Wasserversorgung im Römischen Reich
- Geschrieben von Portal Editor
In seiner Ausführungsqualität im Römischen Reich absolut vergleichbar mit der Technik des Straßenbaus und teilweise sehr geschickt mit Straßenbau kombiniert ist auch die Errichtung der Wasserversorgungsanlagen der Städte des Reichs.
Sehr fein wussten die Römer die Probleme in der Planung von Wasserver- und Wasserentsorgung einer bereits bestehenden Stadt von der einer neu zu gründenden Stadt zu unterscheiden. So wurde bei jeder Neugründung zuerst an die Versorgung mit Frischwasser und die Entsorgung des Abwassers gedacht bevor der endgültige Standort einer Stadt festgelegt wurde. Geplanter Städtebau war über Jahrhunderte Standard und wurde dann für mehr als 1.000 Jahre fast komplett wieder vergessen. Schauen wir uns ein wenig um, ist man selbst heute trotz modernster Technik häufig nicht in der Lage, Planung und Ausführung sinnvoll zu koordinieren. Beispiele gibt es genug.
Große Höhendifferenzen im Gelände überbrücken
Voller Hochachtung und Bewunderung dagegen steht man vor dem Pont du Gard bei Nimes in Südfrankreich und ist erstaunt, wie ein solch monumentales Bauwerk zur Wasserversorgung in der Kombination mit einer Straße ersten gebaut und zweitens 2.000 Jahre überstehen konnte. Dabei ist der Pont du Gard nur eines von vielen noch gut erhaltenen Bauwerken der Römer zur Wasserversorgung. Nehmen wir den Aquädukt bei Segovia in Zentralspanien, der in den Jahren 98 – 117 nach Christus unter Kaiser Trajan noch heute als ein Meisterwerk römischer Ingenieurskunst gilt und das Wasser aus 15 Kilometern Entfernung nach Segovia brachte. Auch in Aspendos / Türkei sollte der interessierte Besucher sich mit dem Aquädukt ausgiebig beschäftigen. Wie konnten die Römer ohne moderne Technik Druckwasserleitungen bauen, die große Höhendifferenzen im Gelände überbrücken konnten, so das trotzdem steter Wasserfluss gewährleistet war. Aber beginnen wir an der Quelle.
Sehr wohl bewusst waren die Städteplaner Roms sich darüber, das es häufig einfacher war, eine Stadt neu zu erschaffen, als in vorhandene Städte Wassersysteme zu integrieren. So wurde die Frage des Standorts auch immer vor dem Hintergrund vorhandener Wasserquellen betrachtet.
Einmal eine ergiebige Quelle entdeckt, scheuten sich die Römer auch vor langen Transportwegen des Wassers nicht. Vitruvius beschreibt das Auffinden von Quellen in seinem Buch „de architectura“: „Man lege sich vor Sonnenaufgang mit dem Gesicht auf die Erde und stützte das Kinn auf und beschaue die Umgebung […] erblickt man sich kräuselnde und die Luft aufsteigende feuchte Dünste, sollte man dort graben.“
Die Versorgungsquelle befindet sich etwa 27 Kilometer entfernt
Ein sehr gutes Beispiel ist die Wasserversorgung der Stadt Side / Türkei. Die Versorgungsquelle befindet sich etwa 27 Kilometer entfernt dort, wo heute der Oymapinar Damm das Wasser des Manavgat Flusses staut. Zunächst in Kanälen geführt, die in den Fels eingeschlagen sind, führt der Weg des Wassers durch Tunnel und über Viadukte wobei lediglich 35 Meter Höhendifferenz zur Erhaltung des Wasserflusses auf 27 Kilometer Länge zur Verfügung standen.
Eine bautechnische Meisterleistung ohne Satellitennavigation über Berge und Teileinschnitte. In Perge bei Antalya gibt es eine Besonderheit, denn hier wurde die Wasserleitung erhöht im Mittelstreifenbereich der Straße durch die Stadt geführt. Große Teile sind davon noch erhalten und warten auf Sie.
An der Quelle wurde meist das sogenannte Quellhaus aus wasserdurchlässigen Mauern errichtet, das dazu diente die Quelle zu fassen, sie vor Verschmutzung zu schützen und manchmal zum Ausfiltern von Bestandteilen aus dem Wasser genutzt wurde. Vom Quellhaus floss dann das Wasser je nach den örtlichen Gegebenheiten durch natürliche Felsrinnen, durch geschlagene Tunnels oder über erbaute Brücken bis zur Stadt. Da je nach Mächtigkeit der Quelle die Fließgeschwindigkeit mit der Entfernung abnahm, gab es auch hinsichtlich des Gefälles der Leitungssysteme Regeln.
Stetig musste ein leichtes Gefälle eingebaut sein, das der Planer und Architekt Vitruvius in der Regel mit 0,5% beschreibt, beim Pont du Gard waren es allerdings lediglich 0,035%, was einem Gefälle von 35 Zentimeter auf 1 Kilometer entspricht. Diese verschiedenartigen Leitungssysteme basierten in der Regel auf sogenannten Freispiegelleitungen, die nur zum Schutz vor Verschmutzung oder vor zu starker Verdunstung im Sommer oder als Schutz vor dem Zufrieren im Winter abgedeckt waren. So blieb das Wasser selbst im Sommer angenehm kühl.
Bei der Überwindung von Tälern wurden Brücken gebaut
Besonders wenn im Verlauf Tunnel passiert werden mussten, wurden Kontroll- und Belüftungsschächte zum Wasserkanal eingebaut, so das stetig Frischluft / Sauerstoff dem Wasser zugeführt wurde. Um das Wasser im Kanal zu „wenden“ wurden Strukturen in den Fels eingebracht, so das die Anreicherung mit Sauerstoff einfacher funktionierte. Bei der Überwindung von Tälern wurden Brücken (Aquädukte oder Viadukte), teilweise über mehrere Geschosse gebaut, die mehrere Wasserläufe übereinander enthalten konnten oder zur Wasserleitung und dem Straßenverlauf gleichzeitig dienten. Je nach den aufzunehmenden Wassermengen waren die Kanale zwischen 50 Zentimetern und 2 Metern breit, innen häufig mit wasserundurchlässigem Putz (opus signinum) verkleidet.
Zur Überwindung von Tälern wurden Druckleitungssysteme gebaut, die auf dem physikalischen Grundprinzip der kommunizierenden Röhren (Siphonsystem) funktionierten. Dies ist sehr eindrucksvoll in Aspendos zu sehen, wo auf der einen Talseite ein Wasserturm steht, dann durch das Tal hindurch die Druckleitung verlegt ist und auf der anderen Talseite der zweite Wasserturm folgt, in dem das Wasser wieder bis zur Verteilstation für Aspendosansteigt. Allein um den Wasserdruck in den Griff zu bekommen, waren die gebräuchlichen Tonrohre nicht in der Lage, also wurden für diese Druckleitungen massive aus Fels gefertigte Rohrleitungen verwendet, die trotzdem über Konusdichtungen genau ineinander passten und so den Verlust minimierten.
Druckleitungen, die aus Ton oder Blei ausgeführt sind
Hatte das Aquädukt die Stadt am höchsten Punkt erreicht, wurde eine Verteilerstation (castellum) errichtet, die einem modernen Wasserturm ähnlich ist und häufig mit dem Namen Wasserschlösschen bezeichnet wurde. Meist gingen von dem Castellum drei Hauptzweige ab, die häufig zusätzlich in unterschiedlicher Höhe im Castellum eingebaut waren, womit der Wasserfluss automatisch zunächst zu den wichtigsten Versorgungsplätzen wie z.B. den öffentlichen Trinkwasserbrunnen gebracht werden konnte. Die zweithöchste Position kam meist den öffentlichen Bädern zu und die höchste Position den Privathäusern der Reichen. Gab es eine Verknappung des Trinkwassers waren zumindest die öffentlichen Trinkwasserplätze am längsten mit Frischwasser versorgt.
In den Städten wurden die Leitungssysteme meist als Druckleitungen ausgeführt, die aus den Materialien Ton oder Blei bestanden. Wurde die Entfernung zum Castellum zu groß, schaltete man wieder ein neues Castellum dazwischen. Die Bleirohre wurden fast schon industriell gefertigt, Bleiplatten wurden gegossen und zu Rohren gebogen. Dann wurde die Nahtstelle verlötet so das die Rohre häufig eher birnenförmigen Querschnitt aufwiesen denn rund waren.
Zur Fertigung der Rohre wurden riesige Mengen Blei benötigt, so fand man heraus, das für ein 10 Zentimeter starkes Rohr von 37 Meter Länge etwa eine Tonne Blei benötigt wurde. Obwohl Vitruvius immer wieder vor den negativen Folgen für den Menschen bei der Verwendung von Bleirohren aufgrund der metallischen Vergiftungen warnte, wurde das Material Blei hauptsächlich eingesetzt. Trotz dieser 2.000 Jahre alten Erkenntnis verwendete man Blei auch in Europa bis weit in das 19. Jahrhundert hinein. Fortschritt? Teilweise wurden auch die Materialien Holz, Leder und Stein im Leitungsbau eingesetzt.
In Städten mit großem Wasserbedarf wurden meist zusätzlich Zisternen eingerichtet, die zur Zwischenspeicherung des Wassers dienten. Sehr bekannt ist die Fildami Zisterne nahe Istanbul, die etwa 100.000 Kubikmeter Wasser zwischenspeichern konnte. Bekannt ist in Istanbul auch die mit „Sunken Palace“ bezeichnete Zisterne, die eine Tragekonstruktion aus den Resten korinthischer Säulen zeigt und allein deshalb sehr sehenswert ist.
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