Sanliurfa - Geschichte der Stadt
Sanliurfa, den meisten Europäern als Stadt besser unter ihrem antiken Namen Edessa bekannt, ist die Provinzhauptstadt der türkischen Provinz Sanliurfa und zählt heute rund 390.000 Einwohner.
Sanliurfa liegt im heißen Südosten Anatoliens und ist Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Geographisch gehört die Stadt zu Nordmesopotamien, ein Begriff, der allein schon auf eine Jahrtausende alte Existenz verweißt.
1983 wurden der Stadt wie auch der Provinz, die beide bis dahin lediglich Urfa hießen, der Titel "Şanlı" (zu deutsch„ruhmreich“) verliehen. Der Namenszusatz soll nach offizieller Lesart an den Widerstand gegen die französische Besatzung nach dem ersten Weltkrieg im türkischen Befreiungskrieg erinnern. Als dessen Resultat verschwanden in den 1920er Jahren die letzten Reste der christlichen Bevölkerung der Armenier und der Aramäer aus der Provinz.
Sanliurfa befindet sich rund 80 km vom Fluss Euphrat und 45 km von der türkisch-syrischen Grenze entfernt im Nordwesten einer überaus fruchtbaren Ebene (Fruchtbarer Halbmond: Übergang von Sammlern und Jägern zu sesshaften Bauern im Neolithikum), die im Westen, Norden und Osten von Bergen umschlossen ist. Im Südosten liegt die Ebene von Harran. Drei Bäche durchfließen die Stadt, Karakoyun, Dschalzak und Siren, wobei der Verlauf des Karakoyun schon zu römischer Zeit eine Anpassung an die städtebaulichen Notwendigkeiten durch römische Wasserbauexperten erfahren haben muss, wie aus den Stadtkarten von Niebuhr von 1766 und Helmuth von Moltke von 1838 zu ersehen ist.
Urfa liegt am Kreuzungspunkt uralter Handelstraßen. Eine Ost - Westverbindung verlief von Persien und Nisibis über eine Euphratfurt bei Samsat und weiter bis zur Mittelmeerküste; eine Nord-Südverbindung ging vom anatolischen Hochland und Diyarbakır nach Harran und Syrien.
Die Bevölkerung heute setzt sich mehrheitlich aus Kurden, Türken und Arabern zusammen. Die Christen, die einst den größten Teil der Einwohner ausmachten, bestanden hauptsächlich aus Assyrern bzw. Aramäern und Armeniern.
Mit dem Leiter des Amtes für Tourismus besuchen wir den eigentlich als Bauplatz für das neue Museum gedachten Standort im Zentrum Sanliurfas. Bei den Arbeiten für die Fundamente stieß man vor Jahren auf Fundamentreste einer römischen Villa, in der noch Fußbodenmosaike in so guter Substanz erhalten sind, das deren Erhalt geboten war. Vorsichtiges Weitergraben förderten weitere Räume mit ebenso prächtigen Mosaiken zu Tage, die heute unter dem Begriff Haleplibahçe Mozaikleri weltberühmt sind. Man hat in der Folge den gesamten Villenkomplex überdacht und Bohlenwege für Besucher angelegt. Neben den Mosaiken sind auch noch Teile des römischen Wasser-Rohrsystems aus Tonrohren zu verfolgen, die sich bis zur Ruine des Römischen Bades, etwa 400 Meter entfernt, erstrecken.
Aus der Zeit des Königs Abgar V. von Edessa stammt auch das Mandylion, ein Tuch, das ein Abbild Christi zeigen soll. Dieses soll als die erste christliche Ikone gelten.
Nach christlicher Tradition war der Apostel Thomas, einer der Jünger Jesu, der Gründer der syrischen Kirche in Edessa. In dieser Tradition wurden seine Gebeine aus Parthien oder Indien nach Edessa überführt und dort bestattet. Ibas von Edessa ließ für seine Reliquien eine Kirche erbauen. Noch heute gibt es weitere Kirchen in Sanliurfa, die aber größtenteils, wie in der Türkei üblich, zu Moscheen umgewandelt wurden oder als Museum oder Veranstaltungsort dienen. Erst langsam tritt ein Umdenken ein. Die Reji Kilisesi, früher die „Heilige Peter und Paul Kirche“, ist solch ein Beispiel einer Fremdnutzung als Kulturzentrum, nachdem sie jahrelang als Tabakfabrik genutzt worden war. Wir hatten die Möglichkeit dort eine Bilderausstellung der Künstler Ahmet Günestekin und Prof. Mehmet Mahir (beide Istanbul) zu besuchen, die im Rahmen des Projekts „Die Kunst reist zu den Menschen“ nach Harran und Sanliurfa gekommen waren.
Als Beispiel einer umgewandelten Kirche zur Moschee kann die „12 Apostel Kirche“ als einstmals armenische Kirche dienen, die zur Firfirli Camii umfunktioniert wurde.
Sanliurfa ist die fünftheiligste Stadt des Islam. Hier sollen die Propheten Ibrahim (Abraham) und Ijob gelebt haben. Entsprechend islamischer Tradition wurde hier Abraham geboren. So wird Sanliurfa auch mit der alttestamentarischen Stadt Ur in Verbindung gebracht.
Eine zentrale Stätte des Wallfahrtsortes Sanliurfa ist die Halil-Ür Rahman-Moschee und der zum Komplex gehörender „Teich des Abraham“ mit heiligen und unantastbaren Karpfen. Die Legende besagt, dass der Prophet Abraham, der auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte, sich selbst errettete, indem er das Feuer in Wasser verwandelte und aus dem Feuer sprühende Glutbrocken zu Karpfen wurden. In der umgebenden Parkanlage findet man Pilger aus vielen islamischen Ländern der Welt, die sich die Karpfenteiche und die beiden weiteren sich im Park befindlichen Moscheen Rizvaniye Camii und Hasan Padişah Cami als Touristen umschauen oder zum Gebet verweilen.
Über der Parkanlage bereits beginnen die Befestigungen der Burganlage von Sanliurfa mit Schutzmauer und Graben. Ein Aufstieg ist auf jeden Fall lohnend, denn man hat eine grandiose Aussicht auf die Parkanlagen, die Moscheen und die Stadt.
Wir werden zum Abschluss unseres Stadtrundgangs in das Küçük Hacı Mustafa Hacıkamiloğlu Konağı eingeladen, eine uraltes Herrschaftshaus, das zum Restaurant umfunktioniert wurde. Ein großer Innenhof, der mit Sitzgruppen ausgefüllt ist, lädt aufgrund seiner hohen Mauern, die ausgezeichnete Kühlung versprechen, bei leckerem Essen zum Verweilen ein.
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