Sind Wölfe wirklich als Feinde des Menschen zu begreifen?
- Geschrieben von Portal Editor
Gerade erst haben wir als zunächst fast Unbeteiligte im Kreis einer kleinen Diskussionsgruppe heftig über den Sinn oder Unsinn der Neueinbürgerung von Wölfen in heimischen deutschen Wäldern mit diskutiert.
Sehen es die einen klar als Bereicherung der Umwelt und Natur und somit als durchaus sinnvoll, versuchen sich die anderen als Rechtfertigung in der Schilderung des hohen Gefährdungspotentials für Kinder und Kleintiere, hier insbesondere der Nutztiere (welch ein Begriff) während eines Spaziergangs zu erklären.
In der flächenmäßig wesentlich größeren Türkei, bei allerdings fast gleicher zahlenmäßiger Bevölkerung, gab es zwischen 1999 und 2010 nach Angaben des Gesundheitsministeriums zwei Angriffe von Wölfen auf Menschen. In einem Fall konnte eine Tollwutinfektion des Wolfs nachgewiesen werden, worin wohl vorrangig der Grund für den Angriff auf Menschen zu sehen war. In dem anderen Fall starben immerhin zwei der drei gebissenen Personen an Tollwut, aber es konnte nicht nachgewiesen werden, dass es sich bei dem tollwütigen Tier wirklich um einen Wolf gehandelt hatte.
Gerade erst ging der Abschuss eines der wirklich seltenen Anatolischen Panther durch die Presse, der einen Schäfer verletzt haben soll. Kollegen des Schäfers hatten den Panther daraufhin erschossen und waren mit einer Geldstrafe belegt worden. Ist das, auch wenn noch so geringe Gefährdungspotential für die Bevölkerung tragbar?
Schuhe aus Wolfsfell sollen Knaben zu tapferen Männern wachsen helfen
Aber zurück zum Wolf. Viele alte Volksstämme Nordeuropas, die überwiegend von der Jagd auf Wild lebten, sahen im Wolf einen ihnen ebenbürtigen oder manchmal gar überlegenen Konkurrenten, dessen Ausdauer und Geschick bewundert wurde. Der Wolf galt in anderen Kulturen gar als Beschützer oder als übernatürliches Wesen und wurde entsprechend verehrt. In Nordamerika identifizierten sich indianische Krieger gar mit dem Wolf (Therianthropie). Selbst moderne Vornamen wie Wolf, Wolfgang oder Wolfhard erinnern noch heute an die einstige Wertschätzung des Tiers. Verschiedene Körperteile des Wolfs galten sogar in der Medizin in Deutschland als heilend oder helfend. So sollten Schuhe aus Wolfsfell Knaben zu tapferen Männern erwachsen lassen. In der Bibel dagegen wird der Wolf überwiegend als für den Menschen gefährliches, ja als Herden reißendes Tier, dargestellt, so etwa in (Gen 49,27 LUT); (Jer 5,6 LUT); (Joh 10,12 LUT), dem man möglichst unmittelbar den Garaus machen muss.
Griechischer König Lykaon wurde von Zeus in einen Wolf verwandelt
Die Gründer der Stadt Rom, die Zwillinge Romulus und Remus, sollen einst von der so genannten kapitolinischen Wölfin gesäugt und aufgezogen worden sein. Vergleichbare Überlieferungen gibt es aus dem indischen Raum; auch die slowakischen Recken Waligor und Wyrwidub sowie der Gründer des altpersischen Reiches, Kyros II., sollen von Wölfen aufgezogen worden sein. Auch das moderne Motiv der Wolfskinder hat hier seine Ursprünge. Die griechische Göttin Hekate, die mit dunkler Hexerei und Zauberei in Verbindung stand, wurde in der bildenden Kunst häufig in der Begleitung von drei Wölfen dargestellt. Der griechische König Lykaon wurde von Zeus in einen Wolf verwandelt.
In der germanischen bzw. nordischen Mythologie werden dem Siegesgott Odin neben zwei Raben auch die Wölfe Geri und Freki beigesellt, die als streitlustige und tapfere Tiere den Kampf verfolgen und sich auf die gefallenen Kämpfer stürzten. Sonne und Mond werden von den Wolfsbrüdern Skoll bzw. Hati gejagt. Beide besitzen noch einen weiteren Bruder namens Managarm, der sich vom Fleisch der Toten ernährt. Der Fenriswolf spielt beim Weltuntergang Ragnarök eine entscheidende Rolle. Er verschlingt zu Beginn der Götterdämmerung den Mond, später Odin selbst. Der Wolf Ysengrin des Mythos besitzt viele Wesensmerkmale des verschlagenen Fuchses. Germanischen Ursprungs ist auch die Figur des Werwolfs, der ungeachtet seines Lebens in der bürgerlichen Gesellschaft zeitweilig Wolfsgestalt annimmt.
So viele Sichtweisen im Hinblick auf den Wolf gibt es kaum bei irgendeiner anderen Tiergattung. Was sind die Hintergründe, letztendlich der tiefere Sinn, für die so gravierend unterschiedliche Sichtweise?
Zahlreiche Haustierverlusten durch Wölfe?
Da der Wolf natürlich auch Nutztiere schlägt, wurde er in der Vergangenheit oftmals als wirklicher Feind des Menschen angesehen, der ihm die Nahrung streitig macht. Ab dem Mittelalter und in der frühen Neuzeit wurde die Beziehung des Menschen zum Wolf in Europa zunehmend einseitig von Angst und Dämonisierung geprägt. Hier spielt auch Glaube und Religion (mal wieder) eine ganz entscheidende Bedeutung. Die starke Ausbreitung menschlicher Siedlungs- und Agrarflächen, sowie die offene Viehhaltung, hier vor allem die bis ins 19. Jahrhundert verbreitete Waldweide von Rindern, Schafen, Schweinen und Pferden, führte zwangsläufig zu zahlreichen Haustierverlusten durch Wölfe. Auch wenn die angegebenen Verluste in vielen Fällen sicher maßlos übertrieben waren oder durch wildernde Hunde verursacht wurden, dürften die Verluste bei dieser Art der Viehhaltung für die Bauern wirtschaftlich häufig bedeutend gewesen sein. Zu der direkten Nahrungskonkurrenz zwischen Mensch und Wolf gesellte sich im Laufe der Zeit noch die Verurteilung des Wolfes als Jagdkonkurrent. Typisch waren Behauptungen wie die im Grossen vollständigen Universal-Lexikon aus dem Jahr 1758. Das Lexikon behauptet der Wolf sei „gar sehr gefräßig, grausam, arglistig, und der gefährlichste Feind der wilden und zahmen Thiere, sonderlich der Schafe“, ferner „schädlichste Geschöpf Gottes“, welches „die Menschen angreiffet, zerreisset und frisset.“
Berichte und Geschichten über „Wolfsplagen“ und Angriffe auf Menschen (zum Teil mit Todesfolge) finden sich bis in die Neuzeit in zahlreichen schriftlichen Quellen. So wird schon 1197 von einer „Wolfsplage“ an der Mosel berichtet, die angeblich mehrere menschliche Opfer forderte. Noch 1849, also zu einer Zeit, als Wölfe in Mitteleuropa schon weitgehend ausgerottet waren, wurde aus Kottenheim eine „Wolfsplage“ gemeldet, als ein strenger Winter bis Ostern anhielt.
Wolftreibjagden waren bei der Bevölkerung verhasst
Diese Einstellung zum Wolf führte in West- und Mitteleuropa zu einer Verfolgung, deren Ziel die völlige Ausrottung des Wolfes war. Hauptsächlich durch große Treibjagden wurde die Jagd auf die Wölfe in West- und Mitteleuropa durchgeführt. Mit so genanntem Wolfzeug (Seile, an welchen Lappen hingen) wurden die bekannten Rückzugsgebiete umspannt. Die Wölfe schlüpften nicht unter diesen mit Lappen behängten Seilen hindurch, sondern blieben im abgesperrten Bereich. Die Treiber trieben dann die Wölfe auf eine Schützenkette zu, wo sie dann abgeschossen wurden. Zu den Treibjagden wurde das Jagd- und Forstpersonal, ferner die zu Jagdfrondiensten verpflichtete Bevölkerung aufgeboten. Diese Wolftreibjagden waren bei der Bevölkerung verhasst, da sie im Winter bei Neuschnee durchgeführt wurden. Nur bei Neuschnee konnte man den Spuren der Wölfe gut folgen und deren Rückzugsgebiete feststellen. Die Jagden dauerten viele Stunden, ja sogar Tage. Bei der zu Jagdfrondiensten verpflichteten Bevölkerung handelte es sich meist um arme Tagelöhner und Bauern. Diese Treiber verfügten häufig nur über unzureichende Winterbekleidung, was immer wieder zu Erfrierungen führte. In der Oranienburger Region wurden zu Beginn des 18. Jahrhunderts zwischen 10 und 25 Jagden pro Jahr angesetzt. Gemeinden und Städte versuchten immer wieder sich von der Stellung von Treibern zu befreien. Die Stadt Neu-Ruppin zahlte 1672 mehrere hundert Reichstaler, um die Verpflichtung loszuwerden.
Mit Strychnin vergiftete Köder eingesetzt
Neben den Treibjagden gab es weitere Jagdmethoden. Um den Anreiz der Wolfsjagd zu erhöhen, gab es hohe Fangprämien. Nach einer Verordnung in Preußen zahlte man für eine erwachsene Wölfin 12 Taler, einen erwachsenen Wolf 10 Taler, für einen Jungwolf 8 Taler und für einen ausgegrabenen Welpen 4 Taler. Das Tragen von Schusswaffen war allerdings der normalen Bevölkerung verboten. So wurden u. a. mit Strychnin vergiftete Köder eingesetzt. Auch Wolfsgärten und Wolfsgruben wurden angelegt. Eine weitere Methode waren aus Eisen geschmiedete Wolfsangeln. Die mit Widerhaken versehenen Enden wurden mit Ködern bestückt und an einem Baum so hoch aufgehängt, dass der Wolf danach springen musste, um zuschnappen zu können. Der Wolf blieb mit dem Maul hängen und verendete in einem langen Todeskampf.
Schon im 18. Jahrhundert wurden westlich der Oder im Deutschen Reich nur noch Einzelwölfe festgestellt. Nur in Ostpreußen konnte sich die Wolfspopulation noch halten. So betrug die Jagdstrecke in Ostpreußen im Winter 1747/48 noch immer 241 Wölfe, während in den drei westlich angrenzenden Provinzen zusammen nur noch 24 Wölfe zur Strecke kamen. Noch 1764 forderte die brandenburgische Provinzialregierung eine Erhöhung des Schussgelds, weil zehn Wölfe festgestellt wurden, welche dann schnell auch ohne Erhöhung des Schussgeldes, erschossen wurden. Der Wolf wurde nach und nach in immer mehr Gebieten ausgerottet.
Der Wolf wurde unter anderem in Großbritannien (letzte Erlegung 1743), Dänemark (1772), Luxemburg (1893) und Deutschland (1904) ausgerottet. In Süd- und Osteuropa wurde erstaunlicherweise dem Wolf (und anderen Großraubtieren) mit erheblich mehr Toleranz begegnet. Auch wenn er dort bei verstärkten Schäden an Haustieren Wölfe regional und zeitlich intensiver verfolgt wurden, war dort die völlige Ausrottung nie das Ziel.
Wir werden dem Thema Wölfe auch weiterhin folgen, so unterschiedlich und kontrovers wie wir die Diskussionen erlebt haben. Ein unendliches Thema, das hoffentlich zu mehr Wissen und Verständnis für die Wölfe führen wird.
Gerade erst setzt die so kontroverse Diskussion um den Wolfbestand in Deutschland wieder ein. Entrüstete Politiker machen sich stark für den Abschuss so genannter "Gefährder". Tatsächlich ein Problem, das nicht sehr sachlich und einfach gelöst werden könnte? Beispielsweise wie früher, durch den Einsatz von Hütehunden? Funktioniert auch in vielen anderen Ländern absolut unproblematisch. So würde denn auch der Hund als treuer Freund und Begleiter des Menschen wieder Sinn machen und müßte nicht Sinn entlehrt im Kinderwagen / Bollerwagen über Messen oder Spazierwege geschoben und / oder gar getragen werden, da er vor lauter Bewegungslosigkeit und Mästung wohl nicht mehr laufen kann. Armer Hund und armes Herrchen! Gerade jetzt wird das Thema Wolf wieder politisch hoch aufgehängt, so liegt der Grund dafür wohl auf der Hand: Eine bessere Ablenkung von den wirklichen Problemen gibt es wohl nicht! Kurzsichtig und dumm!
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