Symbole des Steinzeit-Heiligtums von Göbekli Tepe

Steinzeit-Heiligtums von Göbekli Tepe

Jahrtausendelang schon verständigen sich Menschen durch Sprache, überliefern Kenntnisse und Techniken durch mündliche Übertragung des Erfahrenen mit all den fehlerhaften Sinnentstellungen durch Weglassen oder Hinzufügen von Details des ursprünglichen Inhalts.

Psychologische, soziale und kulturelle Faktoren des menschlichen Umfeldes spielen zwangsläufig bei der mündlichen Überlieferung immer eine wesentliche Rolle. So wurden weltweit überlebenswichtige Informationen, die einen ähnlichen Kern aufweisen, aber auch geheimes Wissen, Rituale, Mythen, Legenden und Sagen mündlich weitergegeben, die in ihren Details aber beträchtlich voneinander abweichen können. Auch heute noch existieren Kulturen, in denen die mündliche Überlieferung von Traditionen und Wissen durchaus üblich sind.

Olmeken werden mit der Verwendung der Schrift in Verbindung gebracht

goebeklitepe schriftzeichen 1Die Erfindung der Schrift gilt als eine der wichtigsten Errungenschaften menschlicher Zivilisation, da sie erstmals die Überlieferung von Wissen und kulturellen Traditionen zuverlässig über Generationen hinweg erlaubte und deren Erhaltung (je nach Qualität des beschrifteten Materials und natürlich auch der Umstände) über einen langen Zeitraum garantierte. Alle bekannten frühen Hochkulturen wie die Sumer und Ägypter, die Indus-Kulturen, das Reich der Mitte und die Olmeken werden mit der Verwendung der Schrift in Verbindung gebracht. Wie aber ist die Schrift entstanden?

Schon vor vielen Jahrtausenden hinterließen eiszeitliche Jäger ihre Lebenswelt in Form von Höhlenmalereien, in denen die Tierwelt aber auch die Jagd selbst dargestellt wurde. Wie und wann sich aus solchen konkreten Abbildungen die ersten Symbole und dann Schriftzeichen entwickelten, ist bislang wissenschaftlich umstritten. Vielleicht findet sich nun eine Auflösung der bestehenden Fragen in den einzigartigen Monumenten der Steinsäulen von Göbekli Tepe, einer Ausgrabungsstätte des leider kürzlich verstorbenen Archäologen Klaus Schmidt nahe der türkischen Stadt Sanliurfa. Schmidt hatte über Jahre dort an von Menschenhand angelegten "Grabhügeln" Ausgrabungen geleitet, die die pfeilerartigen Säulen von vor rund 12.000 Jahren zu Tage förderten. Die reichlich vorhandenen Tierbilder und Symbole des Steinzeit-Heiligtums Göbekli Tepe deuten einen bislang ersten, bekannten Wandel zu symbolischer Deutung an: Schriftvorläufer von vor 12.000 Jahren.

goebeklitepe schriftzeichen 2Geprägt sind die Steinkreise von Göbekli Tepe durch große, T-förmige, rechteckige Pfeiler aus Kalkstein. Auf den Flächen dieser T-Pfeilern befinden sich in Flachreliefs dargestellte Tiere, darunter Schlangen, Skorpione, Füchse, Kraniche, Gazellen und Wildesel. Außerdem gibt es stärker abstrahierte Zeichen wie Tiere, Hände oder die Kombination aus Mondscheibe und Mondsichel. Genau diese Zeichen deuten nach Ansicht von Ludwig Morenz von der Abteilung für Ägyptologie der Universität Bonn darauf hin, dass schon die Steinzeitmenschen erste Schritte hin in Richtung Schrift gegangen sein müssen.

Der Archäologe Ludwig Morenz sieht in der Bildersprache von Göbekli Tepe deutliche Hinweise auf eine beginnende Abstraktion und damit den Anfang einer symbolischen Kodierung - mehr als 5.000 Jahre vor den ersten ägyptischen Hieroglyphen.

"Das Höhenheiligtum ist so etwas wie das fehlende Bindeglied zwischen Bildern und den ersten Schriftzeichen", sagt Ludwig Morenz. "Göbekli Tepe steht für die Entwicklung von reinen Bildern zur Kodierung von darüber hinaus gehender Bedeutung." Während es sich bei der Darstellung eines Stieres etwa in der Höhle von Altamira in Spanien um das direkte Abbild des Tieres handelt, sei ein Stierkopf in dem Höhenheiligtum der Türkei von der primären Bildbedeutung losgelöst als abstraktes Symbol für eine Gottheit zu verstehen. Diese fast schon abstrakten Tierfiguren könnten ein erster Schritt in Richtung Schrift sein.

Abstrahierte Bilder als Symbole

goebeklitepe schriftzeichen 3Die Bildzeichen könnten gleichzeitig mehrere Bedeutungen haben: Ein Schlange steht einerseits für Bedrohung, kann aber auch als Zeichen für etwas Abwesendes verstanden werden – weil der Abdruck der Schlange im Sand verbleibt, wenn das Tier längst weiter gezogen ist. Das Abbild einer abstrahierten Hand lässt sich als Geste - etwa von Abwehr - interpretieren. „Es handelt sich dabei um einen Sprung in eine neue mediale Welt“, sagt Morenz. Die Tierabbildungen von Göbekli Tepe wurden seiner Meinung nach bereits als solche Symbole verwendet.

Schon am Ende der Eiszeit wurden demnach Grundlagen gelegt, auf denen sich die spätere kulturelle Revolution aufbauen konnte. Allerdings: „Bei dieser frühen Bildsprache handelt es sich noch nicht um Schriftzeichen“, stellt der Forscher klar. Schriftzeichen sind noch einmal deutlich differenzierter und enthalten auch Informationen darüber, wie ein bestimmtes Zeichen ausgesprochen wird. Dennoch sei diese frühe Form der Bildzeichen immerhin mehr als doppelt so alt wie die ältesten Schriftzeichen der Altägypter.

Ähnliche Symbole auch anderswo

goebeklitepe schriftzeichen 4Der Ägyptologe untermauert seine These mit der Tatsache, dass insgesamt rund 20 verschiedene Bildzeichen in ähnlicher Form auch noch in anderen frühneolithischen Fundorten im Umkreis von 150 Kilometern um Göbekli Tepe herum entdeckt wurden.

In dieser fruchtbaren Landschaft zwischen den Oberläufen von Euphrat und Tigris wurden Menschen früh sesshaft. Sie teilten in den verschiedenen Siedlungen mit leichten Abwandlungen die gleichen Bildzeichen.

„Das kann kein Zufall sein, die Menschen dieses Kulturraumes müssen sich auf ein einheitliches Zeichensystem geeinigt haben“, ist Morenz überzeugt.

goebeklitepe schriftzeichen 9Göbekli Tepe zeigt nach Ansicht des Forschers eindrücklich, wie komplex und spezialisiert bereits die steinzeitliche Gesellschaft vor rund 12.000 Jahren war. „Der Gebrauch von Sprache, Hand und Hirn gingen mit einander einher“, sagt Morenz.

In dem Maß, wie sich die Menschen damals mit großem handwerklichen und intellektuellem Geschick eine abstrakte Bildsprache schufen, drangen sie jenseits der Herausforderungen des Alltags in religiöse Sphären vor und stellten sich bereits den Grundfragen der Menschheit nach dem Jenseits.

„Es handelt sich um den Beginn der medialen Entwicklung und um den Aufbruch in neue Denkräume“, sagt Morenz.

goebeklitepe schriftzeichen 5Traditionell werden die Sumer als die Kultur genannt, in der die Schrift erstmals verwendet wurde. Die wohl ältesten Schriftfunde stammen von dem Fundort Uruk aus Schichten unter der so genannten Uruk-III-Schicht. Sie werden somit ins 4. Jahrtausend vor Christus datiert. Es handelt sich überwiegend um Wirtschaftstexte. Die verwendete Schrift lässt allerdings keine Rückschlüsse auf die Sprache zu, es ist daher falsch, diese Schrift im strengen Sinne als sumerisch zu bezeichnen. Nur wenige Forscher glauben, dass es sich bei den Symbolzeichen der Vinča-Kultur in Südosteuropa, die in das 5. Jahrtausend v. Chr. datiert werden, um eine tatsächliche Schrift handelt.

Eine Geschichte der Fixierung von Sprache zu sehen

goebeklitepe schriftzeichen 6Die ägyptischen Hieroglyphen werden oft als eine aus Vorderasien importierte Idee von Schriftzeichen angesehen; neuere Funde von Günter Dreyer in Ägypten stellen diese Lehrmeinung allerdings in Frage, und er vermutet eine eigenständige Erfindung. In China und Mittelamerika (Maya) wurde die Schrift ebenfalls unabhängig entwickelt. Beim ersten bekannten Schriftzeugnis Mittelamerikas handelt es sich um einen in Veracruz entdeckten Steinblock, in den insgesamt 62 Symbole eingeritzt sind; einige dieser Zeichen fanden sich auch auf Funden, die Forscher der Kultur der Olmeken zuordnen. Derzeit geht man davon aus, dass die zwölf Kilogramm schwere Schrifttafel rund 3000 Jahre alt ist.

Der durch Belege abgesicherten Lehrmeinung über die Entstehung von Schriftsystemen in geografisch weitgehend getrennten Kulturen wird von einzelnen Wissenschaftlern und Privatgelehrten immer wieder in verschiedenen Varianten die These entgegengehalten, die ältesten bekannten Schriftsysteme seien aus einer älteren, teils gemeinsamen, global verbreiteten Zeichenschicht entwickelt worden. Belege dafür, die der wissenschaftlichen Kritik standhalten, sind bisher jedoch nicht vorgelegt worden.

goebeklitepe schriftzeichen 7Die Geschichte der Schrift ist nicht nur als eine Geschichte der Fixierung von Sprache zu sehen. Es ist damit zu rechnen, dass es auch eine eigene Geschichte der Symbole, Zeichen und Schriftzeichen gibt. Der uns heute bekannten Schrift gehen Felszeichnungen, z. B. in der Höhle von Lascaux, vor ca. 20.000 Jahren voraus. Auch dort wurden bereits abstrakte Zeichen verwendet, die wohl magischen und symbolischen Charakter hatten. Seit zehntausenden von Jahren benutzen Menschen diese Zeichen und Bilder, um Botschaften zu hinterlassen. Von Schrift kann allerdings erst gesprochen werden, wenn ein festgelegtes Zeichensystem zum Ausdruck für verschiedene Informationen zur Verfügung steht. Bereits in der Jungsteinzeit (Neolithikum) wurden Steine mit geometrischen Linien hergestellt, von denen die Forschung mit einiger Gewissheit sagen kann, dass sie zum Zählen dienten, der wahrscheinlich wichtigsten Grundlage einer echten Schriftentwicklung.

Immer wieder wird aus all den Diskussionen über neuerliche Funde jedoch deutlich, wie gering das bisherige Wissen um die Entwicklung des Menschen tatsächlich ist.

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