Xanthos - Wo Götter und Heroen zu Hause sind

Xanthos - Wo Götter und Heroen zu Hause sind

Die Akropolis der einstigen Hauptstadt des Lykischen Bundes überragt das weite Tal des Flusses Xanthos, des heutigen Esen Cay, das heute wegen der zahlreichen Gewächshäuser mit ihren milchigweißen Folienüberdachungen wie ein großer Binnensee wirkt.

Hier lag seit dem 6. vorchristlichen Jahrhundert das Zentrum eines Städtebundes, der sich aller Bedrohungen durch die Perser, Griechen und Römer erwehren konnte.

Die Ruinen von Xanthos und das Heiligtum der Leto

Wer heute die großartigen Monumente der Grabarchitektur von Xanthos erleben möchte , muss allerdings nach London fahren und das Britische Museum besuchen - leider! Denn in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden auf Anregung des englischen Reisenden Sir Charles Fellows die herrlichen Reliefs der bedeutendsten lykischen Grabmonumente nach London gebracht. In Xanthos selbst sind nur noch die wenigen Überreste des Nereidenmonuments und die rekonstruierten, aber im Laufe der Zeit stark verwitterten Gipsabdrücke der vier Plattn des Harpyienmonuments als “originale” Zeugnisse der frühen lykischen Geschichte von Xanthos zu sehen. Wie sie aber noch heute hoch aufragend in der lykischen Landschaft am Rande des gut erhaltenen römischen Theaters und als eindrucksvolle Kulisse vor einer grandiosen Landschaft stehen, ist schon ein Genuss.

Am Eingang des Ausgrabungsbereichs stößt man auf das Nereidenmonument, dessen Namen sich von den zwölf Frauengestalten ableitet, die als Kinder des Meeresgottes Nereus eine wichtige Rolle im antiken Totenkult gespielt haben. Es ist das bekannteste und schönste Grabmal der Stadt. Auf einem Sockel, der von zwei Friesen mit Kampfdarstellungen umgürtet war, erhob sich ursprünglich ein kleiner jonischer Tempel mit vier Säulen an den Front- und sechs Säulen an den Längsseiten. Die Cella mit Steinbänken für die Toten diente als Grabkammer, und auf dem Giebelfeld ließ sich der Stifter mit seiner Frau beim Totenmahl abbilden.

Neben dem römischen Theater - am Rande der lykischen Agora gelegen- ziehen zwei weitere lykische Grabmäler den Blick auf sich, das Harpyienmonument und ein auf einem Sockel ruhender Sarkophag. Die Reliefs des Harpyienmonuments - die Mischwesen, halb Frau, halb Vogel, stellen Harpyien dar, welche die Seelen der Verstorbenen in der Gestalt von Kindern zu den Inseln der Seligen tragen - zählen zu den eindrucksvollsten Schöpfungen lykischer Kunst. Auf dem sogenannten Obelisken, einem Granmonument in der Nordostecke der lykischen Agora, ist eine teilweise noch erhaltene Inschrift von über 250 Zeilen zu entziffern, die von den Heldentaten des Verstorbenen berichten.

Auf dem Weg zur römischen Akropolis sieht man allenthalben Reste lykischer Fels- und Hausgräber, die in ihrer Gesamtheit einen unvergleichlichen Eindruck einer antiken Nekropole vermitteln. Erhalten sind in den Fels gehauene Gräber, die mit ihren Balkenkonstruktionen die damalige Hausarchitektur imitieren und die man hier und dort noch in den älteren Häusern des dicht besiedelten Umlands wieder finden kann. Daneben sind gewaltige Sarggräber auf Sockeln errichtet, die sich zum Horizont hin staffeln.

Im Stadtgebiet des antiken Xanthos lag auch das Letoon, das zentrale Heiligtum des Lykischen Bundes, das der Leto und ihren beiden Kindern, Apollon und Artemis, geweiht war. Der Sage nach wurde Leto, die Geliebte desZeus, von der eifersüchtigen Hera verfolgt und fand, nachdem sie auf der Insel Delos das göttliche Zwillingspaar zur Welt gebracht hatte, in Lykien Zuflucht. Hier wollte sie ihre Kinder an einer Quelle baden, wurde aber von den einheimischen Hirten vertrieben. Wölfe hätten ihr daraufhin den Weg zum Fluss Xanthos gewiesen, wo sie sich nieder gelassen habe. Den Fluss habe sie Apollon geweiht und das Land nach den Wölfen (Lykos) benannt. Die Hirten jedoch habe sie in Frösche verwandelt und in ihr Heiligtum verbannt, wo sie noch heute durch lautes Quaken einen stimmungsvollen akustischen Hintergrund abgeben.

Wo einst die Hirten als Frösche ihr Dasein fristeten, tummeln sich heute Wasserschildkröten in den Überresten dreier Tempel, die der Leto und ihren beiden Kindern geweiht waren. Nach wie vor besitzt der Ort den eigentümlichen Charakter von Erhabenheit und Heiligkeit, der ihm in der Antike zukam, und der Besucher unserer Tage wird in eine Welt religiöser Abgeschiedenheit versetzt, in der die antiken Mythen noch lebendig zu sein scheinen.

Wolfgang Dorn

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