Motya – Heiliger Baal-Teich und nicht Binnenhafen
- Geschrieben von Portal Editor
An der Westküste Siziliens liegt inmitten der natürlich geschützten Lagune Lo Stagnone die kleine Insel San Pantaleo, rund acht Kilometer von Marsala entfernt, die vor 2000 Jahren unter dem griechischen Namen Motya (italienisch Mozia und sizilianisch Mozzia) weit über Sizilien hinaus bekannt war.
Aufgrund ihrer strategisch günstigen Lage siedelten schon ab der Bronzezeit Menschen auf Motya und nutzten die reichen Fischbestände als Nahrung und die Lagune als geschützten Hafen. Mit Beginn des achten Jahrhunderts vor Christus erreichten phönizische Siedler die Insel und entwickelten Motya zu einer wichtigen Hafenstadt mit Handelsbeziehungen im gesamten zentralen und westlichen Mittelmeerraum. Das brachte Motya in Konflikt mit Karthago und mündete in einen Krieg, in dem Motya im 6. Jh. vorübergehend zerstört, dann aber größer und stärker befestigt wieder aufgebaut wurde.
Eroberung durch Dionysios I. von Syrakus
Archäologischen Funden zufolge wurde die phönizische Siedlung in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. gegründet. Jedoch gab es schon seit der Kupfersteinzeit einheimische Siedlungen, von denen die mittel- bis endbronzezeitlichen Epochen (ca. 1650–900 v. Chr.) teilweise erforscht sind. Motya war zu Beginn der phönizischen Besiedlung (ca. 800–750 v. Chr.) wohl „nur“ eine Handelsniederlassung. Schwerpunkt der Besiedlung war der Norden der Insel. In der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts dehnte sich die Siedlung nach Süden aus und entwickelte sich im 6. Jahrhundert so weit, dass man Motya als Stadt bezeichnen kann.
Eine befestigte Straße, die von Diodor beschrieben wurde und auf Satellitenbildern sichtbar ist, existiert auch heute noch in Teilen und führte über den Lagunengrund von der Nordseite der Insel auf die Hauptinsel Sizilien nach Birgi Vecchioe. Ob diese Straße zur damaligen Nutzungszeit knapp über oder knapp unter der Wasseroberfläche lag, wird derzeit noch von Archäologen erforscht.
Motya wird erstmals von Hekataios von Milet
Um 650 v. Chr. hatte sich die Siedlung zu einer geschäftigen Hafenstadt entwickelt, deren Seehandel sich auf das zentrale und westliche Mittelmeer erstreckte. Dieser Wohlstand führte trotz ihrer alten, gemeinsamen Abstammung zu einer Rivalität mit dem mächtigen Karthago an der nordafrikanischen Küste. Dies führte dazu, dass Karthago Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. Motya erstmals besiegte und zerstörte.
Motya wird erstmals von Hekataios von Milet erwähnt und Thukydides zählt es zu den Hauptkolonien der Phönizier in Sizilien zur Zeit der athenischen Expedition im Jahr 415 v. Chr. Einige Jahre später (409 v. Chr.), als die karthagische Armee unter General Hannibal Mago auf dem Vorgebirge von Lilybaeum landete, stellte er seine Flotte zur Sicherheit im Golf um Motya auf, während er mit seinen Landstreitkräften entlang der Küste vorrückte, um Selinus anzugreifen. Nach dem Fall der letztgenannten Stadt wird erzählt, dass Hermokrates, der syrakusanische Verbannte, der sich auf den Ruinen niedergelassen hatte, die Gebiete von Motya und Panormus verwüstete. Während des zweiten Feldzugs der Karthager unter Hamilkar (407 v. Chr.) wurden diese beiden Häfen zu ständigen Stationen der karthagischen Flotte.
Die Siedlung auf der kleinen Insel ist interessant, weil ...
Diodor überliefert ferner, dass die Stadt 397 v. Chr. durch Dionysios I. von Syrakus erobert wurde. Zwar konnte Motya danach von den Karthagern zurückerobert werden, doch die Bürger siedelten lieber im neu gegründeten und schnell aufblühenden Lilybaion, das als uneinnehmbar galt. Auf der Insel blieben lediglich einige Gutsherren zurück, die dort bis zum Ende des ersten Punischen Krieges Landwirtschaft betrieben. Die Siedlung besaß aber wohl keine Bedeutung mehr, weshalb sie nicht mehr von antiken Autoren erwähnt wurde.
Die Siedlung auf der kleinen Insel ist interessant, weil sich dort nach der Zerstörung durch Dionysios I. von Syrakus nie mehr eine umfangreichere Besiedlung befand und Motya für Archäologen daher die seltene Möglichkeit bietet, eine nicht überbaute Stadt der Phönizier zu untersuchen. Durch tektonische Veränderungen ist die damals vorhandene Verbindung zur Hauptinsel versunken, die Straße ist aber noch deutlich im flachen Wasser der Lagune sichtbar.
Athener Stratege und Geschichtsschreiber Thukydides
Der Athener Stratege und Geschichtsschreiber Thukydides berichtet, dass Motya eine der drei Städte war, in die sich die Phönizier nach der immer weiter nach Westen ausgreifenden griechischen Kolonisierung Siziliens zurückzogen. Für Thukydides’ Auffassung der geschichtlichen Wirkkräfte bedeutsam sind insbesondere seine Annahmen über die Natur des Menschen und die Motive menschlichen Handelns, die auch die politischen Verhältnisse grundlegend beeinflussen.
Von der ehemals mächtigen Stadt Motya sind heute noch einige Befestigungsanlagen sowie der Kothon, das Heiligtum „Cappiddazzu“, das Tofet und Grundmauern einiger Häuser vorhanden. Ein kleines Museum beherbergt bei den Ausgrabungen gefundene Keramiken, Kleinplastiken, Münzen und ähnliches.
Reste der Stadtmauer, Relikte von Tempeln und eines Hafen
Schon Anfang des 20. Jahrhunderts stießen Archäologen auf die Überreste der phönizischen Stadt und gruben unter anderem Reste der Stadtmauer, Relikte von Tempeln und eines Hafens aus. Im Süden Motyas wurden zudem die Reste eines rechteckigen, gut 52 Meter langen und 37 Meter breiten Beckens gefunden. Weil sich an einem Ende dieses Beckens ein Kanal bis zum Meer zu erstrecken schien, interpretierten Archäologen es damals als sogenannten Kothon. „Der Begriff Kothon wurde von griechischen und lateinischen Quellen verwendet, um den Militärhafen von Karthago zu beschreiben“, erklärt Lorenzo Nigro von der Sapienza Universität Rom. Dabei handelte es sich um einen künstlich angelegten Binnenhafen in der phönizischen Stadt.
So wurde angenommen, dass der Kothon hier auch ein Hafenbecken sei. Neuere Forschungen durch Lorenzo Nigro von der Sapienza Università di Roma zeigen den Kothon von Mozia als heiligen Teich im Zentrum eines heiligen Bezirks. In der Mitte des Teichs befindet sich ein Podium, auf dem eine Statue von Baal (Gott) stand, die vermutlich 2,40 m hoch war.
Der heilige Bezirk ist umgeben von einem Temenos, einer runden, drei Meter hohen Mauer mit einem Durchmesser von 118 m. Diese umfasst neben dem Kothon Tempel des Baal (Gott) und einen Tempel der Astarte ein weiteres Gebäude, das als „Sanctuary of the Holy Waters“ bezeichnet wird. Damit könnte der gut 2500 Jahre alte Bau eines der größten heiligen Becken des präklassischen Mittelmeerraums gewesen sein.
Wegen der Ähnlichkeit zum karthagisch Kothon galt auch das Becken von Motya nach bisherigen Lesart als ein solcher Binnenhafen. Allerdings ergaben Datierungen, dass der vermeintliche Verbindungskanal zum Meer erst von den Römern und damit lange nach der phönizischen Ära angelegt wurde. Zuvor wurde das Becken nur durch drei Süßwasserquellen gespeist, wie das Team der Archäologen berichtet.
Noch entscheidender aber ist das Umfeld des Beckens von Motya: Die neuen Ausgrabungen enthüllten, dass es von gleich drei großen Tempelbauten umgeben war: Einem großen Baalstempel, der an der östlichen Längsseite des Beckens lag, einem Tempel der Astarte a der Nordseite und dem Tempel der heiligen Wasser an der nördlichen Längsseite. „Ausgrabungen von 2009 bis 2021 enthüllten zudem die Temenos-Mauer, eine 0,70 bis 1,50 dicke und drei Meter hohe Mauer, die den ‚Kothon‘ und die Tempel in einem kreisförmigen Areal von 118 Meter Durchmesser einschloss“, berichtet Nigro. Die Position der drei Tempel um das Becken, Rette von Altären, Stelen und Votivgaben sprechen nach Ansicht des Archäologen dafür, dass es sich hier um einen abgegrenzten Tempelkomplex der Phönizier handelte – „einen Ort de religiösen Aktivitäten, die den heiligen Wassern, dem Himmel und den damit assoziierten Göttern geweiht war“, so Nigro.
„Der Pool lag im Zentrum eines der größten Kultkomplexe des präklassischen Mittelmeerraums und diente wahrscheinlich ebenfalls kultischen Zwecken“, sagt Nigro. Reste einer Statue und eines steinernen Podests sprechen dafür, dass in der Mitte des Beckens einst eine große Baal-Statue stand. Angesichts der teilweise nach astronomischen Gesichtspunkten hin ausgerichteten Tempel und des Beckens könnte die Anlage den Phöniziern dabei geholfen haben, die Bewegung und Positionen von für sie wichtigen Sternbilder und Sternen zu beobachten, wie der Archäologe erklärt.
„Die Re-Interpretation des Kothon vom Motya machen diesen zu einem der größten und bestuntersuchten heiligen Becken des präklassischen Mittelmeerraums“, konstatiert Nigro. „Zusammen mit dem ‚Maabed‘ im syrischen Marit illustriert es die verschiedenen Funktionen und den vielseitigen Symbolismus von Kultinstallationen in der phönizischen Welt.“
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