Kecikalesi - Anatolisches Dorf im Schatten des Hasan Dagi
- Geschrieben von Portal Editor
Wir waren von Niğde / Kappadokien kommend in Richtung Aksaray unterwegs, als wir in der Ortschaft Bor wahrscheinlich die falsche Abzweigung ausgewählt hatten, die uns nun entlang der Bergwelt des Hasan Dağı bis zur Ortschaft Altunhisar geführt hatte.
Allein, der Anzeige des Navis folgend, war zumindest die Himmelsrichtung perfekt. Und wie so oft in Zentralanatolien, brachte uns die Frage nach dem weiteren Verlauf des Wegs schon zu einer Einladung auf einen Tee. Schnell war man im Gespräch über die täglichen Sorgen und Nöte vertieft, als uns unser Gesprächspartner auf das kleine Dorf Keçikalesi hinwies, das trotz vielfacher Anfragen und Gesuche immer noch nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen ist. Natürlich gibt es in vielen Bereichen der Türkei immer noch Probleme mit der Stromversorgung, dass allerdings ein ganzes Dorf noch unversorgt sein würde, konnten wir uns nicht recht vorstellen.
Einen Cay im Bergdorf - Gastfreundschaft an erster Stelle
Unser Gastgeber war dann so freundlich, uns bis nach Keçikalesi zu begleiten, zumal er die Befürchtung hatte, das wir erneut den falschen Weg wählen würden und dann mit der Dunkelheit plötzlich die Orientierung in den Bergen komplett verlieren würden. Vielleicht wollte er auch nur die Gelegenheit nutzen, einfach und praktisch nach Keçikalesi zu kommen. Uns war es egal. Geschätzte 12 Kilometer nach Altunhisar ließ er uns anhalten und wies auf den nach links abknickenden Fahrweg hin. Hier müssten wir nach unserer Abfahrt in Keçikalesi nach rechts fahren und würden dann ca. 7 Kilometern die Hauptstraße D 750 nach Aksaray erreichen, so seine Worte.
Jetzt ging es zunächst schräg nach rechts hinten und nach etwa 3 Kilometern hatten wir das Ziel unserer Spontanexkursion erreicht, das Dorf Keçikalesi lag vor uns. Wie noch in vielen Dörfern in Zentralanatolien üblich, gab es keine befestigte Straße und keine Bürgersteige. Aber Handyempfang. Dass es auch keinen Strom geben sollte, konnten wir zunächst kaum glauben, aber wir konnten auch keinerlei Hochspannungsmasten finden. Und ein Erdkabel in Zentralanatolien, nein, das konnte nicht sein.
Sofort laufen auch einige der Dorfbewohner zusammen, neugierig darauf, was denn diese Fremden hier im Dorf wohl zu suchen hätten, allein unser Teegastgeber ist im Dorf bekannt und so zerstreut sich ein Teil der Gruppe schnell wieder. Mit einigen Verbliebenen ist schnell das Thema Elektrizität erreicht. Schon seit etwa 60 Jahren versuchen die Bewohner des Dorfes immer wieder einmal die entsprechende Verwaltungsbehörde auf die Missstände hinzuweisen und immer wieder werden die Menschen vertröstet. Mal heißt, Teile der 60 Personen zählenden Dorfbewohner hätten keine rechtlich gültigen Grundbücher, dann wiederum heißt es lapidar, das Dorf liege zu weit abseits der Stromtrasse.
Bergdörfer abseits der Zivilisation
Muss das Dorf mit seinen 60 Einwohner also auch weiterhin Kerzen statt Elektrizität nutzen? Eigentlich ein unhaltbarer Zustand. Kein Radio, kein Fernsehen, höchstens über Batteriebetrieb oder mit Dieselstromgenerator. Bislang waren alle Bemühungen der Bewohner vergebens. Ein Anwohner erzählt, dass sein Vater vor einiger Zeit verstorben sei, ohne je den Segen von vorhandener Elektrizität erleben zu dürfen. Schließlich sei man ja schon im 20. Jahrhundert und er selbst, mit seinen 43 Jahren, hätte bislang auch nur von Elektrizität gehört. Ob das mit Lebensqualität zu bezeichnen ist?
Mittlerweile kümmert sich auch der Provinzgouverneur um die prekäre Situation. Er selbst habe sich an die Medas gewandt, der hier in der Region zuständigen Organisation für die Stromverteilung. Aber ob sich dadurch die Situation ändern wird, bleibt fraglich. Wahrscheinlich ist es eher die Entfernung zur Hauptstromtrasse, die es rechnerisch nicht lohnend erscheinen lässt, eine Stromtrasse für 60 Einwohner bis nach Keçikalesi zu verlängern.
Auch das ist eine Realität in der wirtschaftlich stark expandierenden Türkei mit einem Wirtschaftswachstum, das geradezu unglaublich erscheint. Die Menschen bleiben leider oft auf der Strecke. Mittlerweile betätigt sich der Energiekonzern EON ja auch in der Türkei, vielleicht wird ja damit alles besser.
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