige Vorbereitungen getroffen. So sind wir nach ersten Gesprächen über ihr Studium und das Leben in Emden schnell wieder am Auto und fahren über Pewsum zum alten Fischereihafen von Greetsiel, der nur 18 Kilometer vom Stadtzentrum Emden entfernt liegt.
Wie eine Zunge sich ins Wattenmeer erstreckend
Greetsiel war ursprünglich eines von einer Vielzahl von Fischerdörfern direkt an der Leybucht an der ostfriesischen Westküste. Im Zuge von Küstenschutzmaßnahmen und Eindeichungen zur Landgewinnung verschwanden die Häfen der anderen Fischerdörfer, so das Greetsiel heute der einzig verbliebene Hafen an der Leybucht ist. Noch in den 80er Jahren war der Hafen tidenabhängig, vergleichbar zu Dangast am Jadebusen, so das die Fischer mit ihren Fischkuttern nur bei Hochwasser den Hafen verlassen konnten. Als in den 90er Jahren das Leybuchthörn mit seiner Schleuse, wie eine Zunge sich ins Wattenmeer erstreckend, fertiggestellt war, ergab sich innerhalb der Eindeichung ein riesiges Speicherbecken, so das heute der Hafen tidenunabhängig ist und lediglich die Schleuse zum offenen Meer hin passiert werden muss.
Vor Anker gehende Schiffe aus Hamburg
Der erste Rundgang durch das Dorf vermittelt bereits den Eindruck einer weit zurückreichenden Vergangenheit, die bei näherer Betrachtung etwa 650 Jahre umfasst und letztendlich auf das Häuptlingsgeschlecht der Familie Cirksena zurück geht, die von 1464 bis 1744 die Grafen und Fürsten Ostfrieslands stellten. Doch bereits 1388 wird Greetsiel erstmals urkundlich erwähnt, so weiß man auch, das hier vor Anker gehende Schiffe aus Hamburg ihren Zoll hier zu entrichten hatten. Mit der Geburt des Grafen Edzard des Großen im Jahr 1462 auf der Cirksena Burg war ein Herrscher geboren worden, der während seiner Regentschaft Ostfriesland von Groningen bis an die Weser ausdehnen konnte. Kein Wunder also, das auf alten niederländischen Karten auch Greetsiel als „Grietjezijl“ aufgeführt wird.
27 Krabbenkutter in Holzbauweise
Uns zieht es jetzt zunächst zum Hafenbecken, da sich ein gewisses Hungergefühl eingestellt hat. Die Bänke auf dem Deich sind alle von Besuchern besetzt, so zieht es uns direkt an den Hafenrand vor das Fährgastschiff, das gerade zu einer Rundfahrt ablegt und uns damit freie Sicht auf den Hafen erlaubt. Unser letzter Besuch vor etwa 20 Jahren zeigte noch den tidenabhängigen Hafen, wo die Kutter auf dem schlickigen Grund festlagen, wenn denn Ebbe war. Jetzt lagen sie hübsch miteinander vertäut am Hafenrand und boten ein grandioses Bild. Wo sonst gibt es noch 27 Krabbenkutter in Holzbauweise, die fast wie gemalt sich ruhig im Hafenwasser auf und ab bewegen. Und das Ganze vor der wohl mit Einmalig zu bezeichnenden Häuserfront der alten Fischerhäuser oberhalb des Hafenbeckens. Auch das Sonnenlicht und die weißen, vorüberziehenden Wolken trugen ihren Teil zur Romantik bei. Uns mundete dabei das von Laura vorbereitete Picknick in frischer Luft und vor herrlicher Kulisse.
Alte Bäckerei der Familie Poppinga
Nach einiger Zeit setzten wir unseren Rundgang fort, denn es sollte weitere Highlights geben, unter anderem die evangelisch reformierte Kirche in Form einer Backstein Saalkirche, die zwischen 1380 und 1410 mit gotischen Spitzbogenfenstern ausgestattet wurde und vom Häuptling Haro Edzardna als Eigenkirche genutzt wurde. Am Ende der Hohen Straße stoßen wir auf den ehemaligen Stammsitz der Familie Cirksena, die das Backsteinhaus gegen 1600 auf die Fundamente des aus dem Jahr 1390 erbauten Vorgängerhauses setzten. Heute wurde der ursprüngliche Saal im Zuge von abgeschlossenen Renovierungsarbeiten wieder hergestellt. Besonders fotogen sind natürlich die Häuser an der Sielstraße, insbesondere die Giebel der Häuser Nummer 11 und Nummer 15, die nach niederländischen Vorbildern bereits in den Jahren 1741 und 1792 gestaltet und erbaut worden sind. Auch die etwas näher zum Ortskern hin liegende Alte Bäckerei der Familie Poppinga, die mittlerweile als Museum, Café und Galerie genutzt wird, ist einen Besuch wert. Neben der alten Ladeneinrichtung sind es gerade die vielen Ausstattungsdetails, die dem Betrachter ins Auge fallen. Für Regentage bietet sich der Besuch des Buddelschiffmuseums geradezu an. Allerdings sind die mehr als 800 verschiedenen Buddelschiffe auch bei schönem Wetter ein echtes Juwel, denn es ist die wohl größte Sammlung in Deutschland.
Mehrtägige Wandertouren auf den Kanälen
Unser Rundgang führt uns dann weiter am alten Siel entlang, das von den Einheimischen mit Greetsieler Sieltief bezeichnet wird und den Ort mit dem ostfriesischen Binnenwasserstraßennetz verbindet, so das man noch heute mit kleinen Booten über Eilsum, Grimersum, Wirdum und Loppersum zum Knockster Tief und damit auch nach Emden gelangen kann. Mittlerweile sind die Verbindungen auf den ostfriesischen Wasserstraßen zu einer echten Touristenattraktion geworden, die gern von Kanuten und Booten genutzt wird, auch zu mehrtägigen Wandertouren auf den Kanälen. Etwas weiter am Hauptsiel entlang gelangt man zu den wohl bekanntesten Sehenswürdigkeiten Greetsiels, den sogenannten Zwillingsmühlen.
Die beiden Windmühlen vom Typ „Holländer“ sind die Attraktion in Greetsiel schlechthin, stammen doch beide Mühlen noch aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Beide Mühlen dienen heute als Café, bzw. als Museum, denn auch Ausstellungen werden hier durchgeführt. Die ältere der beiden Windmühlen aus dem Jahr 1706, die mit roter Mühle bezeichnet wird, musste im Jahr 1921 erneuert werden. Glück im Unglück war, das aus dem Abriss der Auricher Wallmühle von 1750 noch viele Teile vorhanden waren, so das man fast ausschließlich mit Originalteilen arbeiten konnte.
Picknick direkt am Hafen
Heute zieht es jährlich mehr als 1.000.000 Besucher nach Greetsiel, denn der Sielort ist zu einer wirklichen Attraktion geworden, was auch mit dem Naturschutzgebiet Leyhörn als Teil des Vogelschutzgebietes Krummhörn zu tun hat. Neben ausgedehnten Wasser- und Schlickflächen gibt es große Röhricht Gebiete, Hochstaudenfluren und Grünlandbereiche, die an den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer angrenzen.
Wir haben diesen Kurzausflug nach Greetsiel mit unserem Picknick direkt am Hafen sehr genossen und fahren gegen Abend nach Emden zurück, da sich auch noch ein kurzer Stadtbummel anschließen soll.
Koordinaten: 53° 30′ N, 7° 6′ O Koordinaten: 53° 30′ 4″ N, 7° 5′ 30″ O
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Dieter Katz - Michael Müller Verlag, 300 Seiten, farbig, 170 Fotos, 35 Detailkarten ISBN 978-3-96685-048-3, 6. Auflage 2022, Buch: 18,90 EUR