Ausdehnung des Römischen Reiches über den Rhein

Römischen Reiches über den Rhein

Als im Jahr 58 vor Christus die Germanen über den Rhein in römisches Hoheitsgebiet vorgedrungen waren, baten die hier lebenden gallischen Stämme den römischen Kaiser Caesar um militärische Hilfe.

Caesars Truppen konnten die Germanen vernichtend schlagen und betraten bei der Verfolgung der fliehenden Germanen erstmals auch germanisches Gebiet am gegenüber liegenden Rheinufer. In den Jahren 55 und 53 vor Christus wiederholten sich diese Vormärsche römischer Truppen über den Rhein, die siegreich geführt, als die  Gallischen Kriege (58 – 51 / 50 vor Christus)  in die Geschichte  eingegangen sind. Jetzt war das gesamte Gallien von den Pyrenäen und dem Mittelmeer bis zur Nordsee und vom Atlantik bis zum Rhein römisch besetztes Gebiet. Der Rhein bildete damit die Grenze des römischen Imperiums nach Osten. Nach diesen jahrelangen, aber siegreichen Schlachten und damit folgender, relativer Ruhe an der Grenze verließ Caesar den Kriegsschauplatz Germanien in Richtung Rom.

Im Jahr 16 vor Christus gab es erneute Vorstöße der Germanen über den Rhein hinaus, dieses Mal weiter im Süden und teilweise gemeinsam mit  den hier lebenden Rätern (im Raum der heutigen Schweiz). Durch diese Vorstöße sahen sich die bis dahin recht defensiv eingestellten Römer genötigt, zumindest was ihre Aktivitäten entlang der  Rheingrenze angeht,  ihre Politik zu überdenken. So kam es im Jahr 15 vor Christus zum Feldzug gegen die Räter, der ebenfalls siegreich beendet werden konnte. Nun waren auch die Alpen und das Alpenvorland unter römischer Kontrolle. Zur Festigung ihrer Macht richteten die Römer zunächst eine Präfektur und eine dazugehörige Garnison auf dem Gebiet zwischen der Wertach und dem Lech ein. Aus dieser Garnisonssiedlung entstand durch den Zuzug von Händlern und Kaufleuten später die Provinzhauptstadt Augusta Vindelicorum, das moderne Augsburg. Zu dieser frühen Zeit bauten die Römer ihre Kasernen und Versorgungsbauten meist aus Holz, die zur Absicherung gegen Angriffe von Wassergräben und Wällen umgeben waren.


Da die hölzernen Konstruktionen im Laufe der Jahrhunderte verrotteten, ist es für die Archäologie schwierig, die Standorte der ersten römischen Militärlager zu finden und auszugraben. Mit großem Glück konnte ein Militärlager für ca. 5.000 Legionäre zwischen Rheinheim und Dangstetten  im Landkreis Waldshut-Tiengen gefunden werden, das sich in einer ausgebeuteten aber offen gelassenen Kiesgrube befand. Aufgrund hier aufgefundener Gegenstände sowie entdeckter Inschriften lässt sich belegen, dass dieses Militärlager von der Legion 19 genutzt wurde. Aus weiteren Funden in der Region lässt sich auch nachweisen, dass das Operationsgebiet der Legion 19 bis zum Neckartal reichte.

Als in der Folge die unter dem Oberbefehl von Quinctilius Varus stehenden Truppen der 17., 18. Und 19. Legion in der legendären Schlacht im Teutoburger Wald den Germanen unter Arminius unterlegen waren, war es zunächst mit den römischen Expansionen vorbei. Die Errichtung einer Provincia Germania war gescheitert.

In den folgenden Jahren war durch den Verlust der rechtsrheinischen Gebiete der Handelsverkehr von Gallien, Britannien und Niedergermanien nach Rätien, Noricum, Pannonien und Moesien nur über den Umweg des Rheinknies bei Basel möglich. Mussten aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen schnell Truppen verlagert werden, bedeutete dieser Umweg über Basel einen beträchtlichen Mehraufwand an Zeit. Um das Jahr 50 nach Christus wurden Kastelle  entlang der Donau (Donaulimes) gebaut. Zur Verringerung des  Zeitaufwandes und zum Erreichen einer besseren Verkehrsstruktur entschlossen sich die Römer im Jahr 73 / 74 zum Bau einer Straße von Straßburg ausgehend, dann Offenburg passierend durch das Kinzigtal über Waldmössingen und Rottweil nach Tuttlingen bis zur Donau zu bauen (vergl. Kinzigtalstraße).  Zur Absicherung dieser Straße wurden römische Kastelle in Waldmössingen, Rottweil und Sulz errichtet. Einige weitere wichtige Funde der letzten Jahrzehnte untermauern den Verlauf der Straße, wozu auch ein römischer Meilenstein zählt, den man bei Offenburg gefunden hat. Im weiteren Verlauf des Ausbaus der Kinzigtalstraße wurden Lager in Offenburg – Rammersweier, Offenburg – Zunsweier, Geislingen – Häsenbühl, sowie als Sicherungslager des Alblimes die Kastelle in Frittlingen, Kastell Lautlingen und Kastell Burladingen angelegt. Mit Ausnahme des Kastells Burladingen, das sich auf rätischem Gebiet befand, waren alle anderen Kastelle obergermanisch. Als man im Jahr 1992 überraschender Weise das Kastell von Frittlingen entdeckte, das sich nur wenige Kilometer südöstlich von Rottweil befindet, wurde klar, dass sich entlang der Kinzigtalstraße ein dichtes Netz an Lagern befunden haben muss. Diese starke militärische Absicherung wird sicherlich nicht grundlos geschehen sein. Auch in der Umgebung von Rottenburg wird ein römisches Kastell aus dem ersten Jahrhundert vermutet, ob nun bereits um 73 / 74 oder erst um 98 nach Christus errichtet, ist entsprechend unbekannt.

Zur weiteren Befestigung und zur Grenzanpassung wurde die rätische Grenzlinie jetzt bis zum oberen Neckar der obergermanischen Provinzgrenze angepasst, die aus der Zeit bis etwa 80 nach Christus stammenden Donaukastelle wurden auf die Schwäbische Alp vorverlegt. Teilweise nur aus Aufzeichnungen weiß man von den Kastellen in  Gomadingen, Donnstetten und Urspring. Auch um das Jahr 80 herum entstand so eine weitere Befestigungslinie am Nordrand der Schwäbischen Alp von Ebingen über Heidenheim bis Oberdorf am Ipf. Weitere Kastelle wurden fast zeitgleich auch entlang des Neckars bis in den Odenwald hinein errichtet und bildeten dann den Neckar – Odenwald - Limes. Die bereits erwähnte Straße über Waldmössingen führte bis zu dieser Donaugrenze. Noch heute sind in Rißtissen römische Bildwerke in den Außenmauern der Kirche eingelassen zu sehen. Auch weiter nördlich entstanden zur gleichen Zeit weitere Militärlager der Römer östlich des Rheins, so in Frankfurt, Frankfurt – Heddernheim, Okarben, Groß-Gerau, Gernsheim, Ladenburg (Lopodunum), Heidelberg und Baden-Baden (Aquae).

Bis heute ist den Archäologen unklar, ob es sich dabei lediglich um einzelne Vorposten handelte, oder ob bereits zwischen 73 und 98 nach Christus eine römische Grenzlinie östlich des Rheins fest definiert war. Sicher ist man sich nur, dass ab dem Jahr 98 das gesamte heutige Südwestdeutschland bis zum Odenwald und bis zum Neckar römisches Hoheitsgebiet war. Mit dieser Entwicklung verlor die vormals so bedeutende Kinzigtalstraße ihre überregionale Bedeutung und die wichtige Handelsstrecke zwischen Mainz und Augsburg verkürzte sich nochmals.

Als Domitian den Krieg gegen die Chatten beenden konnte, hatten überwiegend rätische Truppen weitere Kastelle nördlich der Donau angelegt, so unter anderem in Heidenheim  –  Munningen  – Aufkirchen  – Unterschwaningen  –  Gnotzheim  –  Weißenburg  –  Pfünz  –  Kösching und Eining an der Donau. Dieser so genannte Süddeutsche Limes wurde zwischen 85 und 90 nach Christus mit dem Taunus – Wetterau - Limes durch die Anlage von Kastellen am Main, im Odenwald und am mittleren Neckar (Oberscheidental, Neckarburken, Wimpfen, Heilbronn-Böckingen, Walheim, Benningen, Cannstatt, Köngen) verbunden. Der Neckarlimes war mit dem Alblimes sogar durch eine stark befestigte Straße von Kastell Köngen nach Kastell Urspring verbunden.

Die ehemals germanischen Heeresbezirke wurden um etwa 85 nach Christus zur römischen Provinz Germania superior umgewandelt. Hierzu zählten die nördliche Schweiz, das Oberrheingebiet, der Mittelrhein sowie auch das Limesgebiet, das entlang einer Linie von Lorch auf die Schwäbische Alp reichte. Zur Hauptstadt mit Sitz eines Statthalters wurde Mainz (Mogontiacum).

Unter Kaiser Trajan fanden um die Jahrhundertwende nur noch vereinzelte militärische Operationen statt, die auch zur Verstärkung des Odenwald – Neckar – Limes genutzt wurden. Wachtürme und weitere Kastelle wurden entlang dieser Linie errichtet. Weitere Grenzkorrekturen gab es zur Regierungszeit des Kaisers Antonius Pius (134 – 161), der einige Neckarkastelle etwa 30 Kilometer weiter nach Osten entlang einer Linie Miltenberg – Walldürn – Osterburken – Jagsthausen – Öhringen – Mainhardt – Murrhardt – Welzheim vorverlegen konnte. Diese Linie wurde unter Antonius Pius mit einer Palisade, die durch einen Wall und dazugehörigem Graben versehen wurde, zum Obergermanischen Limes. In der Anbindung zum Rätischen Limes war jetzt eine Befestigungsanlage fertiggestellt, die vom Main bis zur Donau reichte. Auch der Rätische Limes war mittlerweile stärker befestigt worden. Anstelle der hölzernen Palisaden hatte man hier eine etwa 3 Meter hohe Mauer errichtet, die nördlich der Kastelle Lorch - Schirenhof  –  Unterböbingen  –  Aalen  –  Buch  –  Halheim  –  Ruffenhofen  –  Dambach  –  Günzenhausen  –  Theilenhofen  –  Ellingen  –  Böhming nach Eining zur Donau reichte. Alle Grenzübergänge nach Germanien wurden durch hohe Wachtürme mit dazugehörigen Kastellen kontrolliert. Das gesamte Hinterland zwischen Rhein, Neckar und Donau gehörte nun zur Provinz Germania superior, wurde aber von den Römern selbst auch mit Dekumatland bezeichnet.

Eine der bedeutenden Befestigungen war das rechteckige 277 x 214 Meter große Reiterkastell in Aalen. Während der Regierungszeit des Kaisers Antonius Pius, zwischen 138 – 161) war das Kastell zur Stationierung einer römischen Eliteeinheit am südlichen Obergermanisch – Rätischen Limes errichtet worden. In Hechingen – Stein konnte eine weitere sehr gut erhaltene villa rustica ausgegraben werden. Teilweise restauriert, bietet diese villa rustica interessierten Besuchern heute die Möglichkeit, das römische Leben auf dem Land nach zu empfinden. Weitere Ausgrabungen hier förderten in 2011 die etwa 16 Meter hohe Wand eines römischen Gebäudes zu Tage, die, aus welchen Gründen auch immer, umgestürzt war und nun unter der Oberfläche des Waldbodens lag. Neben der reichen, architektonischen Gliederung der Gesamtfassade sind allein die Bogenfenster in den teilweise freigelegten Bereichen der Wand äußerst sehenswert.

Entlang der Grenzbefestigungen entwickelten sich auch zivile Siedlungen, die die Militärlager zur eigenen Sicherheit nutzten und von den einheimischen Kelten und Germanen bewohnt wurden, die in Diensten der Römer standen. Zur Versorgung der Legionen und der Zivilbevölkerung war Handel und Dienstleistung notwendig, so dass sich aus diesen Lagern die Städte Ladenburg, Baden – Baden (Aquae), Rottweil (Arae Flaviae) und Rottenburg (Sumelocenna) entwickeln konnten. Neben den ersten Städten wurden auch dorfartige Siedlungen angelegt, die zur Versorgung der Truppen weit verstreut als „villa rustica“, sogenannte ländliche Gutshöfe, dienten. Eine der am besten erhaltenen villa rustica befindet sich als überdachtes Museum in Ahrweiler. Aus dem lateinischen Begriff „villa“ entwickelte sich das englische Wort „village“ für Dorf sowie auch das französische Wort „ville“ für Stadt.

Der Obergermanisch – Rätische Limes war damit zu einer Grenzbefestigung gegen das freie Germanien geworden, das eine Gesamtlänge von 550 Kilometern aufwies. Dieser  Limes war gleichzeitig zur am weitesten nach Osten vorgeschobenen Grenzlinie des römischen Imperiums geworden, zu dem mehr als 60 große Auxiliarkastelle, unzählige kleinere Kastelle sowie über 900 Wachtürme zählten. Durch das Ansiedeln von Kelten, Germanen und auch Römern an den Kastellen, die sich dem Handel verdingten, entwickelten sich langsam Ortschaften mit städtischem Charakter, die zu Zentren ziviler Verwaltungsbezirke aufstiegen, von den Römern „civitas“ genannt. Die entstehenden Städte (municipium), die Dörfer (vicus), die Einzelhöfe (villa rustica) und auch die Kastelle waren durch schnurgerade angelegte Straßen miteinander verbunden und selbst die einzelnen Provinzen waren über Fernstraßen miteinander vernetzt.

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