Die Athos-Klöster Chalkidiki und der Hesychasmus-Streit
- Geschrieben von Portal Editor
Natürlich waren wir während unserer Besuche in Thessaloniki und Chalkidiki auch mehrfach auf die Klöster von Athos, die Lebensweise der Mönche sowie eines möglichen Besuchs der Klosteranlagen zu sprechen gekommen, letztendlich steht dieser noch aus, ist aber bereits beantragt.
Ja, richtig, für diesen Teil Griechenlands ist eine spezielle Besuchserlaubnis mit Vorlage des Passes von Nöten.
Nach dem Zerfall des Römischen Reiches und der Reichsteilung in West- und Ostrom fiel die Halbinsel Chalkidiki an Ostrom, aus dem später das byzantinischen Reich hervor gehen sollte. Wenn manche Forscher auch gelegentlich den Beginn der Geschichte der Klöster und der Mönchsrepubliken auf dem Athos bis weit in die frühchristliche Zeit zurückverfolgen möchten, so lassen sich die bislang gefundenen, ersten sicheren Hinweise auf mönchisches Leben auf dem Athos wohl erst mit Beginn des 9. Jahrhunderts, also während der byzantinischer Epoche nachweisen.
Lebensbeschreibungen der frühen Asketen schildern die entsprechende Praxis
Die Geschichte der Athos-Klöster in den folgenden Jahrhunderten ist eng mit dem Streit um das Recht schaffende, mönchische Leben verbunden, der in der Orthodoxie immer wieder – und eben auch auf dem Athos – heftig aufflammte: Der so genannte Hesychasmus-Streit zwischen den Hesychasten und byzantinischen Humanisten. Der Hesychasmus ist eine Form von Spiritualität, die einst im Mittelalter von orthodoxen byzantinischen Mönchen entwickelt wurde. Der Begriff an sich ist von dem griechischen Wort hesychia abgeleitet, das „Ruhe“ oder „Stille“ bedeutet. Mit hesychia verbinden sich die Vorstellungen von Gelassenheit und innerem Frieden.
Eine Gebetspraxis, die mit der hesychastischen in wesentlichen Aspekten übereinstimmt, ist schon im altkirchlichen Mönchtum nachweisbar. Bereits die Apophthegmen (Aussprüche) des „Wüstenvaters“ Antonios († 356), eines in der ägyptischen Wüste lebenden Einsiedlers, und anderer Mönche der Frühzeit enthalten Verhaltensregeln wie das „Bewahren der Zunge“ zur Erhaltung der Wachsamkeit und Ruhe (hesychia). Lebensbeschreibungen der frühen Asketen schildern die entsprechende Praxis. Diese in der Spätantike und im Mittelalter einflussreichen Schriften zeichnen das Bild eines idealen Mönchtums. Vor allem die Autorität des Antonios wirkte stark nach; er erhielt den Beinamen „der Große“ und wurde als bedeutender Heiliger und als Urvater des Mönchtums verehrt. Eng mit der hesychia verbunden war die nepsis, die Überwachung der eigenen Gedanken und rigorose Zurückweisung aller Vorstellungen und Impulse, die dem inneren Frieden abträglich sein könnten.
Um das Licht der Verklärung Jesu, das so genannte „Taborlicht“ zu sehen
Der Verwirklichung der hesychia dient das beharrliches Üben im Rahmen einer speziellen Gebetspraxis. Die betenden Hesychasten wiederholen über lange Zeiträume die Gottesanrufung des Jesusgebets. Als Hilfsmittel zur Förderung der Konzentration setzen sie eine besondere Atemtechnik ein. Angestrebt wird der Zustand des völligen Seelenfriedens, der als Voraussetzung für das Erleben einer besonderen göttlichen Gnade gilt: Nach der Auffassung der Hesychasten können Betende das ungeschaffene Taborlicht in einer Vision wahrnehmen. Mit dem Taborlicht ist das Licht gemeint, das Petrus, Jakobus und Johannes laut dem Bericht der drei synoptischen Evangelien bei der Verklärung Christi auf einem Berg sahen. Bei dem Berg handelt es sich nach außerbiblischer Überlieferung um den Berg Tabor, weshalb das Licht Taborlicht genannt wird. Die Lehre, der zufolge im ungeschaffenen Licht Gott selbst anwesend und sichtbar ist, gehört seit dem Spätmittelalter zum Kernbestand der hesychastischen Überzeugungen.
Der Wortführer der hesychastischen Seite war der Athos-Mönch Gregorios Palamas (1296/1297–1359), der die vollkommene innere Ruhe in eremitenhafter Einsamkeit durch ständiges Beten des Jesusgebets als Voraussetzung sah, um das Licht der Verklärung Jesu, das so genannte „Taborlicht“ zu sehen. Seine Theologie verschaffte der hesychastischen Praxis ihre theoretische Begründung und Rechtfertigung. Palamas verteidigte den Hesychasmus gegen die Kritik Barlaams von Kalabrien, der im Sinne eines nominalistischen Humanismus Kritik an der mystischen Praxis und ihrer Begründung durch die Schriften von Gregorios Palamas übte. Auf mehreren Konzilien in Konstantinopel fiel im Zeitraum von 1341 bis 1351 die Entscheidung der byzantinischen Kirche, zunächst die Gegner des Hesychasmus zu verurteilen und dann die theoretische Begründung des Hesychasmus durch Gregorios Palamas („Palamismus“) zur verbindlichen Kirchenlehre zu erheben.
In den orthodoxen Kirchen hat sich der Hesyachismus dauerhaft durchsetzen können, doch außerhalb der Orthodoxie ist er überwiegend auf Ablehnung oder Zurückhaltung gestoßen. Anstoß erregt bei Kritikern seit jeher die Behauptung, etwas Ungeschaffenes und somit Göttliches könne wahrgenommen werden. Dagegen wird eingewendet, das sei wegen Gottes absoluter Transzendenz ausgeschlossen. Kontroverse Debatten dauern bis in die Gegenwart fort. Oft wird der Hesychasmus mit seiner Verheißung eines unmittelbaren persönlichen Zugangs zur Gottheit als Gegenpol und Alternative zu einer diskursiven, mit Ungewissheit belasteten Wahrheitssuche betrachtet. Hesychasten lehnen die Verwendung einer philosophischen Methode in der Theologie ab. Der Einfluss des Hesychasmus und des Palamismus hat in der orthodoxen Welt das Streben nach einer Synthese von Philosophie und Theologie im Sinne der westlichen scholastischen Vorgehensweise nachhaltig diskreditiert.
Ihr Zentrum hatte die mittelalterliche hesychastische Bewegung in den Klöstern und Skiten auf dem Berg Athos. In ihrer Blütezeit im Spätmittelalter breitete sie sich auch in den nördlichen Balkanraum und nach Russland aus. Nach der Vernichtung des Byzantinischen Reichs durch die Osmanen im 15. Jahrhundert trat die hesychastische Praxis in den ehemals byzantinischen Gebieten in den Hintergrund. Die Tradition brach aber nicht ab und fand auch im russischen Mönchtum der Frühen Neuzeit Fortsetzer. Ab dem 18. Jahrhundert kam es zu einem „neuhesychastischen“ Aufschwung, dessen Folgen in der Orthodoxie weiterhin spürbar sind. Im frühen 20. Jahrhundert knüpfte die Imjaslavie-Bewegung an die hesychastische Tradition an.
Bemerkenswerterweise wiederholte sich 550 Jahre später, um die Wende zum 20. Jahrhundert, auf dem Berge Athos diese theologische Auseinandersetzung zwischen Realisten und Nominalisten, zwischen rationalistischen Theoretikern und den an der mystischen Praxis orientierten Theologen und ging als Streit um die Imjaslavie-Bewegung, die Verehrung des Namens Gottes, in die Geschichte des Athos und der Orthodoxie ein.
Im Bild: St. Gregorios Palamas Kirche in Thessaloniki, wo die Relikte gefunden wurden!
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