Flirten verboten - so eine neuerliche Fatwa in der Türkei
- Geschrieben von Portal Editor
Schon einige Male haben wir über islamische Rechtsgutachten, die so genannten Fatwas berichtet, die immer wieder mit "neuen" Regeln für Diskussionsstoff in der türkischen Gesellschaft sorgen: Die Ausgestaltung einer Fatwa obliegt dem Amt für religiöse Angelegenheiten, dem so genannten Diyanet.
In den neuesten Publikationen des Diyanet der Türkei will man jetzt das Verhalten von Verlobten in der Öffentlichkeit regulieren, wie sich Paare zu benehmen haben, so soll beispielsweise das Hand in Hand gehen verliebter Paare in der Öffentlichkeit unterbleiben. Benimmregeln, die im 21. Jahrhundert nun wahrlich niemand mehr braucht und die im Einzelfall immer auch einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des betroffenen Bürgers darstellt.
Die Religionswächter des Diyanet verstehen sich als die höchste islamische Autorität der Türkei und erklären in den von ihnen veröffentlichten Fatwas ihr Verständnis der Auslegung des Islam. Nicht selten entsteht deshalb eine Regel, die weit entfernt vom tatsächlichen Leben Beschränkungen verlangt, die teilweise weltfremd und oftmals stark in Persönlichkeitsrechte, in diesem Fall von Verlobten, eingreifen.
In der Phase des Kennenlernens, so das religiöse Gutachten, ist es nicht ungewöhnlich, dass Paare sich treffen, miteinander reden gerade auch um sich besser kennen zu lernen (ein an sich uralter und natürlicher Vorgang seit Menschengedenken). Hier setzt die jetzt publizierte Regel an, die von Verlobten eine Umsetzung ihres Verhaltens in Übereinstimmung mit islamischen Normen zu verwirklichen fordert. Während dieser Treffen, so die Religionswächter, kann es zu "unerwünschten Ereignissen" kommen, womit an dieser Stelle das Flirten gemeint ist (ob mit oder ohne Wissen der Eltern). Dies kann zu Tratsch und Gerüchten führen, auch wenn sich ein Paar unbeobachtet fühlt. Verlobte sollten entsprechend in der Öffentlichkeit nicht Händchenhalten, nicht flirten oder "anderes, provozierendes Benehmen" an den Tag legen, das "nicht im Islam gebilligt" werde.
Allein schon das Aufstellen und Publizieren solcher "Regeln" bedeutet, das sich "Hilfssheriff" Mensch daran orientieren wird und u. U. gegen zuwiderhandelnde Pärchen vorgeht, was zu einer weiteren Spaltung der türkischen Gesellschaft führen wird. Dass es gar unverheiratete und / oder nicht verlobte Paare geben könnte, die intime Grenzen überschreiten, scheint für die Religionsbehörde dermaßen fern der Realität, dass man diese Möglichkeit gar nicht erst in Betracht zieht.
In weiten Teilen der Türkei folgen die Menschen den überholten, weltfremden Ansichten des Diyanet. In den Großstädten leben viele Türken allerdings ein freies, selbst bestimmtes Leben, frei von religiösen Vorschriften - ob als unverheiratete oder nicht verlobte Paare, manchmal in unterschiedlicher Geschlechterkombination. Kein Wunder also, das die Gesellschaft tief gespalten ist.
Noch gilt eine Fatwa in der Türkei als Handlungsanweisung ohne Gesetzeskraft, noch....!
Das Diyanet der Türkei zählt zu den größten Organisationen des Landes, ein riesiger Apparat, der mehr als 100.000 Mitarbeiter zählt und über einen Jahresetat von mehr als einer Milliarde Euro verfügt. Immer wieder veröffentlich das Diyanet Regeln, die zumindest heftig diskutiert werden, so auch im Frühjahr 2015 als die Anweisung erfolgte, dass nach dem Toilettengang zur Reinigung, im islamischen Sinn, vorwiegend Wasser verwendet werden soll, dass aber die Benutzung von Toilettenpapier aus religiöser Sicht grundsätzlich in Ordnung sei.
Auch die Regel, das Alkohol zum Reinigen durchaus verwendet werden darf, dass Trinken von Alkohol aber verboten ist, entstammt dem Regelwerk des Diyanet.
Neben dem Aufstellen der religiösen Fatwas, kontrolliert das Diyanet beispielsweise auch das Personal der Moscheen, schreibt und verfasst die Predigten, die im Freitagsgebet verlesen oder als Orientierungshilfe dienen. Übrigens auch im Ausland, so in Deutschland, unter dem Dachverband Ditib.
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