Legenden und Mythos um die Stadt Marseille

Legenden und Gründungsmythos um die Stadt Marseille

Wie bereits in unserem Artikel „Kurzbesuch auf der Tara“ erwähnt, waren wir im Rahmen unserer Projektarbeit entlang der Römerstraßen wir für einige Tage nach Marseille in die Provence gekommen, um die Stadt ausgiebig kennen zu lernen aber vorrangig auch um zu erkunden, ob und welches antike Erbe in der Stadt überhaupt noch sichtbar vorhanden ist.

Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, das einst aus Kleinasien Siedler gekommen sind, die sich hier ansiedelten, lange bevor das Osmanische Reich oder gar die Türkei entstanden sind.

Auf der Suche nach Handelsplätzen kommen Seehändler

roemer provence marseilleEs waren zunächst griechische Seehändler aus Phokaia in Kleinasien, dem heutigen Foca in der Türkei, die im 7. Jahrhundert vor Christus recht regelmäßig die Südküste Südfrankreichs nahe der Mündung der Rhone aufsuchten, um mit den hier lebenden ligurischen Stämmen intensiven Handel zu treiben. Vor allem Zinn, als Bestandteil der Bronzegewinnung, war bei den Griechen heiß begehrt. Im Gegenzug fanden feine Töpferwaren und Schmuck den Weg in die Häuser der lokalen Fürsten. An der schroffen und felsigen Küste Südfrankreichs waren geschützte Landeplätze rar, so steuerte man den natürlichen Hafen in der Bucht des heutigen Marseilles gern an, wo die Galeeren vor Wind und Wellen geschützt waren.

Um 620 bis 600 v. Chr. gründeten Griechen dank verschiedener Landschenkungen der ligurischen Fürsten an dem damals natürlichen Hafen eine dauerhaft bewohnte Siedlungan, die von den Griechen mit Apoikie bezeichnet wurde und nannten sie in Folge Massalia. Bei einer entstehenden Apoikia der Antike handelt es sich um die Siedlung einer Kolonistengruppe, die sich außerhalb des Gebietes der Mutterstadt (Metropolis) befindet. Diese Siedler wurden teils von ihrer Mutterstadt ausgesandt, um als Aussiedler eine Pflanzstadt oder Tochterstadt zu gründen. Leiter eines solchen Unternehmens war meist ein häufig von der Mutterstadt benannter Führer, Oikistes genannt. Solche Gemeinwesen entstanden vor allem während der „großen griechischen Kolonisation“ im Zeitraum zwischen 750 und 550 v. Chr. Eine Apoikia war von der Mutterstadt grundsätzlich unabhängig und eine selbstständige Polis, die auch selbst neue Apoikien gründen konnte, blieb ihr jedoch – besonders was den Kult, die politische Organisation und die innere Ordnung anging – relativ eng verbunden. Beispiele hierfür sind ähnliche Symbole auf den Münzen der Apoikiai und ihrer Mutterstädte.

Massalia wächst durch den Handel im Mittelmeerraum

roemer provence aqueductDie Polis Massalia wuchs bald zu einer der reichsten und größten griechischen Apoikien im westlichen Mittelmeer heran, die mit der Anbindung an die natürliche Handelsstraße der Rhone kulturellen Einfluss bis weit in das Hinterland hatte. Ein Beleg für diesen Einfluss ist die Verwendung der griechischen Buchstaben bei den Helvetiern zur Zeit Cäsars. Auch in einigen südfranzösischen Dialekten könnte sich nach Ansicht mancher Forscher ein griechischer Einfluss erhalten haben.

Málaga, Korsika und Nizza wurden ebenfalls von Griechen aus Phokaia besiedelt, die eine Apoikie nach der anderen gründeten. Mit der Zeit wurde Massalia so groß und bedeutend, dass es selbst Siedler ausschickte, um Handelsposten und Städte im Westen bis hin nach Spanien zu gründen. Der Expansion der Phokaier und Massalioten wurde durch eine Koalition aus Etruskern und Karthagern in der Seeschlacht bei Alalia ein Ende gesetzt.

Neue Zuwanderer durch die Persischen Eroberungen in Kleinasien

herodot wien parlamentUm das Jahr 545 v. Chr. kamen laut Herodot erneut Zuwanderer aus Phokaia in die Stadt. Sie waren geflohen, nachdem Harpagos, Feldherr des Königs Kyros II. von Persien, Phokaia erobert hatte. Als historisch gesichert kann jedenfalls gelten, dass ein Mann namens Harpagos nach der Machtübernahme durch Kyros II. einer von dessen Heerführern wurde. Er nahm am Kampf des Perserkönigs gegen die Lyder teil und konnte laut Herodot durch seine Kriegslist, dass Pferde den Kamelgeruch nicht mochten, die lydische Reiterei vertreiben und so die Einschließung von Sardes, der Hauptstadt von Krösus, erreichen, die zwei Wochen später eingenommen, um 541 v. Chr. Eingenommen wurde. Später führte er als Nachfolger des Mazares Feldzüge gegen die (zuerst von Paktyes geführten) aufständischen Griechen Kleinasiens. Er nahm danach zunächst Smyrna (das heutige Izmir) und die Seestadt Phokaia ein und unterwarf für Kyros schließlich alle Ionier des Festlandes. Es folgte die Eroberung Kariens und Lykiens. Das unabhängige Milet wurde verschont. Zur Einnahme der Städte der Ionier verwendete er erstmals in der Geschichte Katapulte; nachgewiesen ist dies zumindest für seine Eroberung Phokaias. Wahrscheinlich übten auch Nachkommen des Harpagos hohe Ämter in Kleinasien aus.  

Konflikte mit den Kelten in der Umgebung von Massalia

roemer provence arlesZunehmend gab es aber auch um Massalia immer wieder Konflikte mit den mittlerweile fast ganz Gallien beherrschenden keltischen Stämmen. 125 vor Christus rief Massalia die Truppen des Römischen Reiches um Hilfe gegen die Angriffe gallischer Stämme (Ligurer, Allobroger, Salluvier, Arverner und Vokontier). Im Laufe der Kriegshandlungen wurde das gesamte Gebiet des südlichen Galliens von den Römern als Provinz Gallia Narbonensis annektiert. Die Stadt selbst jedoch blieb zunächst ein Verbündeter Roms und konnte ihre Unabhängigkeit noch einige Jahrzehnte bewahren. In den Jahren des Bürgerkrieges zwischen Julius Cäsar und Gnaeus Pompeius wollte sich Massalia neutral verhalten, doch dies wurde von Cäsar nicht geduldet. Im Jahr 49 v. Chr. wurde die Stadt schließlich nach sechsmonatiger Belagerung erobert und bald darauf in die Provinz Narbonensis integriert. So blieb sie bis zum Ende des Römischen Reiches dessen Bestandteil und verlor nun schrittweise ihren griechischen Charakter.

Neue römische Provinz Gallia Narbonensis

roemer provence colosseum nimesGallia Narbonensis ist die neue Bezeichnung der 27 vor Christus umbenannten Provinz Gallia transalpina, welche in den Jahren 125 bis 118 vor Christus als römische Provinz eingerichtet worden war. Ihre Bezeichnung als Provinz führte dazu, dass ein Teil der Landschaft noch heute Provence genannt wird.

Als Konsul des Jahres 125 v. Chr. war Marcus Fulvius Flaccus vom Senat beauftragt worden, Massilia gegen die Plünderungen der Salluvier zu unterstützen. Flaccus nutzte diesen Auftrag, um große Teile des Landes zu erobern, weshalb er bei seiner Rückkehr nach Rom (123 v. Chr.) mit einem Triumphzug geehrt wurde. Hauptstadt war zunächst die 120 v. Chr. errichtete Festung Aquae Sextiae (Aix-en-Provence), später dann die 118 v. Chr. gegründete erste Bürgerkolonie Colonia Narbo Martius (Narbonne).

roemer provence nimes 01Im Jahr 121 v. Chr. wurde das damalige Gallien dann schließlich eine Provinz des römischen Reichs. In der gesamten Provence findet man heute noch zahlreiche teils sehr bedeutende Zeugnisse der römischen Kultur, viele Städte wurden damals gegründet oder durch die Römer ausgebaut. Kaum allerdings in Marseille, wo die Römerzeit fast ausschließlich durch Ausstellungsfragmente in Museen erscheint. Bedeutende Denkmäler und Bauten aus der römischen Zeit findet man heute z. B. noch in Arles (römisch: Arelate), Fréjus (Forum Julii), Nîmes (Nemausus), Orange (Arausio), bei Saint-Rémy-de-Provence (Glanum) oder in Vaison-la-Romaine (Vasio Vocontiorum). Aber auch Städte wie Aix-en-Provence (Aquae Sextiae) und Avignon (Avenio Cavarum) existierten schon zu Zeiten der Römer. Beeindruckend ist auch das sehr gut erhaltene Aquädukt Pont du Gard, das Teil der Wasserversorgung von Nîmes war oder das römische Siegesdenkmal Tropaeum Alpium in La Turbie in beeindruckender Lage hoch über der Mittelmeerküste. Wenn Sie also einen Urlaub auf den Spuren der Römer verbringen möchten, dann werden Sie in der Provence sicher nicht enttäuscht werden.

Im Jahr 314 ist der erste bekannte Bischof von Massilia Oresius im Dokument zum Konzil von Arelate erwähnt. Anfang des 5. Jahrhunderts nach Christus wurde am Südufer des Alten Hafens das Kloster Saint-Victor gegründet, das von 750 bis 960 die Residenz der Bischöfe von Marseille sein sollte. 481 fiel die Stadt an die Westgoten, 508 an die Ostgoten, 536 an die Franken.

Gründungsmythos oder Legende zur Stadt Massalia

roemer provence maison carreeDem antiken Gründungsmythos entsprechend entstand die Stadt, als griechische Seefahrer aus Phokaia, dem heutigen Foca in der Türkei, die Mittelmeerküste auf der Suche nach Handelsplätzen erkundeten. Sie landeten demnach an dem Tag an der Küste des heutigen Marseille, als ein keltischer König namens Nann einen Gatten für seine Tochter Gyptis suchte. Gyptis sollte unter allen versammelten jungen Männern demjenigen einen Kelch reichen, den sie zu heiraten wünschte. Überraschenderweise war es Protis, der Anführer der Neuankömmlinge, dem sie das Gefäß übergab. Die beiden heirateten, und Griechen und Kelten gründeten gemeinsam die Siedlung Massalia.

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