Entlang der Fehnkanäle durchs Moor nach Barßel
Auch der folgende Tag brachte uns wieder einen herrlichen Ausflug, diesmal durch das Ammerland nach Barßel. Während unseres ausgiebigen Frühstücks mit Mariechen und Jochen hatten wir uns entschlossen, einen Tagesausflug entlang der Fehnkanäle durch die heute kaum noch wirtschaftlich genutzten Torfgebiete Ostfrieslands und des Ammerlands zu unternehmen.
Über Friedeburg und Marx ging es mit dem Auto zunächst nach Neuenburg, wo wir nach Verlassen des Ortes in Richtung Astederfeld nach rechts abbogen. Schnell werden Veränderungen in der Landschaft deutlich und schon nach wenigen Kilometern sehen wir erste Torfabbaugebiete des Stapeler Moors.
Existenz der Moorbauern durch Diebstahl der Schafherden gefährdet
Wie in vielen Bereichen unseres heutigen Lebens ist auch der Torfabbau ein zweischneidiges Schwert: Einkommen und Verdienst der hiesigen Bevölkerung einerseits und Erhalt der Torfgebiete aus Gründen des Naturschutzes und der damit verbundenen Ökosysteme anderseits. Häufig ist es schwer hier die richtigen Grenzlinien zu finden. Der einstige Raubbau an der Natur findet schon lange nicht mehr statt. Heute sind lediglich noch bestimmte Gebiete zum Abbau von Torf freigegeben und auch die Abbauhöhen werden streng reglementiert. Dabei war der Torfabbau zunächst als Lebensunterhalt der hiesigen Bevölkerung gar nicht vorrangig gesetzt, denn ursprünglich waren die hier lebenden grundherrenfreien Bauern der Dörfer rund um Barßel mit der Schafzucht und der Fischerei beschäftigt. Erst als Raubzüge der Oldenburger in den Jahren 1522 und 1538 die Existenz der Moorbauern durch Diebstahl der Schafherden so stark gefährdeten, das kaum noch ein Überleben möglich war, begann die Bevölkerung sich den Lebensunterhalt mit Torfhandel zu sichern.
Zum Abtransport wurden zunächst Lastkähne eingesetzt
Das sogenannte Torfstechen war eine körperlich anstrengende Arbeit wobei in Schichten Stücke aus dem Torf ausgeschnitten wurden und in kleinen Stapeln zum Trocknen neben der Ausstichfläche aufgesetzt wurden.
Diese Stapel von Torfstücken verloren im Laufe der Zeit ihren Hauptbestandteil an Wasser und konnten dann abtransportiert werden. Zum Abtransport wurden zunächst Lastkähne eingesetzt, die auf den angelegten Entwässerungskanälen meist durch Pferdezugkraft oder Segel transportiert wurden.
Je nach Festigkeit der Torfstücke wurden sie zum Verbrennen in Öfen (vergleichbar dem Holz) zur Beheizung der Räume eingesetzt, einer Nutzung, die es heute kaum noch gibt. Uns ist die Verwendung von Torf meist nur noch zum Düngen oder zur Verbesserung der Bodenqualität im Garten und zum Pflanzen bzw. Eintopfen bekannt.
Barßel liegt in einem ehemaligen Sumpfgebiet
Unser Weg führt, nach einem kurzen Stopp an einem Torfabbaugebiet, weiter entlang am Fehnkanal in Richtung Barßel, das wir nach kurzer Fahrt erreichen.
Barßel liegt in einem ehemaligen Sumpfgebiet etwa 45 Kilometer von Cloppenburg und etwa 40 Kilometer vom Dollart und der Emsmündung entfernt. Da die gesamte Region nur etwa einen Meter über Meereshöhenniveau liegt, war es bis in das 19. Jahrhundert hinein stark Hochwasser gefährdet, da die Entwässerungskanäle direkt in die Ems und damit in die Nordsee entwässerten.
Zu dieser Gefahr trugen auch die Barßel umfließenden Flüsse Aue, die im Volksmund nur mit Barßeler Tief bezeichnet wird und Soeste bei.
Wir fuhren bis zum Barßeler Hafen
Mit dem Zustrom von Flüchtlingen und Vertriebenen zum Ende des zweiten Weltkriegs, gab es auch in der Umgebung von Barßel das Problem den Neuankömmlingen genügend Siedlungsfläche zur Verfügung zu stellen.
So wurden ab 1957 einige Entwässerungsprojekte an der Soeste durchgeführt, die auch gleichzeitig dem Hochwasserschutz dienten, denn nach wie vor machten sich die Gezeitenunterschiede der Nordsee durch die Ems, die Jümme, das Barßeler Tief und die Soeste bemerkbar.
Wir fuhren bis zum Barßeler Hafen, den wir sowohl in Größe als auch in der Frequentierung durch andere Bootseigner völlig falsch eingeschätzt hatten. Mittlerweile nutzen viele Freizeitkapitäne das wirklich riesige Kanalnetz für ihr Hobbie: Yachten und Boote.
So tummelten sich neben einem Fahrgastschiff, das regelmäßig in Richtung Emden fährt auch zahllose Schiffe von privaten Eignern im Hafen von Barßel. Selbst einen Leuchtturm konnten wir entdecken, doch recht ungewöhnlich, so weit vom Meer entfernt.
Tod für den Barßeler Kapitän Hans Lampen
Mit Einheimischen ins Gespräch gekommen, erfahren wir auch, das es eine Reihe bekannter Kapitäne gab, die in Barßel eine Heimat gefunden hatten. Ein Name war dabei der des Kapitäns Johann Dänekamp, der im Jahr 1978 bei einem noch immer ungeklärten Unglück samt seiner 28 Mann zählenden Besatzung im Nordatlantik verschollen ist. Auch das mit den Leuten verschwundene immerhin 261 Meter lange Schiff „München“ konnte bislang nicht gefunden werden. Ein weiteres Schiffsunglück des Jahres 1994 brachte den Tod für den Barßeler Kapitän Hans Lampen.
Wir hörten all diese Geschichte mit großer Verwunderung, denn die Nordsee erschien von hier aus so fern zu sein. Unsere Rückfahrt gestaltete sich ähnlich entlang der Kanäle, allerdings kehrten wir auf Kaffee und Kuchen noch in der Rütteler Mühle ein, die sich ebenfalls als ein tolles Naherholungsziel anbietet. Neben der Hauptmühle, die immer noch betrieben wird, sind hier einige Mühlenexemplare als funktionsbereite Modelle zu sehen, die vom Holländer bis zur Bockmühle einige Exemplare heimischer Mühlenarten zeigt. Der hausgemachte Kuchen mit Blaubeeren war einfach himmlisch.
Koordinaten: 53° 10′ N, 7° 45′ O
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