Von Tannenbäumen und Grün im Wandel der Zeit
- Geschrieben von Portal Editor
Gerade aufgrund des anstehenden Weihnachtsfestes wieder Top aktuell, rückt das Grün des Tannenbaums in den Mittelpunkt menschlichen Handels, zumindest in der weitestgehend westlich ausgerichteten Hemisphäre.
Wie schön ein festlich geschmückter Baum doch auch immer wieder anzuschauen ist, mal einheitlich in einer gerade trendigen Farbe gestaltet, dann wiederum kunterbunt mit diversen Gegenständen zusätzlich behängt, bildet er für die nächsten Tage und Wochen den Mittelpunkt der Wohnzimmer, um den man sich gern versammelt, auch um die jährlich einmaligen Weihnachtsgeschenke zu empfangen. Eine wunderschöne Tradition, die sich über die Jahrhunderte entwickelt hat. Manchmal gerät dabei leider der Hintergrund dieser Tradition völlig in Vergessenheit: Die Weihnachtsgeschichte um die Geburt Jesu Christi mit alle den darin geschilderten Zusammenhängen.
Die Verbreitung des Weihnachtsbaumes in den europäischen Wohnzimmern wird, neben vielen anderen Bezügen, auch eng mit dem Namen Johann Wolfgang von Goethes in Verbindung gebracht, der den "Tannenbaum" in "Die Leiden des jungen Werther" bereits 1774 erstmals in die deutsche Literatur einführte: Werther kommt am Sonntag vor Weihnachten zu Lotte und spricht von den Zeiten, da einen die unerwartete Öffnung der Türe und die Erscheinung eines „aufgeputzten Baumes“ mit Wachslichtern, Zuckerwerk und Äpfeln in paradiesisches Entzücken versetzt.
Auch Friedrich Schiller liebte das Weihnachtsfest unter dem Tannenbaum. „Ihr werdet mir hoffentlich einen grünen Baum im Zimmer aufrichten“, schrieb er im Jahr 1789 an seine Lotte bevor er nach Weimar aufbrach.
Allerdings lässt sich die erste "Verwendung" eines Weihnachtsbaumes wesentlich weiter zurück in die Vergangenheit verfolgen, einen wirklich historisch nachweisbaren Beginn dieses Brauchtums hat man bislang nicht vorweisen können. Ganz im Gegenteil. In vielen Kulturen unserer Zivilisationen findet man die Verwendung von Grün im Haus allein schon aus dem Grund, dass immergrüne Pflanzen angeblich Lebenskraft verkörpern, die man sich mit dem Pflanzengrün auch ins Haus zu holen glaubte.
Die antiken Römer nutzten zum jeweiligen Jahreswechsel Lorbeerzweige, nicht allein um damit Sieger einer Schlacht zu küren sondern auch um damit ihre Häuser festlich zu dekorieren. Beim Einzug als erfolgreicher Triumphator in die Stadt Rom war der Feldherr immer mit Lorbeer bekränzt (Corona Triumphalis). Mit dem Übergang zum Kaiserreich trugen auch die römischen Kaiser einen Lorbeerkranz und später erhielten auch die Sieger bei den so genannten "Spielen", die allzu oft den Tod meist unschuldiger Menschen bedeutete, einen Lorbeerkranz. Parallel dazu gab es unter den Römern, neben der Entwicklung zum einsetzenden Christentum, den so genannten Mithraskult, wobei zu Ehren des Sonnengottes zur Wintersonnenwende Bäume geschmückt wurden. Im Norden Europas hängte man sich Tannenzweige ins Haus, um bösen Geistern das Eindringen zu vermiesen. Fast immer war mit dem Grün im Haus auch der Wunsch nach einer schnellen Rückkehr des Frühlings verbunden.
Nun aber schnell zurück zum Tannenbaum, der erstaunlicherweise auch in islamischen Regionen immer weitere Kreise zieht, wie wir nach der Rückkehr in die Türkei von unserer Tour schnell bemerken sollten. Natürlich fehlt hier der christliche Hintergrund völlig, so das man kurzerhand nach einer anderen Begründung sucht und sie auch findet, denn auch hier lieben die Menschen Geschenke und festlichen Speisen und Süßigkeiten in Form von Christstollen, Lebkuchen und Spekulatius. So ist es denn nicht Weihnachten, dass mit dem Tannen- oder Weihnachtsbaum mit seinen Kugeln, Kerzen und kleinen Leckereien gestaltet werden soll, sondern der in Kürze anstehende Jahreswechsel, kurz aus dem Weihnachtsbaum wird der Neujahrsbaum. Globalisierung?
Auch im Türkischen gibt es ein Wort für Weihnachten: "Noel", sowie es auch den "Baba Noel" gibt, der heilige Nikolaus entstammt gar dem türkischen Myra. Überhaupt sind viele Orte aus der Weihnachtsgeschichte in der heutigen Türkei, in Syrien und im Irak zu finden. Auch Personen und Namen tauchen in den Weltreligionen des Islam, des Judentums sowie im christlichen Glauben fast parallel auf. Globalisierung in der Vergangenheit auch hier?
Traditionell gibt es in der Türkei weder ein Weihnachtsfest noch eine Feier zum neuen Jahr, folglich auch keine Neujahrsgeschenke. Aber es ist menschlich, sich in festliche Aktivitäten mit kleinen Präsenten zu begeben, wer freut sich darüber wohl nicht. Also stellt sich auch der Handel auf diese Zeiten ein, in denen das Geschäft boomt. Weihnachtliche Beleuchtung der türkischen Innenstädte, Weihnachtsmänner und Kerzen in den Geschäften, Lebkuchen und Marzipan in den Auslagen.
In Alanya gibt es gar einen Weihnachtsmarkt, der bereits zum fünften Mal als internationaler Weihnachtsmarkt deklariert und auch entsprechend gefeiert wird, organisiert vom wohl in der Türkei einmaligen Ausländerbeirat. Immerhin leben 30.000 "Ausländer" in der Region. So gibt es denn eine entsprechend bunte Mischung der vielen Traditionen und Gebräuche, die aus den unterschiedlichen Ländern der Neuansiedler kommend, hier gemeinsam zelebriert werden. Ist das nicht eher die wirkliche Umsetzung der Weihnachtsgeschichte?
Am Hafen von Alanya feiern Deutsche, Russen, Skandinavier, Holländer, Iraner, Engländer, Iren und Türken diese Fest gemeinsam unter Einbindung der vielen traditionellen Unterschiede. Neben Jingle Bells hört man den Ruf des Muezzin, neben Palmen der Weihnachts- oder auch Neujahrsbaum, so wird Selbstgebasteltes wie Selbstgebackenes angeboten, findet man Weihnachtsbuden mit Christbaumkugeln, Kaffee und Käsekuchen aber auch Baklava, Cay und .... Glühwein, trotz der 20° Außentemperatur.
Der Vorsitzender des Ausländerbeirats Karaoğlu, der im Übrigen gläubiger Muslim ist, spricht von einem Beispiel gelungener Integration: "Es ist ein Weihnachtsmarkt für die Menschen, die hier leben, Christen wie Muslime, Alanyaner und Urlauber." Für alle. Die Religion sei grundsätzlich egal. Ebenso egal, dass diese "Kreuzung eigentlich aus gleichem Ursprung stammender religiöser Bräuche" bei vielen konservativen Muslimen nicht auf Zustimmung stößt.
Aus islamistischen Kreisen des türkischen Religionsamtes kommt Kritik am Geschehen. Ein überwiegend muslimisches Land sollte kein christliches Fest übernehmen, denn weder Christi Geburt noch das Neue Jahr sind Anlässe im Islam für besondere Feiern. Von Kulturimperialismus ist manchmal gar die Rede, denn im Westen gibt es Alkohol, Tanz und Musik zu den Feiern. Gilt das pauschal für jeden Teilnehmer solcher Festlichkeiten?
Man kommt zusammen, tauscht sich aus, spricht miteinander - der Anlass ist doch nebensächlich. Die einen sagen "Frohe Weihnachten", die anderen "Mutlu Yillar". Beide wollen möglichst ohne Streit und Konflikte miteinander leben. Das ist der Sinn der Weihnachtsgeschichte, so platt und einfach.