Städtepartnerschaft Fatih, Istanbul – Wiesbaden? Ein Beispiel!
Während unserer Touren durch die Türkeitrafen wir am Ortseingang oder im Stadtzentrum einiger Städte auf Hinweistafeln von Städtepartnerschaften zwischen den besagten türkischen Städten und ihren ausländischen Partnerstädten, die durchaus einen gewissen Stolz vermitteln.
Sicherlich ist jedem der Sinn und Zweck solcher Partnerschaften klar, soll doch im weitesten Sinne der kulturelle Austausch von landestypischen Eigenschaften zum besseren Verstehen im Umgang der Menschen miteinander führen. So gibt es seit Jahren hervorragend funktionierende Städtepartnerschaften, wo sich nach ersten offiziellen Besuchen meist nach zunächst privaten Kontakten Freundschaften und enge Beziehungen zwischen den Bewohnern der jeweiligen Partnerstädte gebildet haben, wo man sich gegenseitig besucht, Sprache und Kultur des anderen zu verstehen beginnt, Schüleraustauschprojekte initiiert oder Ausbildungskonzepte gemeinsam vorantreibt. Wie schwierig der Aufbau solcher Partnerschaften ist, wollen wir am Beispiel der Stadt Wiesbaden und des Stadtteils Fatih / Istanbul anhand von Medienpublikationen begleiten.
Oberbürgermeister Helmut Müller war ursprünglich der Initiator der Idee, eine Städtepartnerschaft zwischen Wiesbaden und dem Stadtteil Fatih in Istanbul zu versuchen. Zunächst mit großem Zuspruch versehen, stellten sich schnell auch Bedenken hinsichtlich der Religion, hier oft mit fanatischem Islamismus betitelt, ein, die allerdings gerade dem Grundgedanken einer kulturellen Städtepartnerschaft widerspricht. Gerade das Kennenlernen und der Austausch kultureller Unterschiede ist doch der entscheidende Punkt im Verstehen anderer Meinungen und Ansichten, der zum Entwickeln zwischenmenschlicher Beziehungen und damit zur Toleranz beiträgt. Wie sonst können Fanatiker langfristig wieder eingebunden werden in das Miteinander der Menschen. Bestimmt nicht durch Ausgrenzung und Isolierung.
Die verschmähte Braut
Ein Stadtteil gerät in Islamismus-Verdacht. Die Stadt Wiesbaden legt die Verbindung vorerst auf Eis. Die Mehrheit im Parlament ist unsicher.
Als der Wiesbadener Oberbürgermeister Helmut Müller (CDU) vor zwei Jahren das Stadtparlament mit dem Wunsch überraschte, die Landeshauptstadt solle sich mit dem Istanbuler Stadtteil Fatih verschwistern, stieß er parteiübergreifend auf Wohlwollen. Ein halbes Jahr später hat er mit seinem türkischen Amtskollegen eine Absichtserklärung unterschrieben – die Verlobung geschlossen, wie sich Müller erfreut ausdrückte. Doch nun hat Wiesbaden seine Braut am Bosporus schmählich sitzengelassen. Nicht wegen einer anderen, sondern weil unter dem Brautschleier die hässliche Fratze des Islamismus stecken könnte.
Müllers Parteifreunde im Rathaus haben jedenfalls die Notbremse gezogen und die Partnerschaft vorerst gestoppt. Bis zur Kommunalwahl im März werde es keine Abstimmung im Stadtparlament geben, sagte CDU-Fraktionschef Bernhard Lorenz. Es sei unsicher, ob eine klare Mehrheit zustande komme, begründete er das Moratorium. Die SPD als zweitgrößte Rathausfraktion scheint froh über das Aussetzen des heiklen Themas.
Wiesbadener Besser-Wessis
Weltpolitik im Kleinen: Der Wiesbadener Provinzzwist erinnert an die jahrzehntelange erbitterte Auseinandersetzung in Deutschland über eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union.
Es braucht Zeit, Vertrauen aufzubauen. Es braucht Geduld, um aus gegensätzlichen Blickwinkeln gemeinsame Perspektiven zu entwickeln. Dazu kann eine Städtepartnerschaft sehr nützlich sein, denn sie ist auf lange Zeit und auf persönliche Begegnung angelegt. Außerdem schließt sie viele Menschen ein und nicht nur Funktionäre. Ein solcher Austausch täte Wiesbaden und dem Istanbuler Altstadt-Bezirk Fatih gut.
Dagegen geht es sehr schnell, Misstrauen zu verbreiten. Manchmal scheint es kaum glaublich, wie rasch das in der Politik passieren kann. Begierig haben lokale Politiker in Wiesbaden ein Wort einer Linguistin aufgegriffen, die Fatih als „Hochburg der Islamisten“ gebrandmarkt hat. Ein Zitat in einem Artikel, das zudem von einer Fachkraft für Übersetzungen und nicht für politische Einschätzungen stammt, und schon scheint aus der hoffnungsvollen Chance auf Völkerverständigung eine Gefahr geworden zu sein. Man kann sich nur wundern und ärgern über die forsche Art, mit der die Lokalpolitiker den Anlass zum Ausstieg aus einem offenbar ungeliebten Vorhaben genutzt haben.
Verstimmung am Bosporus
Wiesbadens Oberbürgermeister erfährt in Istanbul von der gefährdeten Städtepartnerschaft – und trotzt den Widerständen aus der Heimat. Die Stadtverordneten sind skeptisch, weil der Istanbuler Stadtteil Fatih eine islamistische Hochburg sein soll.
Es hätte so ein schöner Besuch werden können für den Wiesbadener Oberbürgermeister Helmut Müller (CDU). Herrliche Aussichten auf die Lichter der Millionen-Metropole, zuvorkommende Gastgeber und milde 23 Grad erlebte das deutsche Stadtoberhaupt jetzt bei seinem dreitägigen Abstecher in den Istanbuler Altstadt-Bezirk Fatih, mit dem er eine Partnerschaft anstrebt.
Doch von Wiesbaden wehten eisige politische Winde herüber. Dort beschlossen Stadtverordnete, die Entscheidung über die Partnerschaft bis zur Kommunalwahl im März aufzuschieben. Als Anlass genügte eine Wissenschaftlerin, die früher in Fatih gelebt hat und den Stadtteil in der deutschen Presse als „Hochburg der Islamisten“ bezeichnete.
Fast-Partner
Wiesbaden will eine Partnerschaft mit dem Istanbuler Altstadt-Bezirk Fatih eingehen. Vor zwei Jahren war erstmals eine türkische Delegation in der hessischen Landeshauptstadt zu Gast. Es gibt eine gemeinsame Absichtserklärung. In Wiesbaden zögern Stadtpolitiker, den Weg zu einer vollen Partnerschaft zu gehen. Die Sorge: In Fatih gebe es islamistische Tendenzen.
„Weltoffen und voller Leben“
INTERVIEW Was Edzard Reuter jenen erwidert, die Istanbul-Fatih als „Hochburg der Islamisten“ einordnen
Eigentlich ist es bereits beschlossene Sache: Wiesbaden soll eine Partnerschaft mit Fatih, einem Stadtteil vonIstanbul, eingehen. Doch CDU und SPD haben das Projekt vor der Kommunalwahl auf Eis gelegt. Dazu sprach der Kurier mit Edzard Reuter, der Istanbul aus seiner Kindheit kennt und die Türkei seine „zweite Heimat“ nennt.
Herr Reuter, was sagt Ihnen das Wort „haymatloz“?
Damit verbinde ich zunächst einmal eine wunderbare Ausstellung, die durch deutsche Städte geht und auch in derTürkei gezeigt worden ist. Sie schildert den Aufenthalt und das Wirken deutscher Emigranten in der Türkei nach 1933. Das Wort „haymatloz“ ist von den türkischen Behörden damals in dieser Bedeutung verwendet worden. Es spiegelt wider, was es bedeutet, in einem fremden Land zu leben, ohne sich dort wirklich zu Hause fühlen zu können.
Sie waren selbst ein „Haymatlozer“: Ihre Familie hatte in der Zeit der Nazidiktatur Aufnahme in der Türkei gefunden.
Ich war dort bestimmt nicht heimatlos. Die Türkei ist meine zweite Heimat. Darüber bin ich glücklich und stolz. Ich bin dort aufgewachsen.