Mistral Starkwinde an der Bucht Plage de Prado
- Geschrieben von Portal Editor
Wenn man in der Provence und insbesondere in der Region Marseille unterwegs ist und zumindest ein wenig auf die Architektur der Gebäude achtet, fallen einem zunächst einige denkwürdige Konstruktionen auf, die natürlich ihre Gründe haben.
Ein ganz besonderes Kennzeichen der ländlich-provenzalischen Architektur sind beispielsweise die schmiedeeisernen Glockenkäfige auf Kirchtürmen aufgrund der häufig auftretenden Starkwinde, hier Mistral genannt. Die winddurchlässigen Formen setzen dem Mistral deutlich weniger Widerstand entgegen als Glockengiebel oder Spitzhelme wie sonst üblich. Glockenkäfige bestehen oftmals aus schmiedeeisernen sich überschneiden Bändern oder Vierkantstäben, die an den Kreuzungspunkten miteinander geschmiedet oder vernietet sind. Die entstehenden Zwischenräume sind oft mit geschmiedeten Eisenbändern verziert, die im Innern meist auch nur eine einzige Glocke tragen.
Hohe Wellen und peitschende Gischt am Strand von Prado
Schon in Marseille hatten wir den aufkommenden Wind am Meer als heftig empfunden, trotz unserer Herkunft von der deutschen Nordseeküste mit gewohnter „Luftbewegung“. Wir waren trotzdem unterwegs in die Bucht Plage de Prado, zunächst mit der bereits angesprochenen Buslinie, dann weiter zu Fuß. Hier draußen, ohne den Schutz der städtischen Bebauung merkte man den Mistral schon wesentlich deutlicher. Der Mistral kann zuerst recht sanft und durch die Landmasse noch aufgewärmt und deshalb warm wehen. Nach einigen Stunden oder gar Tagen kann er sich zu einem starken bis stürmischen Wind entwickeln, der aus nordwestlicher Richtung über Frankreich in den Mittelmeerraum weht. Typisch ist dann ein wolkenloser, fast dunkelblauer Himmel, gute Fernsicht, nachts ein beeindruckender Sternenhimmel und ein erheblicher Abfall der Temperatur. Ein Prachtwetter für Kite-Surfer und Wellenreiter, so sollten wir in Kürze erfahren. Das Mittelmeer zeigt, dass es auch anders kann.
Mistral lockt Wellenreiter und Surfer aufs Meer
Die Bezeichnung „Mistral“ wird vor allem in Verbindung mit der Provence verwendet, aber auch die Provinz Languedoc, das Département Var (Fréjus) und das gesamte untere Rhônetal (von Lyon bis Marseille) sind betroffen. Der östliche Teil der Côte d’Azur, die sogenannte „Französische Riviera“, mit den höher aufragenden Bergen dagegen ist geschützt und bleibt von dem als meist unangenehm empfundenen Wind fast immer verschont.
Auf dem Meer führt der Mistral schon als starker oder steifer Wind (6-7 Bft) zu einem ausgeprägten und über Tage und Nächte konstanten Windfeld, das den Golfe du Lion überdecken und bis zu den Inseln Menorca und Sardinien reichen kann; bei stärkeren Winden in Ausläufern auch darüber hinaus bis in den Golf von Tunis und an die afrikanische Nordküste.
Wenn ein Tief über Nordfrankreich in Richtung Osten abzieht, ist die klassische Ausgangslage für den Mistral gegeben. Der Wind entsteht durch in den Mittelmeerraum einströmende Polarluft. Die Alpen und Cevennen bilden eine Blockade, so dass die kalte Polarluft ins Rhonetal, ein Grabenbruch zwischen den beiden genannten Gebirgen, gelangt.
Durch diese Kanalisierung (Düseneffekt) entstehen dort hohe Windgeschwindigkeiten von 50–75 km/h, in Spitzen über 135 km/h. Die typische Mistral-Wetterlage wird geprägt von hohem Luftdruck über der Biskaya und einem Tiefdruckgebiet über Italien.
Die Mistral-Winde – ein Abenteuer auf dem Meer
Und wie es immer so ist, wenn es um Wetterlagen geht, für manche ein Fluch – andere wiederum sind begeistert. So waren wir bei unserer Ankunft am Plage de Prado bei strahlend blauem Himmel zunächst verwundert, wie wenig Besucher sich am Meer aufhielten, merkten aber auch schnell die Gründe dafür. Der starke Wind sorgte für Flugsand, der schon heftig auf die Haut einwirkte. So war trotz Sonnenscheins die Regenjacke ein wirksames Mittel gegen den Pelling-Effekt des Sandes.
Der Blick auf das Meer ließ ein komplett anderes Bild erscheinen, denn die tosende See bot für Etliche auch ein wirkliches Abenteuer, zumindest für die zahlreichen Wellenreiter und Kite-Surfer.
Es war fast ein Schauspiel mit anzusehen, wie die wirklich hohen und ungleichmäßigen Wellen von Wellenreitern und Kite-Surfern immer wieder hohes Können und Kraft abforderten, Ihre Sprünge etliche Meter weit und hoch.
Auf der anderen Seite schien es den Athleten wirklich Spaß zu machen. So war kaum jemand bereit, sich zu Erholungsphasen an den Strand zu setzen.
Wir suchten Schutz im Windschatten eines Gebäudes, denn der heftige Wind setzte uns ganz schön zu. So konnten wir das tosende Meer und die Wellenreiter noch eine Weile im Schutz des Gebäudes beobachten, nutzten das mitgebrachte „Petit Déjeuner“ mit Croissant und Kaffee für ein zweites Frühstück.
Es war spannend sich auf einzelne Sportler zu konzentrieren und ihren Weg durch die Wellen zu verfolgen. Allerdings bringt der Mistral auch einige Probleme mit sich, denn der Mistral ist sehr trocken und entzieht dem Boden viel Feuchtigkeit, was die Waldbrandgefahr in der Provence erheblich erhöht.
Er verursacht Schäden im Baumwuchs, was insbesondere für den Obst- und Olivenanbau von Bedeutung ist, da diese nur in windgeschützten Lagen möglich sind. Für den Feldbau bringt er jedoch auch Vorteile, da sich Pilzkrankheiten und Schadinsekten nur geringfügig bis gar nicht ausbreiten können.
Wie bereits erwähnt: alle natürlichen Vorkommnisse haben immer zwei Seiten und zwei Auswirkungen auf uns Erdlinge: was für einige ein Segen ist, wird für andere zur Qual. Für uns war es ein Erlebnis!
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