Schaurig-Schön – der Zentralfriedhof von Wien
- Geschrieben von Portal Editor
Jede Stadt, wie auch jedes Land, hat so seine manchmal skurrilen Eigenheiten, so waren wir während des Gesprächs zum Thema Zentralfriedhof von Wien mehr als erstaunt, als wir erfuhren, dass der Friedhof auch als Park und Grünanlage von den Wienern genutzt wird.
Ja, es geht soweit, dass Jogger den riesigen Park fast täglich für ihre Läufe nutzen und Leseratten um entspannt und in Ruhe, gutes Wetter vorausgesetzt, den neuesten Besteseller zu verschlingen. So zählt denn der Zentralfriedhof auch zum östlichen Grün- und Erholungsgürtel von Wien. Aufgrund seiner Größe und des zum Teil dichten Baumbestandes beherbergt er sogar eine vielfältige Fauna. Am häufigsten zu beobachten sind die vielen Eichhörnchen, die von den Wienern „Hansi“ genannt werden und vergleichsweise zutraulich sind, da sie von Friedhofsbesuchern oft mit Nüssen gefüttert werden. Weniger bekannt sind die größten „tierischen Bewohner“ des Friedhofs, rund 20 Rehe, die vorzugsweise auf dem Areal des alten jüdischen Friedhofs anzutreffen sind, nicht zuletzt wegen der dort um die alten Grabsteine wachsenden immergrünen Pflanzen, die vor allem in den kälteren Jahreszeiten eine verlässliche Futterquelle sind. Darüber hinaus bietet der Zentralfriedhof Lebensraum für Turmfalken, Feldhamster, Dachse, Marder, Frösche und andere Kleintiere.
Bis Mitte der 1980er Jahre war das Friedhofsgelände sogar offizielles Jagdgebiet und der Wildbestand wurde durch einen von der Forstverwaltung eingesetzten Jäger kontrolliert. Heutzutage wird versucht, das ökologische Gleichgewicht auch ohne Einsatz von Gewehren zu bewahren, u. a. durch die Umweltschutzabteilung der Stadt Wien, die mit ihrem Arten- und Lebensraumschutzprogramm Netzwerk Natur dafür sorgt, dass abgesehen von den gepflegten Alleen und Gräberreihen auch verwilderte, naturnahe Bereiche erhalten bleiben.
Verkehr im und am Zentralfriedhof
Wir nutzen die Simmeringer Hauptstraße, die wohl wichtigste Verkehrsader des Stadtteils Simmering, bevor es mit dem Bau der Autobahn und dem ihr vorgelagerten Rennweg eine neue Zufahrt vom Stadtzentrum zum Flughafen Wien gab. Dieser Teil der historischen Fernstraße nach Budapest führt direkt zum Zentralfriedhof und trägt somit maßgeblich zu dessen Erreichbarkeit bei. Je mehr wir uns dem Friedhof nähern, umso dichter werden die Betriebe der Steinmetze, der Blumengeschäfte und andere Betriebe, die mit dem laufenden Friedhofsbetrieb in Verbindung stehen.
Wir sind mit unserem Freund Bertl verabredet, der bei unserer Ankunft noch nicht da ist. Wir nutzen die Zeit, uns einen ersten Überblick zu verschaffen, so fällt uns auch der Souvenirshop gleich am Eingangsportal auf. Wir betreten ihn und werden gleich von einer jungen Frau nach unseren Wünschen gefragt. Schnell zeigt sich auch hier der doch leicht skurrile Ansatz in der Denkweise zu Leben und Tod wieder. Nach Hinweisen zum Museum, dass sich hier mit der Grab- und Gräberkultur der Geschichte und Zugehörigkeit zu den Religionen beschäftigt, erfolgt auch der Hinweis auf ein wunderschönes Café direkt daneben: "Genießen Sie Ihren Kaffee und bleiben Sie für immer!"
Wir sind mächtig erstaunt, ein solcher Umgang mit dem Tod ist uns bisher nicht begegnet (Was wohl im Kaffee enthalten ist, um für immer zu bleiben, könnte einem in den Sinn kommen). Wir beschließen für heute, dass Café auszulassen, trotz des verführerischen Angebots an diversen, noch dazu köstlich duftenden Getränken und frischem Gebäck und Kuchen.
Unser Blick geht dann im Souvenirshop (welcher Friedhof weltweit verfügt über einen Souvenirshop) und bleibt an den ausgestellten T-Shirts verhaftet: Zentralfriedhof - hier liegen Sie richtig! steht darauf. Eine völlig neue Sichtweise tut sich vor uns auf.
Und obwohl der Friedhof zwischen dieser stark befahrenen Straße und der Trasse der Flughafenschnellbahn gelegen ist, bleibt allein durch die Weitläufigkeit des Areals der überwiegende Teil der Anlage von Verkehrslärm absolut verschont. Allerdings führt eine in geringer Höhe direkt über den Zentralfriedhof verlaufende Flugroute des südöstlich von Wien gelegenen Flughafens doch zu Beeinträchtigungen der Friedhofsruhe.
In einem der historischen Pavillons ist auf Initiative der Friedhofsverwaltung seit April 2018 erstmals das bereits angesprochene Kaffeehaus untergebracht. Mit Fenstern und Schanigarten öffnet es sich zum Friedhofsgelände hin. Im Gebäude befindet sich auch der Infopoint, ein Computerterminal zum Auffinden der Orte von Grabstellen, was absolut sinnvoll ist.
Der Zentralfriedhof weist aufgrund seiner Größe beträchtliche Wegstrecken auf. Seine Hauptwege können deshalb gegen eine Gebühr auch mit dem Auto befahren werden. Lediglich am 1. November (Allerheiligen) ist die Einfahrt nicht gestattet, da an diesem Tag das Risiko eines Verkehrschaos zu hoch wäre. Personen mit entsprechendem Behindertenausweis sind generell gebührenbefreit und dürfen auch zu Allerheiligen einfahren.
Um entlegene Gräber auch für Menschen ohne Auto leichter erreichbar zu machen, verfügt der Friedhof seit 1971 über einen eigenen Friedhofsbus. Dieser durchquert tagsüber, ausgenommen zu Allerheiligen, vom Tor 2 aus halbstündlich als Rundlinie den Großteil des Friedhofsgeländes und bedient dabei 19 durchnummerierte Haltestellen. Jährlich nutzen rund 60.000 Fahrgäste dieses Verkehrsangebot. Schon allein die Haltestellen im Parkgelände sagen alles.
Ehrenhain und Ehrengräber – auch Falco zählt dazu
Als 1885 mit der Errichtung der ersten Ehrengräbergruppe begonnen wurde, sollte mit dieser Konzentration an Grabstätten prominenter Verstorbener die Attraktivität des Friedhofs gesteigert werden. Seit 1954 gibt es neben den Ehrengräbern in den Ehrengräbergruppen auch noch die Kategorie ehrenhalber gewidmete Gräber, die sich entweder in Gruppe 40 (Ehrenhain) oder vereinzelt in anderen Gruppen auf dem Friedhofsgelände befinden. Derzeit gibt es auf dem Zentralfriedhof mehr als 350 Ehrengräber und über 600 ehrenhalber gewidmete Gräber.
Eines der von Touristen am häufigsten besuchten Grabmäler, jenes von Wolfgang Amadeus Mozart ist allerdings lediglich ein Denkmal, da sich die sterblichen Überreste Mozarts auf dem Sankt Marxer Friedhof befinden (wo jedoch die genaue Lage von Mozarts Grab nicht bestimmbar ist, da er aufgrund der josephinischen Reformen in einem Schachtgrab beerdigt wurde).
Der Ehrenhain in Gruppe 40 beherbergt ehrenhalber gewidmete Gräber von größtenteils nach den 1960er Jahren verstorbenen Persönlichkeiten. Das mit Abstand meistbesuchte Grab in dieser Gruppe ist jenes des 1998 verstorbenen Popstars Falco, das sich zu einer regelrechten Pilgerstätte für Falco-Fans entwickelt hat.
Musikalisch verewigt wurde der Zentralfriedhof durch den Austro Pop-Musiker Wolfgang Ambros, dessen Freund und Texter Joesi Prokopetz sich 1974 von einem Plakat anlässlich des 100-Jahre-Jubiläums des Zentralfriedhofs zu einem seiner größten Erfolge, dem Lied „Es lebe der Zentralfriedhof, inspirieren ließ“.
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