Zur Geschichte von Side - Göttin der Fruchtbarkeit
Der Legende zufolge ist das antike Side nach der Göttin der Fruchtbarkeit und der Natur - der Göttin Side, was auch Granatapfel bedeutet, benannt.
Es wird erzählt, dass Side einmal einen Spaziergang mit ihrer kleinen Tochter und ihren Nymphen entlang des Manavgat-Flusses machte. Sie pflückten Blumen und kamen an einem Baum mit dünnen Ästen, blanken Blättern und bunten Blumen vorbei. Als Side einen Ast mit Blumen für ihre Tochter abbricht, beginnt aus dem Ast, Blut zu tropfen. Side versteht sofort, dass es eine Nymphe ist, die sich als Baum getarnt hatte, um sich vor den bösen Menschen, die sie jagen, zu schützen, und sie wird sehr traurig. Sie will fortgehen, aber ihre Füße hängen in der Erde fest, und sie kann sich nicht rühren. Von ihren Füßen wächst eine dünne Schicht Rinde hinauf, und sie fängt an, die Form eines Baumes anzunehmen.
Die Nymphen werden sehr traurig, und ihre Tränen wässern Sides Wurzeln. „Ich habe etwas Falsches getan“, sagt Side zu ihren Nymphen. „Ich will von nun an mit meinen vielen blutfarbigen Früchten, ein Symbol der Natur, des Lebens und der Fruchtbarkeit sein. Lasst meine Tochter oft hierher kommen, damit sie in meinem Schatten spielen kann. Lasst sie keinem Baum Schaden zufügen; vielleicht ist jeder Baum oder jede Blume ein Gott in Verkleidung.“ Seitdem breiteten sich Granatbäume über die ganze Halbinsel aus. Der Granatapfel auf Münzen und Mauern wurde das Wahrzeichen Sides in der Antike.
Das Wort Side ist anatolischen Ursprungs und deutet darauf hin, woher die ersten Bewohner kamen. Vermutlich waren es Hethiter aus Anatolien. Unter Ausgrabungen hat man nämlich eine basaltene Säulenbasis späthethitischen Ursprungs gefunden. Diese ist auf das 7. Jh. v.Chr. datiert. Möglicherweise sind Menschen während der kleinen Völkerwanderung, die nach der Eroberung und Zerstörung Trojas um 1200 v.Chr. stattfand, zugezogen. Die griechischen Historiker Strabon (63 v.Chr. – 19 n.Chr.) und Arrianos berichten davon, dass die ersten griechisch sprechenden Einwohner aus der Stadt Kyme im westlichen Anatoliens, 50 km nördlich von Izmir, kämen, und als sie kamen konnten sie die Sprache, die in diesem Gebiet gesprochen wurde, nicht verstehen. Diese Kolonisation fand wahrscheinlich im 7. Jh. v.Chr. statt, aber vieles deutet darauf hin, dass die Neuankömmlinge so gut integriert wurden, dass sie ihre griechische Sprache vergaßen. Es sind demnach mehrere Inschriften ausgegraben worden, die nicht gedeutet und übersetzt werden können, und sie stammen alle aus dem 3. und 2. Jh. v.Chr. Münzen die bis 500 v.Chr. zurückreichen haben Zeichen, die nicht gedeutet werden können, und erst im 2. Jh. v.Chr. tauchen griechische Münzen auf. Auch die griechische Götterwelt muss in Vergessenheit geraten sein, da anatolische Götter in Gestalt der Muttergöttin Kybele und des Mondgottes Men angebetet wurden. Wir wissen, dass Side von Hethiter dominiert war und im 7. Jh. v.Chr. ein Teil Lydiens im westlichen Kleinasienwurde und 546 v.Chr. unter persische Kontrolle kam. Die Stadt konnte jedoch im 5. Jh. v.Chr. ihre eigenen Münzen prägen, was auf einen gewissen Grad von Selbständigkeit hindeutet. Man war sicher auch nicht weiter von den Persern begeistert, denn im Jahre 333 v.Chr. ergab man sich ohne Kampf dem Mazedonier Alexander dem Großen, wonach die Hellenisierung auf allen Gebieten, hierunter Sprache, Architektur und Mythologie, einsetzte. So wurde Kybele zur griechischen Göttin Athene*, und Men wurde durch Apollon ersetzt.
Nach dem Tode Alexanders fiel Side zunächst unter die ptolemäische Dynastie Ägyptens und danach unter die seleukidische Dynastie Syriens, die beide von den Heerführern Alexanders gegründet worden waren. Der Hafen wurde ausgebaut, und die Stadt wurde schnell eine der wichtigsten und reichsten Städte an der Südküste mit ungefähr 40.000 Einwohnern. Im Jahre 190 v.Chr. war Side Zeuge einer großen Seeschlacht zwischen einer Flotte aus Rhodos mit der Unterstützung Roms und des Königreichs Pergamon und der Flotte des syrischen Königs Antiochos III, die unter dem Kommando des später so berühmten Hannibal, des Feldherrn von Karthago, standen. Side war auf der Seite Hannibals und Antiochos’, aber die Flotte aus Rhodos gewann die Schlacht. Es gelang jedoch Side, sich von Pergamon freizuhalten und unabhängig zu bleiben. In dieser Periode war Side ein Zentrum des Handels, der Kultur und der Bildung im östlichen Mittelmeer. Antiochos VII, der den syrischen Thron 138 v.Chr. bestieg, wurde so in seiner Jugend nach Side entsandt, um sich dort bilden zu lassen, und er nahm den Beinamen Sidetes zum Andenken an seine muntre Zeit in der Stadt an. Ein anderer bekannter Bürger war der Arzt Mnemon im 3. Jh. v.Chr.
Im 1. Jh. v.Chr. breiteten sich Seeräuber von Kilikien nach Pamphylien, wo Side die größte und reichste Hafenstadt war, aus. Sie machten die Stadt zu einem Flottenstützpunkt, einer Schiffswerft und zum größten Sklavenmarkt im Mittelmeerraum. Die Einwohner schienen es toleriert zu haben, da es den Handel und den Wohlstand vermehrte, ihr aber auch einen schlechten Ruf einbrachte. Stratonicus, der für seine scharfen Antworten und Scherze bekannt war, beantwortete demnach die Frage, „Welches Volk ist das schlimmste und verräterischste?“ mit dem Satz: „In Pamphylien sind das die Bewohner von Phaselis, aber in der ganzen Welt sind es die von Side.“ Aber 67 v.Chr. wurden die Seeräuber niedergekämpft, als der römische Feldherr Pompejus sie mit starken Heer- und Flottenverbänden von West nach Ost jagte. Hiernach kam Side unter die Römer, die mehrere Monumente und Statuen zu Ehren und Gedenken Pompejus’ errichteten.
Unter römischer Herrschaft erlebte Side seine zweite goldene Epoche. Vom 1. bis Mitte des 3. Jh. n.Chr. wurde Side eine Großstadt und Sitz des Provinzgouverneuren. Der große Hafen, der auch Flottenstützpunkt war und die römischen Straßen gaben einen Aufschwung im Seehandel, besonders mit Ägypten, und die eingeführten Güter gingen auf Karawanen in das zentrale Anatolien. Die Ausfuhr bestand aus Olivenöl, Wein und Holz. Hunderte von Geschäften breiteten sich entlang der Hauptstraßen und bis weit in die schmalsten Seitenstraßen hinein aus. Die Stadt blieb ein Zentrum des Sklavenhandels, und diese Sklaven kamen hauptsächlich aus Afrika. Die Stadt verfügte über eine große Handelsflotte, die, der Tradition entsprechend, vor etwas Seeräuberei, wenn sich die Möglichkeit bot, nicht zurückschreckte.
Der Wohlstand kam nicht nur den Kaufleuten zugute, sondern färbte auch auf die Stadt und deren übrige Mitbürger ab. Große Summen wurden für Wettbewerbe und Theaterspiel, zur Stadtverschönung und für soziale und religiöse Institutionen ausgegeben. Z.B. geht aus Inschriften hervor, dass gewisse Leute eine Suppenküche für öffentlich Angestellte und ältere Mitbürger ins Leben riefen, eine Frau Gladiatorkämpfe organisierte und jemand anderer ein Fest für die Seeleute der Stadt abhielt. Der größte Anteil der Bauten und Monumente, die in Side noch stehen, lassen sich auf diesen Zeitraum datieren. Ende des 3. Jh. wurde die Stadt von Bergstämmen, die im Jahre 269 denAquädukt zerstörten, angegriffen. Dies war eine Katastrophe, da es keine Quellen in der Stadt gab. Ein Ehepaar Lollianus bezahlte für die Reparatur, und aus Dankbarkeit errichteten die Bürger an mehreren Stellen Statuen des Ehepaares. Im 4. Jh. wurde die Bedrohung durch Angriffe so ernst, dass man einen Teil der Stadt aufgab und eine neue Stadtmauer quer über die Halbinsel auf beiden Seiten des Theaters baute. Im 3. Jh. gab es eine christliche Gemeinde, da Kaiser Diocletian (285-305) in der Stadt Christenverfolgungen in Szene setzte. Aus dieser Zeit sind auch Reste zweier jüdischer Synagogen gefunden worden.
Die letzte Blüte erlebte Side unter dem Byzantinischen Reich im 5. und 6. Jh, als die Stadt Erzbistum des östlichen Pamphyliens wurde. Einige der Tempel wurden in orthodoxe Kirchen umgebildet, und die Stadt wuchs außerhalb der Stadtmauern. Mitte des 7. Jh. begannen die arabischen Piratenangriffe, die die gesamte anatolischeMittelmeerküste zu einem Kriegsgebiet machten. Gleichzeitig versandete der Hafen. Die Einwohner fingen an, nachAntalya, das besser beschützt war, und das mit der Zeit die Rolle Sides als die wichtigste Hafenstadt der Südküste übernahm, umzuziehen. Im 9. Jh. brannte ein größerer Teil der Stadt, die langsam als das „Alte Antalya“ bekannt wurde. Im 10. Jh. wurde der Ort nochmals als ein Seeräubernest berüchtigt, diesmal unter arabischer Hand.
Erdbeben im 9. und 12. Jh. und eine zunehmende Versandung versetzten der Stadt den Todesstoß, und die Stadt versank in den Dünen. Als die Seldschuken 1207 ankamen, schlugen sie sich nordöstlich der Stadt nieder, und 1391 kam das Gebiet unter die Ottomane, ein anderer türkischer Stamm.
Nachdem die Türken die griechische Invasion von 1922 abgewehrt hatten und nach dem Friedensvertrag von Lausanne 1923, wurde eine ethnische Säuberung durchgeführt, während welcher griechische und türkische Minderheiten in den beiden Ländern ausgetauscht wurden. Die aus Kreta vertriebenen Türken schlugen sich auf der äußersten Spitze der Halbinsel nieder, und gründeten das Fischerstädtchen Selimiye, die jetzige Touristenstadt, auf den Ruinen. Seit 1947 befindet sich die Stadt unter Ausgrabung durch türkische Archäologen, die versuchten, das Städtchen zu verlegen, was nicht gelang. Das hat die Ortsbewohner freilich nicht davon abgehalten, Schatzsucher zu spielen. So sind seit 1970 mehrere Münzfunde bei europäischen Kunsthändlern aufgetaucht. 1986 wurde z.B. ein Schatz von 560 Silbermünzen aus der Mitte des 2. Jh. mit einem Gesamtgewicht von 8,5 kg zur Versteigerung freigegeben.
In den 1970’ern tauchten die ersten Badegäste auf und in den 80’ern begann die Verwandlung der Stadt vom Fischerort zu einem Zentrum des Massentourismus. Side ist heute in die Liste der UNESCO über geschützte Zonen aufgenommen.