Prickenwege durch das Wattenmeer – Beispiel Minsener Oog
- Geschrieben von Portal Editor
Einmal mehr hatten wir die bei Ebbe flache Fahrrinne vor Minsener Oog zu durchqueren, die durch markante dünne Baumstämme, in der Regel junge Birken, gekennzeichnet ist.
Wenn man an der Küste groß geworden ist, kennt man diese Kennzeichnung besonderer Wasserwege natürlich auch unter dem richtigen Namen, Pricken oder Prigge, je nachdem in welchem Küstengebiet man sich gerade befindet. Wir sind auf dem Weg nach Minsener Oog und hier vor der friesischen Küste sagt man Pricken, die das hier bei Ebbe flache Fahrwasser kennzeichnen.
Fahrwasserkennzeichnung im Wattenmeer
Auf dem Weg von Horumersiel, Hooksiel oder gar Wilhelmshaven nach Wangerooge gibt es eine mit Pricken gekennzeichnete Fahrwasserrinne, die den Weg wesentlich verkürzt, so dass man nicht die Vogelschutzinsel Minsener Oog umschiffen muss. Bei Ebbe kann diese Fahrrinne von Booten mit sehr geringem Tiefgang (max. 60 Zentimeter), wie beispielsweise Plattbodenschiffe, genutzt werden, bei Flut auch von größerem Tiefgang (siehe Seekarten). Früher ließen sich oftmals Schiffer hier trockenfallen, wenn ein entsprechendes Boot dies ermöglichte. Trockenfallen im Wattenmeer war eine einzigartige Erfahrung, weil man:
- den Gezeitenwechsel hautnah miterlebt.
- auf dem Meeresboden des Wattenmeeres spazieren gehen kann.
- vielleicht Robben- oder Wale beobachten kann.
- ungestört mit seinem eigenen Schiff das Watt genießen kann.
Plattbodenschiffe, Segelboote mit Kimmkielen oder Mehrrumpfboote können ohne technische Probleme trockenfallen. Für Schiffe, die nur einen Kiel haben, sind Wattstützen notwendig, die meist mit einem Bolzen mittschiffs an der Bordwand befestigt und durch ein nach vorn und nach achtern gespanntem Tau senkrecht gehalten werden. Aber Achtung:
Mit Stichtag 28.April 2023 tritt die neue Verordnung in Kraft, eine Überarbeitung der bisherigen Befahrensregeln aus dem Jahr 1992. Seitdem haben sich viele Nationalparkgesetze und Schutzzonen ge- und verändert, so dass eine Novellierung notwendig war. Im Sommer 2021 wurde ein Referentenentwurf publik, dem viele Einwände und Kritik von Vereinen und Verbänden folgte. Denen wurde offenbar nur wenig Beachtung geschenkt, denn mit der Novelle ist das Trockenfallen nun bis auf sehr wenige Ausnahmen im gesamten Bereich verboten. Viele Betroffene hofften vergeblich bis zuletzt noch auf die sogenannte „Korridorlösung“ – dem Trockenfallen entlang der Fahrwasser.
(3) Ferner ist es untersagt,
1. sich in den Allgemeinen Schutzgebieten oder in den Besonderen Schutzgebieten mit Wasserfahrzeugen trockenfallen zu lassen oder
2. Besondere Schutzgebiete während der jeweiligen Schutzzeiten für Robben, Vögel oder Seegraswiesen außerhalb der Fahrwasser zu befahren
(Auszug aus dem Bundesgesetzblatt)
Aber nun zurück zu den Pricken.
Um solche Nebenfahrrinnen zu kennzeichnen werden meist etwa fünf bis sieben Meter hohe Pricken verwendet. Diese Pricken oder Stangen kennzeichnen schmales und flaches Fahrwasser, in dem eine Betonnung mit Tonnen oder Bojen zu kostenaufwendig oder wegen zu geringer Wassertiefe nicht möglich ist. Im Unterschied zur üblichen Betonnung wird meistens nur eine Seite des Fahrwassers abgesteckt.
Für den Seefahrer wichtig ist, das Pricken ein Fahrwasser wie folgt kennzeichnen:
Backbordseite des Fahrwassers: in den Grund gesteckte Birken oder Stangen, an deren oberen Ende unten zusammengebundene Zweige befestigt wurden (stumpfe Form), die Stangen tragen meist ein kleines rotes Reflektorbändchen (umgangssprachlich „Birken“ bzw. „Besen“).
Steuerbordseite des Fahrwassers: in den Grund gesteckte Stangen, an deren oberen Ende oben zusammengebundene Zweige, die unten auseinandergebogen sind, befestigt wurden (spitze Form), sie tragen meist ein kleines grünes Reflektorbändchen (umgangssprachlich „Tannen“ genannt).
Die Verwendung der Pricken (Backbord/Steuerbord) folgt der Richtung der Betonnung, siehe dazu Fahrwasser Bezeichnung der Fahrwasser, und kann den Seekarten entnommen werden.
An der Nordseeküste werden überwiegend Backbordpricken verwendet, weil die Äste nicht zusätzlich bearbeitet werden müssen. Ein Fahrwasser mit Backbordstangen wird im Volksmund aufgrund des Aussehens wie auf den Kopf gestellte Reisigbesen oft auch Besenstraße genannt. Pricken müssen in einem Abstand von etwa drei bis fünf Metern passiert werden. Pricken überstehen in der Regel die Stürme und Eisgang des Winters nicht und müssen jedes Jahr neu gesetzt werden. Heutzutage kommen beim Setzen der Pricken so genannte Prickensetzboote zum Einsatz.
Kennzeichnung der Wattwanderwege durch Pricken
Zur Markierung von Wattwanderwegen werden die Buschpricken oder Buschbaken ohne Stangen im Watt eingegraben. Diese ca. 1 m hohen Wegmarkierungen sind durch Eisgang stark gefährdet. Außerdem wandern die Priele alljährlich um einige Meter, so dass selbst erfahrene Wattführer sich immer wieder neu orientieren müssen. Deshalb werden die Buschpricken im Frühjahr meist neu angelegt. Diese Art der Wegemarkierung ist an der Küste, besser im Wattenmeer Schleswig-Holsteins recht gebräuchlich, in Friesland oder Ostfriesland eher selten, so ist denn auch der Wattwanderweg nach Minsener Oog nicht gekennzeichnet und sollte nur im Rahmen der Führung durch einen Wattführer erfolgen.
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