Göbekli Tepe - 11.000 Jahre altes Heiligtum
Als der Hauptbesuchspunkt und Highlight während unserer Tour nach Şanlıurfa war die Ausgrabungsstätte von Göbekli Tepe gedacht und so hatten wir im Vorfeld mehrfach mit dem Archäologen Klaus Schmidt korrespondiert, um möglichst vor Ort mit ihm zusammen zu treffen.
Da es mal wieder einige Querellen zwischen der Türkei und Deutschland hinsichtlich der Rückführung einiger Artefakte gab, hatte sich der diesjährige Grabungstermin des Archäologischen Instituts allerdings immer wieder verschoben, so zumindest unsere Vermutung, nachdem wir am Hügel Göbekli Tepe ankamen und die Ausgrabungsstätte ohne tätige Archäologen vorfanden.
Erstmals hatte der amerikanische Archäologe Peter Benedict im Jahr 1960 am Göbekli Tepe gegraben und dabei Vermutungen geäußert, das dieser Platz bis in die Steinzeit zurück genutzt worden war. Von welch immenser Bedeutung Göbekli Tepe allerdings sein würde, ist erst mit dem Besuch des deutschen Archäologen Klaus Schmidt im Jahr 1994 klar geworden, der offen auf der Oberfläche liegende Steinteile als eindeutig steinzeitlich einordnen konnte. Über Jahrhunderte war der Göbekli Tepe landwirtschaftlich genutzt worden und immer wieder hervortretende Steine waren von den Bauern achtlos seitlich zusammengetragen und aufgeschichtet worden. Als durch Regenauswaschungen große Steinsegmente auftauchten, versuchte man diese durch Abschlagen zu beseitigen, was zu monumentalen Schäden geführt hat. Die Archäologen erkannten aus diesem Material allerdings recht schnell, das es sich hier um einen künstlichen Berg handeln müsse.
Erste Grabungen ergaben dann auch tatsächlich den Nachweis, das es sich um eine neolithische Fundstelle handelte. Noch im gleichen Jahr begannen das Deutsche Archäologische Institut in Zusammenarbeit mit dem Museum von Sanliurfa unter Leitung von Klaus Schmidt mit den weiteren Ausgrabungen am Berg von Göbekli Tepe. Schnell stieß man auf die heute bekannten Pfeilerformationen mit der merkwürdigen T-Form. Immer tiefer wurden die Ausgrabungen voran getrieben und immer deutlicher wurde auch das Alter der komplexen Anlage sichtbar. In der bislang ältesten gefundenen Schicht, die allgemein mit Schicht III gekennzeichnet wird, traten dann monolithische Pfeiler zu Tage, die durch Mauern aus grobem Gestein wie zu Räumen zusammen gefügt sind. Im Mittelpunkt der kreisförmigen Anlage, die bei den bisher entdeckten Anlagen zwischen 10 und 30 Metern im Durchmesser betragen, stehen zwei größere Pfeiler im Vergleich zu den Außenpfeilern. Erst jetzt wurde aufgrund der Schichtenfolge das wirkliche Alter von einigen Tausend Jahren klar, so das eine eindeutige Zuordnung zumNeolithikum möglich war.
An den Monolithen sind recht außergewöhnliche teilweise abstrakte Tierzeichnungen eingraviert, die vielleicht heilige Symbole darstellen, die man vergleichbar auch in Höhlen gefunden hat. Eine eindeutige Zuordnung ist aber aufgrund der Einzigartigkeit nur schwer möglich. Über welch erstaunliche Fachkenntnis dies Erbauer schon verfügt haben müssen, lässt sich am Besten an der T-Form der Säulen darstellen, die aus einem Stück angefertigt sind. Der Achäologe Klaus Schmidt spricht im Zusammenhang der Figuren mit der Form der Säulen von „der Verkörperung geheimnisvoller Wesen“. Aufgrund der „Blickrichtung“ zur Kreismitte auf die im Mittelpunkt stehenden Säulen deutet Schmidt die T-Form der Steine als Köpfe, deren Kinn deutlich hervortritt. Diese These wird durch Reliefzeichnungen an der Seite der Säulen unterstützt, die nach Schmidt Arme und Hände erkennen lassen. Erstaunlicherweise sind, bis auf eine Ausnahme, alle Zeichnungen Tiermotive von Löwen, Stieren, Keiler, Gazellen, Schlangen, Geiern und Skorpionen.
Geophysikalische Untersuchungen der Region mit der Radiokarbonmethode deuten daraufhin, das es weitere Anlagen dieser Art geben muss, so das man schätzt, bislang lediglich 2% der Fläche freigelegt zu haben. Auch das Alter der Anlagen konnte mit der Methode relativ exakt bestimmt werden: Schicht III entstand etwa 9.000 vor Christus, Schicht II etwa 8.000 vor Christus. Die „Grundfläche“ oder das Fußbodenniveau wurde bislang nur bei einer der Anlagen freigelegt und ergab zum Erstaunen aller einen menschlich angelegten Terrazzoboden wie man ihn später in römischen Bauten vorfindet.
Nach heutigen Erkenntnissen begannen Menschen in der Zeit um 9.000 vor Christus erstmals sesshaft zu werden, da sie in der Lage waren Ackerbau und Viehzucht zu verbinden und Getreide zu domestizieren. Neueste Forschungen lassen auch erkennen, das erstmal Menschen durch Gen Veränderungen (Laktoseintolleranz) Milchprodukte auch im Nichtkindesalter vertragen konnten, was erheblich zur Urbanisierung beigetragen haben muss. Dieser Zeitraum wird häufig mit der neolithischen Revolution bezeichnet.
Der Bau dieser Anlagen ist nicht nur aufgrund der gefundenen Terrazzoböden der Schicht III erstaunlich, sondern vor allem aufgrund der 10 – 20 Tonnen schweren Pfeiler, die in den Steinbrüchen der Umgebung angefertigt und her transportiert werden mussten. Dies zu regeln erfordert nicht nur eine komplexe Organisation sondern hunderte von Menschen, die in der Lage waren, die Blöcke zu transportieren.
Auch ist erstaunlich, das trotz intensiver Suche bislang keine menschlichen Behausungen gefunden wurden. Es entsteht der Anschein, als das es nur besondere Gebäude für rituelle Treffen in dauerhafter Ausführung gegeben hätte. Ob die ersten Siedlungen aus Zeltstätten bestanden?
Ein weitere Punkt ist mindestens ebenso erstaunlich und noch fehlt jegliche Erkenntnis zur Frage nach dem warum! Etwa um 8.000 vor Christus wurde nicht nur mit der Instandhaltung der Bauwerke aufgehört, nein, die gesamte Anlage wurde planmäßig zugeschüttet. Hierzu war erneut ein immenser Aufwand von ca. 500 m3 Sand und Erdreich notwendig, das nicht mal eben so herbeigeschafft werden konnte. Warum man die Anlagen zuschüttete wird wohl nie geklärt werden können. Vielleicht waren durch Ackerbau und Viehzucht in der fruchtbaren Ebene von Euphrat und Tigris auch Kultstätten dieser Art nicht mehr notwendig.
Jede Frage die auftaucht, und trotz oder gerade wegen der Ansatz weisenden Erklärung durch die Archäologen, wirft weitere Fragen auf, so das man schon auf die nächsten Erkenntnisse und Erforschungen wartet. Das es sich bei Göbekli Tepe um die bisher älteste gefundene Tempelanlage der Welt handelt, bedeutet zunächst die Erkenntnis, das mit dem Sesshaft werden der Menschen auch bereits erste Kultstätten gebaut wurden. Ob man eines Tages zuviel weitere Kultstätten findet, das man zweifelsfrei Erklärungen bieten kann bleibt offen. Eine Reise wert ist die Anlage in Göbekli Tepe allemal. Da sich Teile der Ausgrabungen aus Göbekli Tepe im Museum von Sanliurfa befinden, sollten Sie dies unbedingt in Ihre Reisplanung mit einbeziehen. Hoffentlich werden sich die Parteien einig, diese wirklich außergewöhnlichen Ausgrabungen fortzusetzen. Uns hat die Museumsleitung von Sanliurfa jedenfalls voller Stolz die Pläne des neuen Museums gezeigt, worin Göbekli Tepe als der wesentlichste Ausstellungsbereich eingerichtet werden wird.
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