Rahvan-Pferde in Ormana - Rennen auf dem Plateau
Dankenswerterweise hatten uns Ömer im Laufe der Woche vom bevorstehenden Pferderennen in Ormana / Ibradi auf dem Plateau im Taurus erzählt.
Da sie selbst auch zum Rahvan Rennen wollten, beschlossen wir kurzer Hand eine erneute Tour ins Gebirge um auch wieder von den üblichen Anfahrtswegen abzuweichen und per Jeep die Waldwege über den Taurus entlang der alten seldschukischen Handelswege zu nutzen.
Gut erreichbar ist das Plateau ansonsten über die Landstrasse 695, die von Manavgat aus in Richtung Konya führt. Kurz vor Akseki folgt man der Abzweigung nach Links in Richtung Ibradi. Der etwas mutigere Fahrer kann auch die Straße Richtung Wasserfall von Manavgat aus wählen und nach dem Passieren des Wasserfalls weiter in Richtung Oymapinar Damm dann an der römischen Brücke nach Links Richtung Yailaalan, Ürünli und Ibradi fahren. Die Dörfer Ürünli und Ormana liegen bereits auf etwa 1.000 Meter Meereshöhe etwa 50 Kilometer von Manavgat entfernt. Typisch türkische Steinhäuser mit wunderschönen Holzerkern schmücken die Ortschaften, die ansonsten noch frei vom Tourismus sind.
Wie schon erwähnt wollten wir erneut Waldwege per Jeep nutzen und erklommen so Meter um Meter. Wir fuhren entlang der 1.000 Meter Höhenlinie in Richtung Sirt und passierten so auch die Karawanserei Tolhani (auch Belbidi Hani genannt). Ziemlich zerfallen aber idyllisch am Bachufer gelegen wird diese Karawanserei heute von Nomadenfamilien genutzt, um ihre Schafe und Ziegen zu tränken oder sich gar einige Tage dort aufzuhalten. Man kann einige Behelfsbehausungen sehen, die aus Steinen und Gesträuch errichtet sind. Wir wurden vom Platz Ältesten herzlich empfangen und kurz in der Karawanserei herumgeführt. Er erzählte von einer amerikanischen Reisenden, die vor etlichen Jahren einmal einige Zeichnungen von Tolhani angefertigt hatte. Trotz Recherche im Internet haben wir aber bislang nichts weiter gefunden.
In der zwar kurzen aber friedlichen Zeit der Herrschaft der Seldschuken wurden die Karawanenstraßen sehr gut ausgebaut und gehörten somit schnell zu den sichersten Handelsrouten der damaligen Welt. Die Warenströme aus Mittelasien erreichen über zwei verschiedene Handelsrouten die wieder aufblühende Stadt Antalya, vormals Attaleia. Die erste und sehr schwierige Strecke über den Taurus führte über Silyon, Aspendos, Kargi Hane und Tol Hane zum Beysehir See und dann nach Osten zur damaligen Hauptstadt Konya. Die bequemere aber auch weitere Strecke verlief von Attaleia geradeaus in Richtung Norden über Evdir Hani auf die erste Travertin Terrasse. Diese Ebene ist relativ leicht zu überqueren und nach etwa dreißig Kilometern gelangt man zur Kirk Göz Hane am Fuße des Taurus. Jetzt beginnt auch auf dieser Route der schwierige Aufstieg über das Gebirge und man erreicht die Karawanserei Suzus Hane. Jetzt geht es weiter über die Karawanserei Incir Hane und dann bis nach Konya. Der Handel über die Karawanenstraßen waren von den Seldschuken sehr gut organisiert und nicht zuletzt aufgrund der Forderungen der Handelsleute auch sehr sicher. Hier spielten vor allem auch die Forderungen der Venezianer nach sicheren Handelswegen eine entscheidende Rolle für den Bau der Karawansereien. Die von den Seldschuken übernommene Geschäftstüchtigkeit der Perser sowie die nomadischen Erfahrungen über Jahrhunderte machten die Seldschuken auch zu erfolgreichen Handelsleuten.
Wir fahren dann weiter an den Hängen des Akdag entlang, der mit immerhin 1.984 Metern schon eine stolze Größe hat, überqueren den Pass und fahren dann in das Hochplateau von Ibradi hinab. Wie eine riesige ausgetrocknete Seenfläche liegt das Hochplateau und der Ort Ormana vor uns. Eine riesige Staubfahne verursachend gelangen wir zum Ort, der einige wirkliche attraktive Häuser mit herrlichen hölzernen Erkern zu bieten hat. Wir sind noch zu früh und so nutzen wir die Zeit für ein Mittagessen im Ort.
An der Rennstrecke des späteren Pferderennens wird noch eifrig gewerkelt und so bleibt uns Zeit für einen Tee und etwas Geplänkel mit den örtlichen Bewohnern. Dann geht es wieder hinaus auf das freie Plateau und wir erkennen jetzt das schon angelegte Rennoval im Sand. Verkaufsstände, eine zeltbedachte Tribüne sowie eine Lautsprecheranlage verkünden schon vom nahenden Ereignis, auch erste Pferdetransporter sind mittlerweile angekommen. Wie schon so oft sind wir vom herrschenden Chaos der vorbereitenden Planung überrascht, allerdings aufgrund unserer Erfahrung inzwischen recht sorglos, denn wie immer wird alles rechtzeitig fertig aufgebaut sein und die angesagten Rennen werden durchgeführt werden können.
Etwa eine Stunde später erfolgen dann die obligatorischen Einführungsreden der örtlichen Politiker, der religiöse Segen wird mit abschließendem gemeinsamen Gebet erteilt und schon sind die ersten Rennpferde am Startpunkt. Jeweils zu zweit und dritt wird ein Rennen nach Pferdeklassen unterschieden geteilt durchgeführt. Der jeweilige Sieger gelangt dann in die nächste Runde. Wichtig dabei ist die strikte Einhaltung der Gangart Rahvan, maximal dreimal darf das Pferd aus dem Rhythmus gelangen, dann erfolgt die Disqualifikation. Der jeweilige Sieger empfängt am Zieldurchlauf eine rote Flagge, die dann voller Stolz noch in beiden Händen über Kopf auf der schnellen Ehrenrunde gezeigt wird.
Rahvan Pferde erscheinen bei einem Stockmaß von lediglich 135 - 150 Metern im ersten Anblick klein und eher unscheinbar. Das besondere dieser Pferderasse liegt in ihrer Gangart, den Rahvan- manchmal auch Tölt Trab oder Pass, einer Gangart, bei der der Rücken des Pferdes kaum in Bewegung ist. Diese Gangart wird mit Kandare geritten, da der Rennpass nur schwer zu zügeln ist. Die Gangart Pass ist bereits seit der Antike sehr beliebt, da er besonders auf langen Strecken viel weniger anstrengend für Pferd und Reiter ist, als beispielsweise die Gangarten Trab oder Galopp. Die Pferde erreichen mit dieser Gangart bis zu 60 km/h, wobei die Pfade sehr trittsicher auch über unebenes Gelände führen können.
Hier oben auf dem Hochplateau von Ormanli ist eine ovale Rennstrecke von ca. 1.200 Metern Länge angelegt worden, die nur von grobem Geröll frei geschoben worden ist. Pferd und Reiter starten in verschiedenen Kategorien, jeweils in Gruppen von bis zu 6 Pferden. Sofort nach dem Start gegen die Pferde in den Passgang über, wobei ein fast schwebender Zustand erreicht wird, denn in einem kurzen Moment sind alle 4 Hufe gleichzeitig in der Luft. Diese Schwebephase macht das Reiten so angenehm, denn es ist ein sehr schnelles, dabei sehr bequemes Vorankommen möglich.
Der Charakter der Rahvan Pferde zeigt eine hohe Affinität zum Menschen, manchmal fast zärtlich, intelligent und sensibel, wenn eine direkte Bezugsperson vorhanden ist. Rahvans können auch sehr kinderlieb sein, so das man fast von einem Familienanhang sprechen kann. Auf den ersten Blick erschienen uns manche Reiter als viel zu massig für die doch eher zierlichen Pferde, was allerdings durch den kurzen Rücken der Pferde, wie uns der Fachmann erläuterte, mehr als nur kompensiert wird. So sind selbst Reiter von bis zu 100 kg kein Problem für die Rahvan Pferde.
Wir sind erstaunt über die Geschwindigkeit und Ausdauer dieser an sich kleinen Pferderasse Rahvan, die es hier oben am Plateau auch in großer Zahl als echte Wildpferde ohne Besitzer gibt. Herden davon konnten wir schon bei der Anfahrt an der Wassertränke sehen und fotografieren. Sie mischen sich einfach zwischen die grasenden Viehherden und werden von den Einwohnern toleriert.
Da auch unsere Rücktour wieder über die Passstraße und die Waldwege führen soll, machen wir uns rechtzeitig vor Sonnenuntergang wieder auf den Rückweg. Einer toller Nachmittag mit einigen neuen Eindrücken und vielen Bildern.
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