Savon de Marseille – die Seifenmacher von Marseille
- Geschrieben von Portal Editor
Auch in Frankreich, genauer gesagt in Marseille gibt es ein so genanntes Reinheitsgebot, dass sich zwar nicht wie in Deutschland auf Bier bezieht, aber doch auch auf ein sehr bedeutsames Produkt: Seife aus Olivenöl.
Die Produzenten waren so genannte Seifenmacher oder Seifensieder, die bereits im Jahr 1370 erstmals urkundlich in der Region Marseille erwähnt wurden. Dabei ist diese Art der Seifenherstellung wesentlich älter und stammt aus Syrien, genauer aus der Region um Aleppo, aber dazu später mehr. Die Formel zur Produktion dieser Seife wurde im 17. Jahrhundert unter König Ludwig XIV. eindeutig reglementiert, was bis heute gilt. Im Jahr 1688 erließ Jean-Baptiste Colbert ein Edikt, das die Verwendung des Namens „Savon de Marseille“ auf mit Olivenöl hergestellte Seifen in der Region Marseille beschränkte.
Colbert – vorklassischer Ökonom zur Verbesserung französischer Produkte
Colbert, Marquis de Seignelay, war ein französischer Staatsmann und der Begründer des Merkantilismus (Colbertismus). Er kann zur vorklassischen Ökonomie gezählt werden. Unter dem „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. war er erfolgreicher Finanzminister. Er sanierte den Staatshaushalt, um die sehr hohen Aufwendungen vor allem für den König selbst, den Hofstaat, das Militär und dessen Kriegszüge zu finanzieren. Colbert schuf die Basis der französischen Wirtschafts- und Kolonialpolitik. Die wichtigste Quelle des nationalen Reichtums sah er in einer aktiven Außenhandelsbilanz. Indem er Manufakturen förderte und gründete, versuchte er dem Land teure Importe zu ersparen. Er holte ausländische Fachkräfte ins Land, um auch die besten Erzeugnisse anderer Staaten in Frankreich herstellen zu können. Außerdem sorgte er für den Abbau von Ausfuhrzöllen und ließ die Landstraßen zu festen Chausseen ausbauen. Mit detaillierten Katalogen mit Produktionsvorschriften versuchte er, die Qualität der in Frankreich erzeugten Waren zu steigern.
Am 5. Oktober 1688 regelte ein Edikt von Ludwig XIV., unterzeichnet von Jean-Baptiste Colbert Seignelay, Sohn von Colbert, Sekretär des Königshauses, die Herstellung von Seife. Artikel III des Edikts beinhaltet, dass die Seife in großen Kesseln gekocht werden muss und dass dabei keine tierischen Fette und Öle verwendet werden dürfen. Der Ölgehalt muss mindestens 72 % betragen. Die Seifenfabriken mussten im Sommer ihre Tätigkeit einstellen, da die Hitze die Seifenqualität beeinflusste. Die Einhaltung dieser Verordnung sicherte die Qualität der Seife und machte den Ruf der Marseiller Seifenfabriken aus.
Ursprung der Seife aus Oliven
Wie bereits erwähnt ist Aleppo Seife die älteste Seife der Welt und wird seit dem Altertum nach traditioneller Art in langwierigem Verfahren hergestellt. In Arabien wird sie von Frauen und Männern gleichermaßen geschätzt. Alepposeife aus Syrien ist 100 % pflanzlich und frei von jeglichen Zusatzstoffen. Der römische Enzyklopädist des ersten Jahrhunderts, Plinius, berichtet in seinem Buch Naturalis Historia, dass die Gallier ein auf Talg und Asche basierendes Produkt verwenden, um ihr Haar rot zu färben. Diese besondere Seife wirkte aber eher als Gel- und Haarbleichmittel.
Wie seit Hunderte von Jahren wird auch heute noch diese Alepposeife in altbekannten Manufakturen mit Liebe von Hand hergestellt, geschnitten und mit dem Stempel versehen, der jedes Stück einzigartig macht. Durch die 100 % natürliche Zusammensetzung der Seife ist sie vollständig abbaubar. Sie bekommt allen Hauttypen, sogar Kindern. Olivenöl reinigt und nährt die Haut ohne sie zu reizen oder auszutrocknen und unterstützt die selbstregulierende Funktion der Haut. Aufgrund ihres ph Wertes (8 bis 9) ist sie zur basischen Körperpflege geeignet.
Die vergleichsweise milde, aromatisch-würzig duftende sowie feinporig und schwach schäumende Aleppo-Seife ist eine einfache Kernseife. Hergestellt wird sie seit vielen Jahrhunderten (möglicherweise seit dem 8. Jahrhundert nach Christus) von Seifensiedern in und um Aleppo während der „kalten“ Monate von November bis März. Heute wird der Großteil nach Europa und Ostasien als Naturkosmetikum exportiert, wobei sich das Geschäft als Folge des Bürgerkriegs in Syrien deutlich verringert hat.
Bei der traditionellen handwerklichen Herstellung wird Olivenöl in Bodenkesseln auf offenem Feuer bis zu drei Tage unter häufigem Rühren auf etwa 200 °C bis zum Sieden erhitzt. Zur Verseifung werden portionsweise Wasser und Soda-Asche zugeführt. Dabei wird das Olivenöl in die Natriumsalze der Fettsäuren, die eigentlichen waschaktiven Substanzen, und Glyzerin aufgespalten.
Nach dem Ablauf dieses Verseifungsprozesses wird kurz vor dem völligen Aussalzen das Lorbeeröl hinzugegeben, dessen Anteil üblicherweise zwischen zwei und 40 Prozent, selten bis 60 Prozent der Ölmenge variiert. Dies erhöht die Festigkeit der Seife bei der späteren Trocknung, das feinporige Schäumen beim Kontakt und Verreiben mit Wasser sowie die rückfettende und antibiotische Wirkung beim Einsatz auf Haut und Haaren.
Bei der Produktion werden je nach Rezeptur außerdem Heil- und Duftkräuter sowie Duftöle (z. B. Rosenöl) beigegeben. Nach dem Sieden wird die Sodalauge abgelassen.
Anschließend wird die Seife solange mit frischem Wasser „gewaschen“, bis sie laugenfrei ist. Nachdem auch dieses Wasser abgelassen worden ist, bleibt die Seife zum Abkühlen und Entwässern über Nacht stehen. Die grüne Seifenpaste wird sodann dem Kessel entnommen und auf einer glatten, mit Folien ausgelegten Bodenfläche ausgekippt und geglättet. Mindestens 24 und bis zu 40 Stunden härtet und trocknet die Seife dort aus.
Die ausgehärtete Masse wird danach in rechteckige Seifenstücke geschnitten. Nach dem Schneiden werden die Stücke mit einem traditionellen Prägestempel gesiegelt. Mit Zwischenräumen auf Holzpaletten gestapelt folgt eine sechs- bis neunmonatige luftige, trockene Lagerung, die neben weiterer Trocknung und Aushärtung bewirkt, dass die Seifenstücke außen oxidieren und so eine Patina mit einem hellen, honig- bis sandfarbenen Ton annehmen, während ihr Kern die ursprünglich grünliche Farbe im Wesentlichen beibehält.
Wirkungen und Einsatzmöglichkeiten
Zur Körperreinigung, Hautpflege und Wundheilung verwendeten schon die alten Griechen und Römer die Lorbeerseife, die hohe Anteile an Linolsäure aufweist und reich ist an den Vitaminen A und E sowie an Mineralien wie Kalium, Magnesium und Kalzium. Vor allem durch das Lorbeeröl wirkt die Seife neben der Reinigung als Adstringens, antibiotisch und antifungal auf die Haut, außerdem stimulierend und rückfettend.
Medizinisch wurde sie insbesondere gegen Krätze, Läusebefall, Schuppenflechte, Nagelbettentzündung, Akne und Ekzeme (Neurodermitis) eingesetzt. Auch bei gewöhnlichen Insektenstichen und Schürfwunden sowie bei Prellungen, Verstauchungen und rheumatischen Beschwerden soll sie Linderung verschaffen. Des Weiteren wird sie zur Haarwäsche (auch Bartwäsche) und gegen Kopfschuppen angewandt.
Die Entstehung der Marseiller Seifenindustrie
Die Art der Herstellung, basierend auf Oliven- und Lorbeeröl, verbreitete sich im gesamten Mittelmeerraum nach den Kreuzzügen durch Italien und Spanien bis nach Marseille.
Die Marseiller Seifenfabriken aus dem 12. Jahrhundert verwendeten zunächst nur das in der Provence gewonnene Olivenöl als Rohstoff. Das Soda, ein Begriff, der sich zu dieser Zeit auf ein mehr oder weniger reines Natriumcarbonat bezieht, stammte aus der Asche von Pflanzen in salzhaltigen Umgebungen, insbesondere von Salicornien. Es genügt, die Verbrennungsrückstände der pflanzlichen Stoffe mit hohem Salzgehalt zu sammeln und durch Auflösung zu extrahieren. Dazu wurde die feuchte Asche in einen Tuchbeutel gegeben und mit Hilfe von langen Stäben ausgepresst. Die Flüssigkeit, welche das Soda und andere Natriumsalze enthält, wurde in einem Bottich aufgefangen und in der Sonne stehen gelassen, bis die Feuchtigkeit verdampft war. Das gleiche Verfahren wurde bei der Gewinnung von Kaliumsalzen aus Holzasche angewandt. 1371 wird Crescas Davin als der erste Seifenhersteller aus Marseille genannt, der Soda verwendet. 1593 ging Georges Prunemoyr über den handwerklichen Maßstab der Seifenproduktion hinaus und gründet die erste Manufaktur in Marseille.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts erfüllte die Produktion von Seifenfabriken in Marseille die Anforderungen der Stadt und ihres Territoriums kaum. Im Hafen von Marseille kam sogar Seife aus Genua und Alicante an.
Im Jahr 1660 gab es sieben Fabriken in der Stadt, deren Jahresproduktion fast 20.000 Tonnen betrug. Unter Ludwig XIV war die Qualität der Seife so hoch, dass „Savon de Marseille“ zu einem geläufigen Namen wurde. Es handelte sich dabei um eine grüne Seife, die hauptsächlich in Riegeln von 5 kg oder Laiben von 20 kg verkauft wurde.
Die Region Marseille hatte im 19. Jahrhundert ca. 90 Seifenfabriken. Nach 1950 setzte mit dem Aufstieg synthetischer Reinigungsmittel ihr Niedergang ein. China und die Türkei sind heute die größten Hersteller von Savon de Marseille. Der Name „Savon de Marseille“ ist keine eingetragene Ursprungsbezeichnung, sondern entspricht nur einem kodifizierten Herstellungsprozess, der einen Mindestgehalt an Fettsäuren garantiert. Bei diesem Verfahren können andere Fette als Olivenöl verwendet werden, einschließlich Talg tierischen Ursprungs.
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