Ausflug nach Rothenburg ob der Tauber
Nach unserer gestrigen Tour durch Kitzingen und Iphofen wollen wir jetzt eine Tagestour nach Rothenburg ob der Tauber unternehmen, einer ebenfalls mittelalterlichen Stadt im mittelfränkischen Landkreis Ansbach, die heute aufgrund ihrer historischen Altstadt und der gut erhaltenen Stadtmauer vor allem von Touristen aus Fernost in großer Zahl besucht wird.
Bauernsoldaten "Erobern" die Stadt Rothenburg
Schon früh sind wir unterwegs und so können wir direkt am Stadttor einen Parkplatz nutzen, der gebührenfrei zur Verfügung steht. Aufgrund des hohen Besucherandrangs ist das Parken innerhalb der Stadtmauern vernünftigerweise nur für Ortsansässige gestattet.
Uns fällt sofort ein mittelalterlich gekleideter Bauernsoldat auf, der an der gegenüber befindlichen Gaststätte „Wache“ schiebt und mit weiteren Kollegen, die mit Schwertern und Langspeeren „bewaffnet“ sind, in lautstarke Diskussionen verwickelt scheint. Schon sind die Kameras wieder gezückt und erste Fotos auf dem Weg hinüber zum Soldaten gemacht.
Im Gespräch mit ihm erfahren wir von unserem Glück, denn wie in jedem Jahr an Pfingsten findet auch dieses Jahr wieder die Feier zum sogenannten „Meistertrunk“ in Rothenburg ob der Tauber statt.
Familie Comburg-Rothenburg für die Stadtgründung
Purer Zufall, denn wir wussten von diesem regionalen Großereignis nichts. Das Streitgespräch zwischen den Soldaten war dabei schon Teil des Festes, das seinen Hintergrund im 30 jährigen Krieg sieht.
Aber dazu später mehr.
Um das Jahr 970 herum wurde von einem ostfränkischen Adligen des Namens Reiniger eine Pfarrei in Detwang gegründet, worin der eigentliche Ursprung Rothenburgs zu sehen ist. Im weiteren Verlauf der Geschichte folgte der Bau der Comburg bei Schwäbisch Hall sowie der Grafenburg oberhalb der Tauber. Maßgeblich verantwortlich für die eigentliche Stadtgründung Rothenburg war die Familie Comburg-Rothenburg, die sich im 9. Jahrhundert in der Region niederlies und auch für die Gründung weiterer Städte gleichen Namens verantwortlich ist.
Bis zu ihrem Aussterben im Jahr 1108 hatte die Familie Comburg-Rothenburg sechs weitere Städte des Namens Rothenburg gegründet, vier von ihnen in Deutschland, eine in der Schweiz und eine im heutigen Polen, die heute mit Czerwieńsk bezeichnet wird. Leider wurde im Jahr 1356 auch die Burg Comburg durch ein Erdbeben zerstört, die vom letzten Familienmitglied Graf Heinrich von Rothenburg dem Kloster Comburg übereignet worden war.
König Rudolf von Habsburg erhob am 15. Mai 1274 Rothenburg zur Reichsstadt. Durch geschickte Landzukäufe vor allem durch Heinrich Toppler, der zwischen 1340 und 1408 aufgrund seiner energischen Politik die Stadt erheblich erweitern konnte, wodurch er zu einer der bekanntesten Bürger Rothenburgs wurde. Im Jahr 1579 unterzeichneten Bürgermeister und Rat zu Rothenburg ob der Tauber die Konkordienformeln Martin Luthers.
General Graf von Tilly belagert die Stadt
Während des dreißigjährigen Kriegs wurde Rothenburg im Jahr 1631 von den schwedischen Truppen des General Graf von Tilly, insgesamt etwa 60.000 Mann, belagert und eingenommen. Wie damals durchaus üblich, sollte die Stadt nach der Eroberung zerstört oder verbrannt werden. An dieser Stelle setzen jetzt Sagen und Mythen ein, die auch den Grund der jährlich wiederkehrenden Feierlichkeiten in Rothenburg ob der Tauber bilden. General Tilly, von dem nicht belegt ist, das er die Stadt je betreten hat, soll angeblich die Ratsherren zum Tode verurteilt haben und danach sollte die Stadt in Flammen aufgehen. Bei seinem Eintreffen sollen ihm die Ratsherren angeblich ein mit 3,25 Litern gefülltes Weinglas zur Begrüßung überreicht haben, woraufhin Tilly milde gestimmt wurde und einen Ratsherren aufforderte, den Wein in einem Zug auszutrinken. Sollte dies gelingen, würde er die Stadt verschonen. Als Freiwilliger meldete sich der Altbürgermeister Georg Nusch, der dann den Wein tatsächlich in einem Zug leeren konnte und so Rothenburg vor der Zerstörung bewahrte. Dieses Ereignis bildet den Hintergrund für das heute jährlich wiederkehrende Fest des sogenannten „Meistertrunks“.
Mit dem Abzug der Besatzer im Jahr 1650 verlor Rothenburg schnell an Bedeutung, worin wohl der eigentliche Grund des guten Erhalts des exzellenten Bausubstanz aus dem Mittelalter ist. Selbst im zweiten Weltkrieg blieb die Stadt glücklicherweise von starker Zerstörung verschont, so das heute noch viele Befestigungstürme sowie fast die gesamte Stadtmauer komplett erhalten ist.
Rothenburg - Rundgang auf der Stadtmauer
Unser Rundgang auf dem Wehrgang der Stadtmauer zeigte uns auch eine überzeugende Lösung zum Erhalt der Stadtmauer durch Besucher und Gäste aus aller Welt. In einer Art Patenschaft kann der Besucher ein Mauerstück von einem oder von drei Metern „erwerben“, das mit Hilfe seiner Spende dann weiterhin gepflegt und somit erhalten bleibt.
Jedem Paten wird daraufhin sein Teilstück Mauer zugewiesen, eine Steinplatte mit seinem Namen eingesetzt und kann nun von allen zukünftigen Besuchern zugeordnet werden.
Wir verlassen nach fast vollständigem Rundgang die Stadtmauer und wenden uns dem Geschehen im Stadtzentrum zu. Mehrfach schon waren uns Gruppen von Soldaten, Musikern und „Stadtoberen“ aufgefallen, die scheinbar ziellos in ihren farbenprächtigen Kostümen durch die Stadt schlenderten. Erst später fanden wir heraus, das mittlerweile alle Zugänge der Stadt „besetzt“ waren und Besucher nun „Wegzoll“ in die Stadt zu zahlen hatten. Gaukler und historische Zünfte hatten mittlerweile eine Vielzahl von Ständen aufgebaut und begannen mit ihren Aktivitäten. Überall herrschte buntes Treiben und so folgten wir dem Strom bis ins Zentrum der Stadt.
Mehr und mehr Landsknechte durchziehen die Stadt
Immer wieder zogen Soldatengruppen vorbei, mischten sich bunt gekleideten Frauengruppen darunter, zogen Kinder mit mittelalterlichen Karren vorbei, Musiker und Tänzer an vielen Ecken. Alles so inszeniert, das es kaum als Inszenierung auffiel. Fast gelang der Eindruck, man befände sich 500 Jahre zurück versetzt im Mittelalter. So gab es Händler, die ihre Ware feilboten, gar einen historischen Markt neben dem Rathaus. Soldatengruppen lagerten auch außerhalb der Stadt, zogen dann mit Kanonen bewaffnet durch Rothenburg, feuerten diese auch lautstark ab. Ein kurzweiliger Nachmittag mit interessanten Speisen und Getränken, die einen tiefen Einblick in das Leben im Mittelalter vermitteln konnten.
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