Siedlungsgeschichte - Tell Erbaba bei Beysehir
- Geschrieben von Portal Editor
In der Siedlungsgeschichte der Menschheit hat es die unterschiedlichsten Strukturen im Anlegen dörflicher Gemeinschaften gegeben, die längst noch nicht alle erforscht und damit bekannt sind.
Der Übergang vom Sammler und Jäger mit sich ständig ändernden Lebensbedingungen zum siedelnden Bauern und Viehzüchter erfolgte in Schritten über vielen Zwischenstufen bis zum ersten Dorf menschlichen Zusammenlebens. Ausführlich haben wir über die bislang ältesten bekannten Siedlungsstrukturen amGöbekli Tepe bei Sanliurfa berichtet; bis hin zu den städtebaulichen Meisterleistungen antiker römischer Städte. Das Anlegen sogenannter Tells war einer der erfolgten Zwischenschritte auf dem Weg zu dörflichen Gemeinschaften – und der damit verbundenen Entwicklung der Infrastruktur wie fließendes Wasser oder Abwasserentsorgung.
Siedlungsform Tell - ein Siedlungshügel
Das ursprünglich aus dem Arabischen stammende Wort Tell oder auch „Tall“ bezeichnet dabei eine Erhebung in der Landschaft, die von Menschenhand durch sich wiederholende und dabei sich erneuernde Bebauung übereinander errichtet wurde. Frei übersetzt bedeutet Tell also „Hügel“ oder besser „Siedlungshügel“. Im Türkischen spricht man, wenn es um frühgeschichtliche Siedlungshügel geht, von Höyük oder Hüyük, im Persischen von Tepe oder Tappa, im Hebräischen von Tel, im Griechischen von Magoula, im Rumänischen von Magura und im Makedonischen von Toumba. Diese Art der Siedlungsform war im Neolithikum also weit verbreitet. Tells sind in der Regel in Regionen entstanden, in denen der Umgang mit Lehm bekannt war. Überwiegend bestanden die Tells aus an der Luft getrockneten oder gestampften Lehmziegeln, die zur Fertigung erster Gebäude in Reihen übereinander geschichtet und mit Lehm verschmiert wurden.
Durch Regen dann im Laufe der Zeit ausgewaschen und eingefallen, wurde das folgende Gebäude der nächsten Generation einfach an gleicher Stelle auf das eingestürzte und dann planierte Gebäude gebaut. Diese Art der Bebauung findet man im gesamten Vorderen Orient, in Griechenland, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Serbien, aber auch in Dänemark und Deutschland. So konnte eine neolithische Siedlung bei Pietrele mit dem Tell Măgura Gorgana oder in der Stadt Arbil (Arbela) mit der Zitadelle von Arbil, das als eines der größten bislang aufgefundenen Tells gilt, nachgewiesen werden. Wenn auch komplett neu überbaut. Gleiches gilt auch für die Zitadelle von Aleppo in Syrien.
Der Tell Erbaba - ein Grabungsbeispiel
Etwa 10 Kilometer nordwestlich von Beysehir gibt es ebenfalls einen solchen Siedlungshügel, den Tell Erbaba, oder wie er in Türkisch genannt wird Höyük Erbaba. Der Tell Erbaba ist vor 7.500 Jahren in derJungsteinzeit von hier siedelnden Menschen errichtet worden. Entdeckt worden war der Tell Erbaba durch den Archäologen R. Soleck, aber erst in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begannen die Grabungsarbeiten unter der Leitung von Jacques und Luiesse Alpes Bordaz. Der Tell Erbaba zeigt einen Durchmesser von ca. 80 Metern und besteht aus vier übereinander gebauten Epochen oder Etagen, so die bisherigen Grabungserkenntnisse, die freigelegt werden konnten. Kaum Funde gab es aus der ersten Epoche der Ansiedlung, dafür aber reiche Funde in der dritten Epoche. Interessant auch, das zum Bau der ersten, zweiten und dritten Etage hier Steinblöcke verwendet wurden. Die Wände sind mit rotem Mörtel verputzt, das Wandmaterial ist Kalkstein, der mit Schlamm Mörtel verbunden wurde.
Die Ausgrabungen fanden 1969 und 1971, 1974 und 1977 durch die Universität Montreal statt, mit finanzieller Unterstützung des Canada Council. Grabungsleiter war Jacques Bordaz, 1971 wurde Louise Alpers Bordaz stellvertretender Grabungsleiter. Dexter Perkins Jr. und Patricia Daly von der Columbia University untersuchten die Tierknochen.
Die neolithischen Schichten waren bis zu 4 m dick. Es konnten drei Bauschichten (I–III) nachgewiesen werden. Es wurden rechteckige Häuser mit Kalksteinfundamenten aufgedeckt, die nach einem regelmäßigen Plan errichtet waren. Die Steine wurden mit einem Lehmmörtel zusammengehalten, teilweise waren die Mauern im Innern durch Pfeiler verstärkt. Die Wände bestanden aus Flechtwerk. Im Innern der Häuser befanden sich Herdstellen und Öfen sowie Bänke an den Wänden. Es wurden keine Türöffnungen nachgewiesen, weshalb die Ausgräber von einem Zugang durch das Dach ausgehen. Möglich wären jedoch auch hohe Schwellen. In den Höfen befanden sich Gruben. Düring schätzt, dass die Siedlung von 190 bis 285 Menschen bewohnt wurde. Steadman nimmt an, dass die recht kleinen Häuser von Einzelfamilien bewohnt wurden, dass jedoch mehrere Haushalte wirtschaftlich kooperierten. Insgesamt ist jedoch der Grabungsschnitt so klein, dass weiterführende Schlussfolgerungen schwierig sind.
Heute gibt es eine Vielzahl weiterer Siedlungshügel in vielen Teilen des Vorderen Orients (Einstiegsbild aus Göbeklitepe) und Europas, die zur Untersuchung anstehen oder bereits ausgegraben werden. Immer neue Funde tragen auch zu einem immer klareren Bild der Entwicklungsgeschichte der Menschheit bei. Diese Klarheit und das Wissen in die Breite der Bevölkerung zu streuen, kann wesentlich dazu beitragen, Irritationen und Fehldeutungen aus sogenannten heiligen Schriften aufzuklären und damit Konflikte zwischen den Kulturen zukünftig vermeiden helfen, die, betrachtet man es einmal bis zu den Wurzeln zurück, doch gleichen Ursprungs sind. Immer waren es die Interessen oder Ideologien Einzelner, die ganze Völker in das Verderben geführt haben. Und das hat sich bis heute nicht geändert. Aleppo liegt heute in Syrien!
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