Versunken in den Fluten des Euphrat
Zeugma, Handelszentrum und Militär-station an der Ostgrenze des Römischen Reiches - Wenige Kilometer nördlich des neu errichteten Staudamms von Birecik lagen sich in der Antike zwei größere Siedlungen am Ufer des Euphrat einander gegenüber: Apameia linksseitig und Seleukeia / Zeugma am rechten Ufer.
Apameia und Seleukeia wurden von Seleukos I. Nicator im 3. Jahrhundert v. Chr. gegründet.
Er ließ eine Pontonbrücke über den Fluss bauen und baute Seleukeia zu einem Handels- und Verwaltungszentrum aus. Der bedeutende Euphratübergang war eine wichtige Etappe an der Seidenstraße, hier fand neben dem wirtschaftlichen auch ein kultureller Austausch zwischen dem Westen und den östlichen Kulturen statt.
Zeugma ein Handelszentrum und eine Militärstation an der Ostgrenze des Römischen Reiches
In römischer Zeit wurde ein Legionslager errichtet und die Legion III Scytica hierher verlegt. Die besondere Lage der Stadt führte dazu, dass sich schon bald eine wohlhabende Oberschicht hier ansiedelte, Verwaltungsbeamte, Militärs, Handelsleute, die ihre Villen großzügig ausstatteten. Das „Goldene Zeitalter“ erlebte Zeugma im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. Aus dieser Zeit stammen auch die römischen Villen mit ihrem Mosaik- und Freskenschmuck.
In ihrer Blütezeit soll die Stadt 70.000 Bewohner gehabt haben. Im Jahre 256 n. Chr, wurde die Stadt von den Sassaniden erobert, zerstört und eingeäschert. Einstürzende Hauswände, möglicherweise auch in der Folge eines Erdbebens und natürlicher Erosion, haben die römischen Stadtbezirke zugeschüttet und mit einer bis zu 6m hohen Erdschicht bedeckt. Die heutige Fundlage lässt vermuten, dass die Stadt nach den Sassanideneinfällen aufgegeben wurde und seitdem verfiel.
Unter dem Schutt haben sich in den vornehmen römischen Villen am Flussufer wundervolle Mosaiken erhalten, die das heutige Interesse an dieser antiken Stadt hervorgerufen haben. In einem neu gebauten, 2011 eingeweihten, Museum in Gaziantep, das ausschließlich den Fresken und Mosaiken von Seleukeia/Zeugma vorbehalten ist, werden die Schätze sehr übersichtlich und eindrucksvoll ausgestellt.
Prächtige Mosaike am Ufer des Euphrat
Die Lage der antiken Stadt war schon im 19. Jahrhundert bekannt. In der näheren Umgebung wurde eine Nekropole lokalisiert und hellenistische Fußbodenmosaiks konnten freigelegt werden, die heute in Berlin und St. Petersburg zu sehen sind. Ein Zufall war es, der zur Entdeckung der großartigen Mosaiken am Ufer des Euphrat geführt hat. Ein Aufseher erkundete einen Tordurchgang, der von Schatzräubern angegraben worden war und entdeckte am Boden zahlreiche figürliche Mosaik darstellungen. Er meldete seinen Fund an das Archäologische Museum in Gaziantep und damit begann die Erforschung und Rettung der ufernahen Mosaiken, die sich in den Villen der vornehmen Stadtbevölkerung befanden.
Die Ausgrabungen gestalteten sich mühsam. Geldmangel und ein zunächst nur geringes Interesse der Öffentlichkeit behinderten eine systematische Erfassung der Fundlage. Schatzräuber wurden aktiv und stahlen zahlreiche Mosaiken, trugen sie ab und hinterließen nicht wieder gut zu machende Zerstörungen.
Ein besonderes Schicksal widerfuhr zwei Mosaikfragmenten, die auf der Terrasse einer Villa gefunden wurden und die bereits 1965 gestohlen wurden. Die leeren Flächen im Mittelteil des Mosaiks, das in Gaziantep ausgestellt war, waren von der Form her zu schließen wohl mit der Darstellung zweier Personen ausgefüllt. Nach eingehenden stilistischen und formalen Untersuchungen der Formen und Farben der Steine der Porträts und der Gewandung kam man zu dem Schluss, dass es sich um ein Paar handelte, das im Menil Collection House der Rice Universität in Houston/Texas ausgestellt wurde und das, so nahm man an, zu der bestimmten Villa von Zeugma gehörte. Es handelt sich um die Darstellung von Metiox und Parthenope , einem mythologischen Liebespaar. Metiox ist durch eine Mosaikinschrift identifizierbar, für die weibliche Figur fehlte zunächst jede Identifizierungsmöglichkeit, nur die drei Buchstaben PAR im ursprünglichen Mosaik in Gaziantep ergaben einen kleinen Hinweis.
Auf Initiative des türkischen Kulturministeriums wurden die Darstellungen Im Jahre 2000 in die Türkei zurückgebracht und können heute im Museum bewundert werden.
Türkische Archäologen aus Gaziantep beginnen mit Ausgrabungen
Ein besonders schmerzhafter Verlust war die Zerstörung eines großen, 11 Personen umfassenden Mosaiks, das die Hochzeit des Dionysos mit großem Gefolge darstellte. Im Zentrum des Mosaiks saß das Hochzeitspaar auf einem Thron, dem Eros, der Gott der Liebe, einen Trank anbot. Links ist eine Wolle spinnende Frau dargestellt und von rechts überbringen zwei Frauen einen Kasten mit Geschenken dem Hochzeitspaar. Am linken Rand ist eine Figur dargestellt, die aus einer Schale trinkt, und eine Aphrodite mit einer Fackel in einer Haltung, wie wir dies von den Fresken von Pompeji her kennen. Rechts erkennt man zwei Flötenspieler mit ihren Instrumenten. Dieses großartige Bodenmosaik kennen wir heute nur noch aus den bei der Entdeckung gemachten Bildaufnahmen. Große Teile wurden im Juni 1998 gestohlen und sind seitdem verschwunden.
Seit der Entdeckung der Mosaiken haben türkische Archäologen aus Gaziantep, später dann auch eine australische Ausgräbergruppe, die römischen Villen auszugraben begonnen. Aber so recht kam man nicht voran, obwohl die Zeit drängte, denn es war seit geraumer Zeit bekannt, dass der Euphrat im Rahmen des Südostanatolien-Projekts bei Birecik gestaut werden sollte Baubeginn 1996, mit der Konsequenz, dass weite Teile der antiken Stadt in Ufernähe überflutet würden, so auch die entdeckten römischen Villen mit ihren Mosaiken.
Die Geschichte der Notgrabungen am Euphrat ist mehr als abenteuerlich, denn auch als bekannt wurde, dass im Jahre 2000 der Staudamm von Birecik fertig gestellt sein würde, war das Interesse an den Mosaiken eher verhalten. 1994 alarmierten die Archäologen von Gaziantep die internationale Archäologenschaft und riefen zur Mithilfe bei den Notgrabungen auf, doch die Resonanz blieb aus und auch das türkischen Kulturministerium war nur zu einer sehr sparsamen Unterstützung bereit. Notwendige Grabungen konnten wegen Geldmangels nicht durchgeführt werden. 1995 kam es auf Initiative des französischen Außenministeriums zu einer konkreten Unterstützung der Ausgrabungen, die bis 1999 andauerte. Im Jahre 2000 erreichte der Wasserpegel des Euphrat das Areal der römischen Villen und es schien, als ob unwiederbringliche Schätze verloren seien, wenn der Fluss seinen Endstand erreichen sollte. Schon 1998/99 entschloss man sich, die Notgrabungen auch im Winter, d.h. außerhalb der offiziellen Grabungszeiten zwischen April und Oktober, durchzuführen, also rund um die Uhr die Schätze zu heben, die in den Villen zu finden waren, doch erst im Juni 2000 wurde ein Vertrag zwischen dem Hewlitt Packard Humanities Institute und der GAP-Behörde der Türkei geschlossen, der es ermöglichte, auf einer großzügig bedachten finanziellen Basis und unter Einschluss aller verfügbaren Kräfte die Notgrabungen voran zu treiben. Der Sohn des Hewlitt Packard Gründers hatte im Mai 2000 eine Artikel über die Ausgrabungen in Zeugma und über die auftretenden Probleme in der New York Times gelesen und spontan beschlossen, hilfreich einzugreifen. Er beauftragte eine englische Firma, die Oxford Archaeological Unit, unter der Leitung von Robert Early mit der Rettung der kostbaren Schätze, zog italienische Mosaikspezialisten und ein französisches Team hinzu und stattete die Ausgrabungen mit fünf Millionen Dollars aus. Allein bei den Notgrabungen von Juni bis Oktober 2000, dem Zeitpunkt der endgültigen Überflutung der Ruinenstätte, konnten 45 Mosaike gesichert und gerettet werden.
Alle Funde wurden nach Gaziantep gebracht und in dem dortigen Museum mehr schlecht als recht archiviert, teils im Haus selbst ausgestellt, teil im Garten gelagert, bis sie heute in dem 2011 neu eröffneten Museumsbau, der mit dem alten Museum durch einen Trakt verbunden ist, ausgestellt sind. Das neue Museum ist im Stile einer großen römischen Villa mit Peristylhof und Balkonen im Obergeschoss so angelegt, dass die Mosaike in einer fast ursprünglichen Lage zu bewundern sind. Kurze Erklärungen zu den einzelnen Mosaiken, Schautafeln und Filmdarbietungen, die didaktisch überzeugend angeboten werden, vermitteln einen großartigen Einblick in die Schätze der römischen Kaiserzeit von Zeugma, die neben den Mosaiken auch Freken umfassen, die vor Ort gefunden worden sind.
Die Villen sind heute benannt nach den figürlichen Darstellungen, die man in ihnen gefunden hat. Es kann hier nicht der Ort sein, die Fülle der Mosaiken vorzustellen, nur eines soll erwähnt sein.In der Villa desPoseidon überwältigt den Betrachter die kraftvolle Darstellung des Meeresgottes auf goldenem Wagen, gezogen von zwei silbernen Pferden, der frontal auf den Betrachter zureitet. Darunter sind Oceanos und Thetis dargestellt, inmitten einer Fülle von unterschiedlichem Meergetier. In der gleichen Villa wurde die gut erhaltene Darstellung des Gottes Dionysos gefunden, wie er auf einem Streitwagen, der von zwei Panthern gezogen und von der Siegesgöttin Nike gelenkt wird, von links in das Bild hereinfährt. Zu bestaunen sind auch die Ornamentbänder, die in ihrer unglaublichen Vielfalt fast sämtliche Muster der spätantiken Ornamentkunst umfassen
Wenn man heute in die südöstlichen Regionen der Türkei aufbricht, so gehört der Besuch des neuen Museum in Gaziantep zu einem unerlässlichen Muss, ein Muss, das sich in jeder Hinsicht lohnt und einen großen Kunstgenuss verspricht.
Bitte lesen Sie auch: