Tagesausflug nach Lychnidos - heute Ohrid
- Geschrieben von Portal Editor
Schon am frühen Vormittag des folgenden Tages hatten wir uns mit Perparims Vater für einen Ausflug in die nahe Stadt Ohrid am gleichnamigen See verabredet. Wir nutzten eine schmale, kurvenreiche Straße entlang des Seeufers, die uns bis in das Stadtzentrum führte.
Unterwegs gab es erste Informationen zur Stadt selbst und natürlich auch zu ersten, zaghaften Versuchen, Tourismus zu etablieren. Vorläufer der modernen Stadt Ohrid, so erfahren wir, war einst die auf dem höheren der beiden Siedlungshügel liegende Ansiedlung, die mit Lychnidos bezeichnet wurde.
Ausgrabungsplätze Lakočeresko Gradište und Koselsko
Nordöstlich dieses Siedlungshügels erstreckte sich die fruchtbare Ebene, die schon in antiker Zeit relativ viele Siedler angezogen hatte und vermutlich schon seit der Steinzeit landwirtschaftlich genutzt wurde. Auch der fischreiche See und die strategisch günstige Lage haben sicherlich erheblich zur ersten Besiedlung der Region beigetragen.
Wissenschaftliche Ausgrabungen brachten die Zeitzeugnisse verschiedener Kulturen von der Jungsteinzeit bis in die Eisenzeit zutage. Dolno Trnovo, das im Stadtgebiet von Ohrid liegt, ist ein jungsteinzeitlicher Fundplatz aus dem 4.–3. Jahrtausend v. Chr. Die Ausgrabungsplätze Lakočeresko Gradište und Koselsko Gradište gehören der Bronzezeit an. Bei Gorenci fanden sich Zeugnisse aus der Eisenzeit.
Am Ufer des Ohridsees wurden zudem einzelne Pfahlbaudörfer gefunden, die durchaus vergleichbar der wiederhergestellten Pfahlbauten am Bodensee sind. Eine besondere Grabungsstelle dieser Art findet sich bei Gradište aus dem 1. Jahrtausend v. Chr.
Die ersten Bewohner der Region, die sich historisch relativ sicher zuordnen lassen, waren die illyrischen Encheläer. Sie bewohnten im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. die Region um den Ohridsee. Den Encheläern und anderen zugewanderten Volksgruppen folgten später – wann genau ist unbekannt – die ebenfalls illyrischen Dassareten, unter deren Einfällen das benachbarte Makedonien im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. wiederholt litt. Philipp II. von Makedonien konnte den Illyrern um 355 v. Chr. die Ortschaft Lynkestis entreißen und dehnte damit seinen Einfluss zeitweilig auch bis an die Ufer des Ohridsees aus.
Lychnidos unter römische Herrschaft
Während des Hellenismus entwickelte sich die Siedlung von Lychnidos zur Stadt, in der sich auch griechische Kolonisten ansiedelten. Lange Zeit blieb jedoch das Gebiet um Lychnidos eine zwischen Illyrern und Makedonen umstrittene Region. Als Makedonien 148 v. Chr. zur römischen Kolonie "umgewandelt" wurde, kam auch Lychnidos unter römische Herrschaft. Die jetzt entstandene Kolonie Dassaretia blieb bis in die frühe Kaiserzeit eine relativ freie Kommune mit Lychnidos als Regierungssitz und als Handelszentrum.
Zu dieser Zeit entwickelte sich Lychnidos zu einer bedeutende Zwischenstation des Handels an der römischen Via Egnatia, die das östliche Ufer der Adria bei Durres mit Byzantion, dem späteren Konstantinopel verband. Wir hatten Teilstücke die Route während der Anfahrt zu Ohridsee selbst "erfahren", denn die Nordroute der Via Egnatia führte aus dem Shkumbin-Tal, über den Pass Qafë Thana im heutigen Albanien, überquerte dann bei Struga den Schwarzen Drin und verlief weiter am Nordostufer des Sees nach Lychnidos. Von dort ging sie weiter nach Herakleia Lynkestis, dem heutigen Bitula, wo sie sich wieder mit der Südroute vereinigte, die am Prespasee vorbei führte.
Mit den Römern kamen Gladiator- und Tierkämpfe
Der florierende Handel der Römer sorgte für den raschen Ausbau der Stadt: es entstanden neben dem Theater eine Agora, ein Gymnasium, ein Buleuterion, eine Basilika und zahlreiche Tempel, die alle jedoch nur teilweise erhalten bzw. noch nicht ausgegraben worden sind. Das Theater, das den ersten Anfahrtspunkt unserer heutigen Erkundung bilden sollte, ist wohl das bekannteste Überbleibsel der antiken Stadt. Die Anfahrt zum Theater deutete schon auf das Alter der Stadtanlage hin, denn die engen und teilweise steilen Gassen waren für Straßenverkehr im heutigen Sinn nie geplant worden. Das Theater wurde um das Jahr 200 v. Chr. erbaut, wobei es gleichzeitig das einzig hellenistische Theater in ganz Mazedonien ist. Während der hellenistischen Zeit wurden hier Komödien, Tragödien und Dramen aufgeführt. Mit den Römern kamen Gladiator- und Tierkämpfe hinzu. In den drei oberen Sitzreihen sind einige Inschriften von Personennamen angebracht, die wahrscheinlich als Platzreservation während Aufführungen dienten. Insgesamt sind zwölf Sitzreihen der Zuschauertribüne (lat. cavea) erhalten geblieben.
Lychnidos durch ein Erdbeben stark zerstört
Wir sind ob des Erhaltungsgrades des Theaters doch erstaunt, so das es gar heute noch für verschiedene Veranstaltungen genutzt werden kann. Allerdings lassen sich auch immer noch Spuren der einstigen Überbauung erkennen, so das noch viel Arbeit ansteht, will man dieses Kulturdenkmal tatsächlich in seiner gesamten Pracht erhalten. Lohnen würde es sich allemal, zudem Mazedonien, insbesondere der Ohridsee, gerade als Reiseziel entdeckt wird.
Während der Römer-Zeit wuchs Lychnidos nach Osten bis hin zum Hügel Deboj. In der frühchristlichen Epoche entstanden in der Stadt sieben Kirchen, die auf ein religiöses Zentrum in der Region hinweisen. In der Spätantike wurde Lychnidos sogar Bischofssitz.
Der Bischof Dionysos von Lychnidos ist als Teilnehmer der Synode von Serdica im Jahr 343 bezeugt. Er ist der einzige bekannte Metropolit der Stadt. In der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts wurde eine dreischiffige Kirche errichtet, die ein Baptisterium sowie einen als Catechumenum bezeichneten Raum erhalten hatte.
Die Kirche verfügte vor allem im Baptisterium über zahlreiche Mosaike aus der Fauna und Flora. Am 29. und 30. Mai 526 wurde Lychnidos durch ein Erdbeben stark zerstört. Viele Einwohner kamen dabei um.
Das weitere Schicksal der Stadt ist unbekannt. Seit diesem Datum wurden auch keine Aufzeichnungen mehr über die Stadt Lychnidos gefunden. Erst drei Jahrhunderte später erwachte Lychnidos als slawische Stadt Ohrid zu neuem Leben.
So gibt es eine Säulen und Arkadengänge
Wir erklimmen den einstigen Ausgangspunkt der Besiedlung von Lychnidos und sind mehr als nur erstaunt die riesige Baustelle eines "Betongebäudes" vorzufinden, die einmal große Teile der Ausgrabungsstätte überdecken wird. Schade, wie wenig Gewicht man auf die langfristige Wertschätzung und Erhaltung solch einer Siedlungsstätte legt, die sich touristisch mit gutem Konzept unter Einbindung der Via Egnatia sicherlich effektiver nutzen lassen würde als das mit einem Gebäude je erreicht werden könnte. Deutlich fehlt es hier an einem ganzheitlichen Konzept.
Teilweise sind größere Mosaikflächen zu sehen, die allerdings auch nur notdürftig überdacht sind. Sicherlich fehlt es an den notwendigen Mitteln, hier ein klares Konzept umzusetzen. So gibt es eine Säulen und Arkadengänge, auch Brunnen und neuerlich restaurierte Gewölbegänge. Kurz, man bemüht sich, allerdings ohne wirkliches Konzept unter Einbindung aller Möglichkeiten der Region.
Ein sich anschließender Rundweg durch Ohrid zeigt das uralte Straßenpflaster in den engen Gassen der Altstadt.
Wir sind erstaunt, als wir erfahren, dass man weiter im Stadtzentrum das massive Pflaster gegen Betonplatten ausgetauscht hat.
Hoffentlich bleibt zumindest der Altstadtteil mit den liebevoll dekorierten Häusern erhalten.
Wir kommen auch in eine kleine Druckerei, in der nach alter Buchdruckerkunst einzelne Seiten auf selbst hergestelltem Papier bedruckt und an Touristen verkauft werden. Überhaupt ist die Innenstadt sehr belebt, trotz doch kühlen Novemberwetters. Wir kommen wieder, denn es gibt noch viel mehr zu entdecken.
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