Die Lessingstadt Kamenz in der Sorbenregion Lausitz
- Geschrieben von Portal Editor
Einer Einladung von Claudia und Heinrich folgend, waren wir in die uns bislang völlig unbekannte Stadt Kamenz gefahren, wo uns bereits am Ortseingang eine erste Überraschung erwartete.
Auf dem Ortseingangsschild gab es neben der Ortsbezeichnung Kamenz auch das obersorbische Wort Kamjenc vermerkt, was in der Übersetzung in etwa "kleiner Ort am Stein" bedeutet. Dies war für uns das erste Anzeichen einer außergewöhnlich geprägten Region, die es nun kennen zu lernen galt.
Via Regia über die Schwarze Elster
Kamenz ist heute große Kreisstadt im Landkreis Bautzen in Sachsen, etwa 40 Kilometer nordöstlich von Dresden entfernt. Dort, wo sich heute der Altstadtkern befindet, gab es gegen Ende des 12. Jahrhunderts eine Burg, die zur Sicherung des Flussübergangs der Via Regia über die Schwarze Elster erbaut worden war. Falsch liegt, wer nun denkt, die Via Regia sei eine der Römischen Straßen, die wir im Rahmen unseres Projekts anfahren. Richtig liegt, wer an eine Handelsroute denkt, die dem etwa gleichaltrigem Römischen Straßensystem vergleichbar war, denn als bedeutender überregionaler Handelsweg reichte die Via Regia von Belgien und Spanien bis nach Russland hinein.
Noch heute sind Teile der Via Regia auch in den Jakobs Weg eingebunden, so dass interkultureller Austausch entlang dieser Strecke nach wie vor stattfindet und somit für Völkerverständigung, Integration und Toleranz von großer Bedeutung ist, damit natürlich auch für uns. Nur wenig später sollten wir lernen, das allerdings auch hier, fern des Römischen Straßensystems, die Römer durchaus ihre Spuren hinterlassen haben. Aber dazu später mehr.
Landstädtchen Wittichenau und das Kloster St. Marienstern
Im Jahr 1225 wurde die Stadt erstmals urkundlich erwähnt, seit 1319 war Kamenz bis auf kurze Unterbrechungen eine freie Stadt. 1346 wurde zur Stärkung der eigenen Handelspositionen der regionale Oberlausitzer Sechsstädtebund gegründet, dessen westlichste Mitgliedsstadt Kamenz wurde. Ab dem 6. Oktober 1429 wurde Kamenz für mehrere Tage von den Hussiten belagert und anschließend eingenommen. Die historischen Aufzeichnungen zeugen davon, dass sich die meisten Bewohner zuvor durch Flucht retten konnten und in Dresden Aufnahme fanden. Die gefürchteten böhmischen „Gottesstreiter“ suchten auch die nähere Umgebung auf und verwüsteten das offene Landstädtchen Wittichenau und das Kloster St. Marienstern. Danach zogen sie gegen Bautzen.
In Kamenz wurden 1607–1655, wie in vielen Städten des Mittelalters, Hexenverfolgungen durchgeführt: 1607 wurde Peter Babus, Henker in Kamenz, in einem Hexenprozess zum Tode verurteilt und 1655 wurde im Zuge der Prozesse gar der Diakon Kaspar Dulichius enthauptet. Im Jahre 1707 vernichtete ein großer Stadtbrand die Mehrzahl der Häuser in der Altstadt. Soweit einige historische Daten und Fakten zur Stadt.
Dichter und Schriftsteller Gotthold Ephraim Lessing
1729 wurde der Dichter und Schriftsteller Gotthold Ephraim Lessing in Kamenz geboren. Der Vater des wohl bekannteste Sohns der Stadt Kamenz, Johann Gottfried Lessing, war zu der Zeit Pastor an der Hauptkirche St. Marien.
Das Geburtshaus Lessings wurde beim letzten großen Stadtbrand im Jahr 1842 vernichtet, doch erinnert heute ein Museum sowie eine Gedenkstätte am ehemaligen Standort seines Elternhauses an den berühmtesten Sohn Gotthold Ephraim Lessing.
Wir machen uns mit dem Fahrrad auf, die Stadt Kamenz zu erkunden. Erst beim Anstieg in der Innenstadt fallen uns die doch erheblichen Höhenunterschiede der Stadtregion auf, so beschließen wir die Innenstadt zu Fuß zu erkunden.
Unser erstes Ziel war die Klosterkirche, wo wir auch unsere Fahrräder sicher abstellen konnten. Hier am Nordrand der Altstadt steht die aus dem Jahr 1510 stammende Klosterkirche St. Annen, die eher als Museum zu verstehen ist, denn sie kann mit insgesamt fünf spätgotischen Schnitzaltären und weiteren sakralen Kostbarkeiten aufwarten.
Unser nächstes Ziel ist die St. Just Kirche an der Königsbrückerstraße, die wir leider komplett verschlossen vorfinden. Das ist sehr bedauerlich, denn gerade diese Kirche war eines der Hauptziele unserer ersten Erkundung. Kurz entschlossen setzen wir den Anstieg fort und gelangen so auf den Hutberg, der neben dem Lessingturm auch die Hutbergbühne aufweisen kann, eine Freilichtbühne für bis zu 10.000 Zuschauer. Plakate weisen auf einige bekannte Namen des Showbiz hin, die hier gastierten.
St. Marien ist die einzige aus Granit erbaute Hallenkirche
Entlang der Pulsnitzerstraße gelangen wir wenig später bis zum Roten Turm, der als einer der wenigen Artefakte der mittelalterlichen Stadt- und Klosterbefestigung erhalten geblieben ist. Weitere Überreste findet man in der Stadtschreiberbastei („Pichschuppen“), in der Mönchsmauer und im Klostertor.
Vom Roten Turm aus führt unser Weg zur evangelischen Hauptkirche St. Marien, einer spätgotischen Hallenkirche, die zwischen 1275 und 1479 erbaut worden war. St. Marien ist die einzige aus Granit erbaute Hallenkirche nördlich der Alpen. Unmittelbar daneben steht die Katechismuskirche, eine Wehrkirche aus dem Jahr 1358.
Direkt gegenüber der Kirche befindet sich die bereits angesprochene Lessing-Gedenkstätte am ehemaligen Standort des Geburtshauses Lessings. Das Lessinghaus gehört zu den 20 kulturellen Gedächtnisorten in den neuen Ländern. Wir gelangen jetzt zum Rathaus, das 1847 bis 1848 durch Carl August Schramm im Stil der italienischen Neorenaissance erbaut wurde. Auf dem Markt vor dem Rathaus befindet sich der Andreasbrunnen mit Justitia-Statue aus Sandstein.
Anteil der Sorben schätzungsweise bei durchschnittlich 12 %
Schon zu Beginn unseres Artikels haben wir auf das Ortseingangsschild in sorbischer und deutscher Sprache hingewiesen. Auch in der Innenstadt sind große Teile der Beschilderungen zweisprachig. Was sind denn eigentlich nun die "Sorben", von denen es nach offiziellen Angaben nur rund 60.000 Menschen gibt. Auf Grundlage der Selbstzuschreibung wurden 45.000 bis 50.000 und auf Basis der aktiven Sprachkenntnis circa 67.000 Sorben ermittelt.
Zwei Drittel von ihnen leben in der sächsischen Oberlausitz, vorwiegend im katholischen Dreieck zwischen den Städten Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda (in den fünf Gemeinden am Klosterwasser sowie in der Gemeinde Radibor und Teilen der Gemeinden Göda, Neschwitz, Puschwitz und in der Stadt Wittichenau).
In den deutsch-sorbischen Teilen der Kreise im Freistaat Sachsen liegt der Anteil der Sorben schätzungsweise bei durchschnittlich 12 % und beträgt an der Gesamtbevölkerung Sachsens nur etwa 0,9 %.
Die Sorben sind ein ursprünglich westslawisches Volk, in der Regel zwar deutsche Staatsangehörige, die neben ihrer Sprache und Kultur auch noch immer eine eigene offiziell anerkannte Flagge und Hymne besitzen.
Angehörige dieser Volksgruppe, die auch mit Wenden oder früher mit Lausitzer Serben bezeichnet wurden, gelten als nationale Minderheit, die in Deutschland auch als solche anerkannt ist. Vor dem Hintergrund der großen Probleme in der Anerkennung von Kurden oder Armeniern innerhalb der türkischen Bevölkerung als gleichberechtigte Minderheit ein so interessantes Thema, das wir uns damit später noch einmal ausführlich beschäftigen werden.
Bisherige Ergebnisse der Altertumsforschung
Zum Abschluss unseres Rundgangs durch Kamenz wollen wir noch zum Museum Westlausitz, das gemeinsam mit dem Malzhaus heute eine Einheit bildet. Hier interessieren uns besonders die Ausstellungen zur Stadtgeschichte sowie zu den bisherigen Ergebnissen der Altertumsforschung. Und siehe da, schnell sind wir wieder einmal bei Ihnen angelangt, den Römern.
Harald Hempel aus Wiesa wollte 1996 bei einem Streifzug durch den Kamenzer Spittelforst Pilze sammeln - er fand jedoch 476 römische Kupfermünzen und Münzfragmente aus dem 3. und 4. Jahrhundert nach Christus (Die Originale befinden sich im Münzkabinett in Dresden). Trotz der großen Anzahl hatten sie nur einen geringen Geldwert - also römische Peanuts anstelle Lausitzer Pilze. Der ehemalige Besitzer wollte das Kleingeld also wohl nicht verstecken; eher war es als Opfer gedacht.
Der größte Teil des Geldes wurde in den Münzstätten Siscia (Sisak / Kroatien), Sirmium (Sremska Mitrovica / Serbien) und Thessalonicia (Saloniki / Griechenland) geprägt und verweist somit auf Kontakte zur Balkaninsel.
Der Zweite Fund beim Spielen
Beim Spielen in einer Kiesgrube bei Schwepnitz machten zwei Schüler 1985 einen sensationellen Fund. Nur 20 Zentimeter unter der Oberfläche fanden sie ganz besonderen Kies: 121 römische Silberdenare.
Die Münzen wurden zwischen 64 und 164 nach Christus in Rom geprägt und sind zum Teil noch fast prägefrisch. Ein Denar gehört sogar in die nur 4-monatige Regierungszeit Kaiser Othos (69 nach Christus). Diese seltene Münze gelangte kaum in die Römischen Provinzen - umso verwunderlicher ist ihr Auftauchen in der (seiner Zeit) so barbarischen Westlausitz. Auch diese Münzen befinden sich im Original im Münzkabinett in Dresden.
Unser erster Ausflug in Kamenz neigt sich dem Ende zu und per Fahrrad geht es zurück zum Wohnwagen um möglichst schnell und umfänglich zu berichten, was hiermit geschehen ist.
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