Vieille Charité – Armenhaus wandelte sich zu Museen
- Geschrieben von Portal Editor
Vergleichbar der Fuggerei in Augsburg sind wir in Marseille auf die dort gebaute Vieille Charité, einem Gebäudekomplex von Sozial- oder Armenwohnungen gestoßen, die in der Altstadt heute aufgrund ihrer Umwandlung zu Museen und der imposanten Gebäudestruktur heute wirkliche Anziehungspunkte sind.
Das Vieille Charité heute beherbergt die archäologische Sammlungen des Musée d’Archéologie Méditerranéenne und das Musée d’Arts Africains, Océaniens, Amérindiens.
Zur Fuggerei in Augsburg
Die Fuggerei gilt als eine der ältesten, noch immer bestehenden Sozialsiedlungen der Welt und kann nach Anmeldung auch besichtigt werden. Die Fuggerei ist neben dem Augsburger Rathaus das wohl beliebteste touristische Ziel in der Stadt. Ihr Besuch kostet Eintritt, der zur Erhaltung der Fuggerei verwendet wird. Im Jahr 2006 wurde das Fuggereimuseum erheblich erweitert und neugestaltet. Es beherbergt auch die letzte im Originalzustand erhaltene Wohnung, die im Stil des 18. Jahrhunderts eingerichtet wurde.
Seit dem Jahr 2007 zeigt eine komplett eingerichtete Schauwohnung in der Ochsengasse, wie Fuggereibewohner heute leben. In Augsburg ist es eine Reihenhaussiedlung, die Jakob Fugger „der Reiche“ im Jahr 1521 für arme Bürger bauen und unterhalten ließ. Heute wohnen in den 140 Wohnungen der insgesamt 67 Häuser 150 bedürftige katholische Augsburger Bürger für eine Jahreskaltmiete von 0,88 Euro. Sie sprechen dafür täglich einmal ein Vaterunser, ein Glaubensbekenntnis und ein Ave Maria für den Stifter und die Stifterfamilie Fugger. Bis heute wird die Sozialsiedlung aus dem Stiftungsvermögen Jakob Fuggers unterhalten.
Das Vieille Charité eher ein Gefängnis für Arme
Die Vieille Charité ist ein vergleichbares Projekt als ehemaliges Armenhospiz in Marseille mit allerdings komplett anderem Hintergrund. Um die sehr zahlreichen Bettler und Vagabunden in Marseille zu Beginn des 17. Jahrhunderts „unterzubringen und zusammenzuführen“, beschloss der Rat der Stadt Marseille in einer Sitzung im Anschluss an das königliche Edikt von 1622 über die „Einkerkerung der Armen und Bettler“ um „die armen Eingeborenen von Marseille an einem sauberen, von den Konsuln gewählten Ort einzusperren“.
Die Unterdrückung des Bettelns wurde energisch und oft sogar brutal durchgeführt. Für die Festnahme von Bettlern waren Wachen namens „Jäger“ verantwortlich: Ausländer wurden ausgewiesen, Marseillais im Hospiz eingesperrt. Diese Wachen hatten oft Probleme mit der lokalen Bevölkerung, die sich oft auf die Seite der Bettler stellte. In dem Hospiz sollte es Werkstätten geben, in denen Bettler in verschiedenen Produktionen beschäftigt waren. Die Kinder wurden als Dienstboten oder Lehrlinge bei Schneidern oder Bäckern untergebracht.
Prachtvolles Gebäude ohne Fenster nach außen
Unter dem Namen „Notre Dame de la Charité“ wurden von der Stadt Grundstücke in der Nähe der Kathedrale des Majors, Place de l'Observance, am Nordhang des Butte des Moulins zur Verfügung gestellt auf dem das Bauwerk errichtet werden sollte. Doch erst fast zwanzig Jahre später, am 24. Juni 1643, wurde dank der Beharrlichkeit von Emmanuel Pachier, dem theologischen Kanoniker der Kathedrale, der Grundstein für den Bau provisorischer Räumlichkeiten gelegt. Die ersten mittellosen Menschen wurden im Juni 1643 aufgenommen.
Der Architekt Pierre Puget hatte eine dreistöckige Arkadengalerie, die einen rechteckigen Innenhof und eine Kapelle umschließt entworfen. Das Gebäude war für die Unterbringung von Kranken, Armen und Obdachlosen vorgesehen, daneben aber auch für Familien, die wegen des Börsenbaus in einem abgerissenen Viertel am Vieux Port ihr Heim verloren.
Die gesamte Vieille Charité wurde aus rosafarbenem und weißem Sandstein aus dem Couronne-Steinbruch erbaut und besteht aus vier nach außen geschlossenen Gebäudeflügeln, die durch Galerien auf drei Ebenen zu einem rechteckigen Innenhof hin geöffnet sind und dem Leben im Inneren des Gebäudes Rhythmus verleihen. Die vier Flügel des Gebäudes bilden ein Rechteck von 112 × 96 m dessen Außenwände keine Fenster haben. Der Körper dieser Gebäude besteht aus drei Etagen übereinander angeordneter Galerien mit halbkreisförmigen Arkaden, die sich zu einem Innenhof von 82 × 45 m öffnen.
In der Mitte dieses Vierecks, auf einer Linie mit der Eingangstür, befindet sich eine Kapelle mit einer elliptischen Kuppel im besten Barockstil. Die Veranda mit korinthischen Säulen im Stil des Zweiten Kaiserreichs greift das Thema der Barmherzigkeit auf, die mittellose Kinder empfängt, umgeben von zwei Pelikanen, die sie füttern. Es wurde zwischen 1861 und 1863 von Blanchet, dem Architekten der Hospize von Marseille, erbaut.
Armenhäuser in zahlreichen Städten üblich
Grundsätzlich lebten in den Armenhäusern vor allem ältere Menschen, die nicht mehr selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen konnten. Sie erhielten dort einen Wohnplatz und tägliche Verpflegung. Die Armenhäuser gehörten früher zum Stadtbild und nahmen nur verarmte Bewohner aus der eigenen Stadt auf. In fast jedem Dorf gab es ein eigenes Armenhaus. Fremden wurde diese Altersversorgung nicht zuteil. Im Gegensatz zu den Arbeitshäusern waren die Armenhäuser in der Regel keine geschlossenen Anstalten und die Aufnahme war – zumindest formal – freiwillig.
Finanziert wurden Armenhäuser in der Regel durch Zuwendungen wohlhabender Bürger sowie durch Zuschüsse von Stadt und Kirche. Auf dem Land wurde die Armenversorgung teilweise auch aus dem gemeinschaftlichen Gut (Allmende) beglichen. Wenn man heute durch die Städte geht, findet man zahlreiche Obdachlose, die nur gelegentlich ein Bett zum Schlafen zur Verfügung gestellt bekommen. So kann man sich durchaus die Frage stellen, ob moderne Staaten sich als Sozialstaaten bezeichnen sollten. Oder eher nur die Industrie, das Kapital und der Profit zählt. Wobei der Mensch oft auf der Strecke zurückgelassen wird.
Heruntergekommen und Verwahrlost – der Abriss drohte
Da die Unterbringung der Armen von den Bürgern immer weniger akzeptiert wurde, verringerte sich die Zahl der Bewohner allmählich und erreichte 1781 nur noch 250 Arme. Sollte die Zahl der Armen etwa gesunken sein? Wohl kaum. Ende des 19. Jahrhunderts verlor der Gebäudekomplex nach und nach seinen Zweck und stand in den 1950er Jahren kurz vor dem Abriss, da es nur noch von sehr armen Einwohnern bewohnt wurde, die unter erbärmlichen Bedingungen in den Räumen dahin vegetierten.
Zahlreiche Plünderungen und Vandalismusakte trugen zum Verfall des Objektes bei. In den 1940er und 1950er Jahren lebten dort fast 150 Familien in prekären Verhältnissen; Im selben Haus lebten etwa dreißig Schwestern zur Versorgung der Armen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in dem Gebäude Opfer durch die deutschen Zerstörungen aufgenommen. Die Kapelle und das Hospiz wurden per Dekret vom 29. Januar 1951 dann als historisches Denkmal eingestuft. Nach einer mehrjährigen Hausbesetzung wurde die Anlage 1962 wegen Baufälligkeit evakuiert und erst in den letzten Jahren einer vollständigen Restaurierung unterzogen. Seit 1985 finden in dem Haus Konzerte und Ausstellungen statt. Der gesamte Gebäudekomplex wurde in den 1960er bis 1980er Jahren einer umfassenden Renovierung unterzogen und ist heute eine der vielen kulturellen Einrichtungen der Stadt Marseille.
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