Scharia - das islamische Recht

Scharia - das islamische Recht

Das Wort Scharia bedeutet eigentlich „Pfad“ und meint im Koran, wo es erstaunlicherweise nur ein einziges Mal auftaucht, ganz allgemein die Religion.

Später erst erhielt das Wort die spezifische Bedeutung „Gesetz“ und so wird das islamische Gesetz insgesamt als „die Scharia“ bezeichnet.

Diese umfasst rituelle Vorschriften etwa über Waschungen, Gebete, das Fasten im Ramadan, die Sakat (zakāt, Pflichtabgabe zugunsten der Armen) und die Pilgerfahrt (haddsch) ebenso wie familienrechtliche Regelungen, Gesetze über Handel und Bewässerung, ja selbst Staatsrecht und Strafrecht. Rein theoretisch gilt die Scharia, obwohl nur sehr wenige Einzelheiten dieses umfassenden Rechtssystems auf dem Koran basieren, als göttliches Recht.

In Wirklichkeit ist die große Masse der Vorschriften von Rechtsgelehrten über Jahrhunderte erst entwickelt worden. Einige Teile der Scharia, etwa das Sklavenrecht, haben ihre Bedeutung völlig verloren, während andere, besonders familienrechtliche Bestimmungen, in vielen islamischen Ländern nach wie vor gültig sind und in einigen Ländern gar praktiziert werden.

Wer sich etwas näher über das islamische Recht informieren möchte, vor allem über seine heutige Bedeutung und seine Rolle bei muslimischen Minderheiten, greife zu dem empfehlenswerten Werk des Juristen und Islamwissenschaftlers Mathias Rohe: Das islamische Recht – Geschichte und Gegenwart (München: C. H. Beck Verlag, 2009, 621 Seiten).

Auf der Grundlage europäischer Vorbilder fußte

religionMit Scharia wird die Gesamtheit des islamischen Gesetzes bezeichnet, des Gesetzes also, das seine Quellen in Koran und Sunna findet und wegen seines göttlichen Ursprungs als unveränderlich gilt. Die Scharia gliedert sich in zwei Grundkategorien: Der erste Bereich (al-ibadat) handelt von der Beziehung zwischen Mensch und Gott und befasst sich mit Fragen der Religionspraxis, wie etwa den Fastenregeln oder den rituellen Waschungen. Der zweite Bereich (al-mu‘amalat) regelt die Beziehungen zwischen Mensch und Mensch und behandelt dabei etwa Fragen des Ehe-, Erbschafts- und Strafrechtes.

Da die Scharia in der Auslegung zuweilen große Interpretationsspielräume offen lässt, bildete sich in den ersten islamischen Jahrhunderten die Disziplin der islamischen Jurisprudenz heraus, die das göttliche Gesetz in Form von Anleitungen und Rechtsgutachten praktikabel macht. Im islamistischen Spektrum wird diese klassische Form der vermittelnden Jurisprudenz zugunsten des direkten Rekurses auf die Altvorderen abgelehnt. Während sich in allen islamischen Staatswesen seit den ersten Jahrhunderten parallel zur Scharia auch ein weltliches Gesetz (qanun) entwickelte, das auf dem Gewohnheitsrecht, Herrscherverordnungen oder in der Neuzeit auf der Grundlage europäischer Vorbilder fußte und sich mit Fragen befasste, die in der Scharia nicht behandelt werden, lehnen islamistische Strömungen die Notwendigkeit einer Ergänzung zur Scharia ab, wird diese doch als allumfassend betrachtet.

– Dr. Christian Funke

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